Der Schabbat ist wichtiger als das Tabernakel – Parascha Wajakhel-Pekude

Der Schabbat ist wichtiger als das Tabernakel – Parascha Wajakhel-Pekude
Parscha Wajakheel und Pekudei (Schemot/Exodus 35:1 – 40:38)

Am 10. Tischri, an Jom Kippur, erhielten die Juden wegen der Anbetung des Goldenen Kalbes Vergebung. Die Erstellung des Mischkan (des Tabernakels) sollte das Zeichen sein, dass diese Verfehlung verziehen war.

Am Tag nach Jom Kippur versammelte Mosche das gesamte Jüdische Volk und erklärte: “An sechs Tagen darf Arbeit verrichtet werden, aber am siebten Tag solltet Ihr Euch von aller Arbeit enthalten”.

Interessant ist die passive Formulierung: “darf Arbeit verrichtet werden”. Möchten wir am Schabbat tatsächlich ruhen oder besser gesagt, uns ausruhen, dann sollten wir uns während der sechs Werktage nicht allzu aktiv abhetzen und mit dem Kampf um den Alltag beschäftigt sein.

Weshalb musste die Heiligkeit des Schabbats nochmals betont werden?


Die Juden in der Wüste waren mit der Erstellung des Heiligtums vollkommen ausgelastet. Dieses war dem Umfeld gegenüber ein Zeichen, dass jener Schandfleck der Anbetung jenes absichtlichen Götzen, das goldene Kalb, so kurz nach der Offenbarung der Thora, erloschen war.

G”tt würde SELBER in ihrer Mitte wohnen. Alle Andacht war auf dieses nationale Monument des erneuerten Selbstvertrauens und der gesteigerten Verbundenheit mit dem Allmächtigen gerichtet.

Deshalb musste die Heiligkeit des Schabbats nochmals betont werden.

Aus der Erstellung des Mischkan werden neununddreißig kreative Tätigkeiten abgeleitet, die die verbotenen Handlungen an Schabbat bilden.

Transportieren
Rabbiner Hirsch (neunzehntes Jahrhundert, Deutschland) wundert sich über EINES der verbotenen Tätigkeiten, die nicht zu den kreativen Aktivitäten passt: das Verbot, etwas aus dem Haus auf die Straße und von der Straße ins Haus zu tragen, das Transportieren ab der einen Stelle zur Anderen. Von welcher Kreativität ist hier die Rede? Was entsteht hier an Neuem? Der Gegenstand ändert sich ja nicht, indem er vom privaten Ort zum öffentlichen Ort befördert wird?

Rabbiner Hirsch besagt, dass der Transport, das Verfrachten von Gegenständen, also “das Tragen”, den sozialen Verkehr zwischen meinem Privatbereich und der gesellschaftlichen Interaktion auf der Straße bildet. Die soziale Interaktion ist im Grunde genommen Geschichte. Wenn wir am Schabbat nicht tragen, betonen oder bestätigen wir nicht nur, dass G”tt der Herr über die physische Welt ist, sondern auch der Meister der Geschichte.

Deshalb sprechen wir im Kiddusch – der Einweihung des Schabbats an Freitagabend -, dass der Schabbat eine Erinnerung an die Schöpfung sei, aber zugleich eine Erinnerung an den Auszug aus Ägypten ist.

Den Schabbat halten zeigt die Anerkennung G”ttes als den Herr über Ort und Zeit, über das Universum und der Geschichte. Deshalb ist der Schabbat wichtiger als das Heiligtum.

In vielen Bereichen ist das die Herausforderung des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Die menschliche Kreativität scheint sich zu verselbstständigen, uns zu entgleiten. Die Selbstbeschränkung ist deshalb die einzige Garantie für die wichtigste, grundsätzlichste Art von Freiheit, nämlich Vermeidung des Unterganges.