BIRKAT HAMAZON – Danke nach der Mahlzeit – Parascha Ekew
ZUSAMMEN UND ALLEIN
BIRKAT HAMAZON – Danke nach der Mahlzeit – nennen wir bentschen oder segnen.
„Iss, werde gesättigt und SEGEN!“ (8:10). Neben dem Bentschen gibt es das Mesummen-Bentschen oder SIMUN. Mesummen-Bentschen oder SIMUN bedeutet zusammen mit drei Leute bentschen.
Mesummen-Bentschen oder Simun ist eine kurze Aufforderung vor dem eigentlichen Bentschen. Wenn es drei Leute sind, ruft der Vorbentscher die anderen zwei dazu auf, G“tt zu danken.
Danach beginnt das eigentliche Bentschen.
Simun – die Aufforderung zum gemeinsamen Bentschen – entspricht zwei Zielen:
1. EINLADUNG ZUM LOBSAGEN: Wenn drei oder mehr Menschen zusammen essen, muss EINER von ihnen die zwei anderen einladen, ihm beim Loben von G“tt zu folgen.
Dieses erfolgt nur beim Bentschen, da dieses die einzige Bracha, Lobpreisung ist, die durch die Thora vorgeschrieben wird. Alle anderen Brachot sind Miderabbanan, von den Rabbinern vorgegeben.
2. GRUPPENBILDUNG: Wenn alle gemeinsam antworten, präsentiert man sich selber als EINE religiöse Gruppe mit einem gemeinsamen höheren Lebensziel. Das Ganze ist mehr als die Summe von Einzelteilen.
3. WESHALB DREI MENSCHEN? Kabbalisten erklären, dass Vieles aus dieser Welt (Ort und Zeit zum Beispiel) auf drei Dimensionen beruhen:
a. links, rechts und eine Mitte, die die Gegenpolen verbindet, oder
b. Vergangenheit und Zukunft, die einander im Heute begegnen.
Erst bei drei Menschen entsteht eine Gruppe, da man bei zwei doch noch an die Gegenpole denken könnte.
Der Dritte wird als ein verbindendes Glied zwischen den beiden Äußersten betrachtet und gerade diese Einheit ist ein Symbol für das, was unsere Weisen mit dem Mesummen-Bentschen erreichen wollten: ein gemeinsames, höheres Ziel im Leben, das positiv ist und aufbaut, über die Logik des Gleichgewichtes zwischen den Extremen.
Nicht nur Recht, Macht oder Gnade und Liebe, sondern gerade der Anfang von Gleichgewicht ist es, der letztendlich zu Vollkommenheit führt.
4. WESHALB GERADE BEIM ESSEN? Zusammen G“tt danken und essen können wie gegensätzliche Aktivitäten aussehen. Essen ist eine egoistische Handlung, persönlich
und auf die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse gerichtet. Leider ist Hunger jedoch ein mächtiger Faktor, der Menschen in Egoisten verwandeln kann und zu Bestien erniedrigen. Wenn es zur Sache geht, bedeutet Futterneid Streit, Krieg. (in Holländisch wird das „Brotneid“ genannt). Das Wort „Krieg“ (Milchama) weist deutlich Bezug auf zum Hebräischen Wort für Brot, „Lechem“.
Vielleicht ist es aus diesen Gründen, dass unsere Weisen ein gemeinsames „Vorbentschen“ eingeführt haben: um zu betonen, dass es G“tt ist, der uns mit Nahrung versorgt hat.
Die gesamte Gruppe dankt HaSchem für Seine Unterstützung und Nahrung.
Hieraus lernen wir, dass unser Mitmensch nicht unser Rivale ist, der gefürchtet, bekämpft und ausgebremst werden muss. Im Gegenteil! Wir sind alle Gäste an der Tisch von HaSchem und Seine Großherzigkeit reicht vollkommen für uns alle (Rabbiner Hirsch, Deutschland, tausendachthundertacht bis tausendachthundertachtundachtzig).
5. DER GRUPPENPROZESS. Interessant ist, wie Rabbiner Hirsch sel. das Gruppenprinzip gerade beim Bentschen betont. Wo Menschen zusammen sind, entwickeln sich allerlei Interaktionsprozesse. Es entsteht ein dynamisches Spannungs- und Kräftefeld. Die Gruppendynamik beschreibt, was auf sozial-emotionalem Gebiet geschieht: Konflikte über die Leitung, abhängiges Benehmen, Sabotage, Konfrontation und Rivalität (Eifersucht).
Zur Selbstbestimmung und Gruppenzugehörigkeit ist es erforderlich, dass man den Gedanken nachgeht, „Artgenossen zu sein“.
Bei diesem Identifikationsprozess steht oft eine Führungsperson im Mittelpunkt. Durch Gruppenbildung entstehen gegenseitige Offenheit, Zusammenhörigkeitsgefühl und Gruppennormen. Man erreicht eine gemeinsame Identität und Gemeinschaftsgefühl. In jeder Gruppe wird das Verhalten der Mitglieder durch ein Gebilde an Vorschriften mit bestimmt. Einerseits wirken Vorschriften einschränkend – Du kannst nicht alles nur mal so eben sagen oder tun. Individuelle Bedürfnisse können hierdurch problematisch werden.
Andererseits ermöglichen Vorschriften eine sinnvolle Zusammenarbeit. Vorgaben helfen beim Erreichen von Zielsetzungen und geben den Gruppenmitgliedern Sicherheit: Du weißt, wo Du dran bist. Durch Mesummen-Bentschen entsteht eine Gruppe mit Vorschriften und Zielen: der Dank an G“tt über die Tatsache, dass ER es uns ermöglicht hat, „nicht nur mit Brot allein“ zu leben und uns höhere, spirituelle Ziele vor Augen geführt hat.
Chafejts Chajim zitiert Raschi (Leviticus/Wajikra 26:8), der besagt, dass wenn mehrere Menschen eine Mitzwa (Gebot) erfüllen, dieses mehr Effekt hat und mehr beeindruckt. Das Ganze verleiht Kraft. Der Einzelne erreicht in der Gruppe eine viel höhere Ebene, als es ihm sonst allein möglich gewesen wäre. Seine Selbstwahrnehmung von religiösem Empfinden und Ausdruck wird in der Gruppe gesteigert.
6. ELOKIM GEGENÜBER DEM AUS VIER BUCHSTABEN BESTEHENDEN NAMEN VON HA’SCHEM.
Bemerkenswert ist, dass wir vor dem Lernen und dem Lesen der Thora, in der Bracha den viersilbigen Namen von HaSchem benutzen, die G“ttes Großherzigkeit und Chessed (Liebe) symbolisiert. Wenn wir G“tt für unser tägliches Brot danken, benutzen wir den Namen ELOKEJNU, was „Recht und Urteil“ bedeutet. Weshalb dieser Unterschied?
Unsere Nahrung fließt uns als eine Tat aus G“ttlichem Recht zu. Es wäre unbegreiflich, wenn G“tt Menschen und Tiere schaffen würde, ohne sie mit ihren elementaren Bedürfnissen zu versorgen. Die Thora ist jedoch G“ttes unendliche Weisheit. Dass G“tt diese Chochma (Weisheit) mit uns, Seinen Geschöpfen, teilt, ist ein Beweis von großer Liebe.
Somit erklärt sich, weshalb wir bei der Bracha (Segensspruch) über die Thora, den viersilbigen Namen von HaShem verwenden, der Liebe und Chessed symbolisiert.