DAS AMMENMÄRCHEN VOM BLUT, EINE IMMER WIEDERKEHRENDE SCHLIMME BEHAUPTUNG

DAS AMMENMÄRCHEN VOM BLUT, EINE IMMER WIEDERKEHRENDE SCHLIMME BEHAUPTUNG

Professor Ariel Toaff von der Bar-Ilan-Universität in Tel-Aviv begründet seine Behauptung, dass “das Märchen des Blutes vielleicht auf Wahrheit beruht” auf einen vermeintlichen Mord aus 1474. Ich habe auch so eine antike Gravur mit “der rituellen Folterung” von Simon von Trente angeboten bekommen. Welch ein abscheulicher Unsinn.

Blut ist für Juden ausdrücklich verboten. Viele Male warnt die Bibel vor dem Verzehr von Blut (siehe Vajikra/Leviticus 7:26 und 19:26). Selbst laut den 7 Noachidischen Geboten darf man aus lebendigen Organismen kein Blutt abzapfen.

Ab meiner frühesten Jugend habe ich immer gesehen, wie meine Mutter jedes Ei prüfte und ein Ei, das selbst nur die geringste Blutandeutung zeigte, sofort weg warf. Dass jemals ein verwirrter oder irrer Extremist ein christliches Kind getötet hat, ist natürlich keine Unmöglichkeit. Aber dieses hat nichts mit dem Judentum zu tun und rechtfertigt sicherlich keine Aggression gegen die Jüdische Allgemeinheit. Es spielen jedoch ganz andere Faktoren eine Rolle. Juden haben immer alles getan, um selbst den Anschein eines Blutkonsums zu vermeiden.

Obwohl der Talmud bei der feierlichen Begehung des Auszuges aus Ägypten roten Wein bevorzugt, haben unterschiedliche spätere Gelehrte weißen Wein vorgeschrieben, um den Verbreitern des Ammenmärchens vom Blut den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Geschichtsschreibung und die Hintergründe dieser unsinnigen Beschuldigung verschaffen einen Einblick in eine tiefere Dimension des – leider – nicht immer gerade friedlichen Zusammenlebens von Juden und Christen ab dem Mittelalter bis zum heutigen Tag.


Älter als 1474

Das Ammenmärchen der Blutsünde ist schon viel älter als 1474. Dort strandet der Bezug von Toaff bereits. Die blutigen Spuren des ersten Kreuzzuges waren noch nicht mal entfernt, da versammelte sich das christliche Europa zum zweiten Mal, um die Macht der Mohammedaner zu bezwingen. Das Königreich Jerusalem wurde durch Angriffe der Sarazenen ernsthaft in Bedrängnis gebracht. Papst Eugenius III rief die Christen zu einem erneuten Versuch auf, um das heilige Grab von fremden Besatzern zu befreien. Jeder, der hieran Teil nehmen würde, erhielt die Freistellung von Rückzahlungen an jüdischen Schuldnern. Die Kreuzritter gingen viel weiter: auf ihrem Weg ins Heilige Land hinterließen sie eine Vernichtungsspur jüdischen Blutes.


Christenblut für Pessach

Im Kielwasser der Kreuzritter entstand eine heftige antisemitische Stimmung, der Nährboden zur Verbreitung des Märchens der Blutsünde. Bereits in 1144 wurden die Juden von Norwich des Ankaufs eines Christenkindes, des “Märtyrers” William, beschuldigt. An Pfingsten sollte er – so lautete die Volkslegende – mit allen Peinigungen und Folterungen, von denen auch der Messias der Christen betroffen gewesen sei, gemartert worden sein.

In 1171 wurde diese Anschuldigung, die unzählige Male bis in die Zeit der Nazis hinein wiederholt werden sollte, zum ersten Mal auf französischem Boden geäußert. Ein Einwohner des Städtchens Blois erzählte dem Bürgermeister, er hätte einen Juden gesehen, wie er ein Christenkind in die Loire geworfen hatte. Sofort verbreitete sich das Gerücht, die Juden hätten das Kind getötet, um sein Blut an Pessach zu verwenden, da den Juden an diesem Fest die Nutzung von christlichem Blut vorgeschrieben sei.