Der Sinn der Gebote – Parascha Para

Der Sinn der Gebote – Parascha Para

Jedes Jahr, einige Wochen vor Pessach, lesen wir den Abschnitt über den Gebot von Para Aduma (die rote Kuh). Dementsprechend lehrt uns dieses Gebot sehr wichtige Lektionen für das Leben.

Das Ohr HaChaim HaKadosch fragt, warum dieses Gebot als das “Chok (Statut) der Tora” genannt wird. Es wäre angemessener gewesen zu sagen, “dies ist das Chok von Tahara (Reinheit)”. Er antwortet, dass die Tora auf uns anspielt, dass wenn wir diese Mizwa erfüllen, obwohl es keinen Grund dafür gibt, der Passuk es so betrachtet, als hätten wir die gesamte Tora erfüllt, weil die Erfüllung einer Mizwa (eines Gebotes) ohne Grund zeigt, dass wir bedingungslos bereit sind HaSchems Wille zu folgen (siehe 1. unten).

Rav Chaim Schmuelevitz zt”l erklärt, dass, wenn man ein Gebot erfüllt, die einen offensichtlichen Grund dafür hat, es immer noch nicht klar ist, dass er bereit ist, die Tora zu erfüllen, nur weil HaSchem es befohlen hat. Es könnte sein, dass er es tut, weil es für ihn Sinn macht. Sobald er jedoch ein Gebot ohne Logik ausführt, beweist er, dass er alle Gebote einhält, nicht weil sie für ihn sinnvoll sind, sondern weil HaSchem es so befohlen hat (siehe 2. unten).

Dies ist ein Grundprinzip der Tora – wir akzeptieren, dass wir HaSchems Willen folgen müssen, ohne irgendwelche Cheshbonos (Berechnungen) gemäß unserer eigenen Logik durchzuführen. Rav Mosche Feinstein zt”l schreibt, dass dies Korachs Fehler bei seinen theologischen Angriffen gegen Mosche Rabbejnu war. Er versuchte, den Irrtum der Gebote von Tsitsit und Mesusa aufzudecken, indem er ihre unlogische Natur zeigte. Er argumentierte, dass der Grund für das Tragen eines Fadens von Techeilet (Art von der blauen Farbe) an jeder Ecke darin besteht, dass er dem Meer ähnelt, das dem Himmel ähnelt, der dem Thron der Herrlichkeit ähnelt. Basierend auf dieser Überlegung argumentierte Korach, dass jemand, der ein Kleidungsstück von Farbe Techeilet trägt, keinen Faden davon an seiner Ecke brauchen sollte, da das eigentliche Kleidungsstück reichlich an das Meer, den Himmel und den Thron der Herrlichkeit erinnert. In der Realität gilt ein Gebot jedoch in allen Fällen, auch wenn der angegebene Grund keine offensichtliche Anwendung hat, da letztendlich alle Gebote eingehalten werden müssen und als eine Gezeira (Verordnung) angesehen werden sollten, die nicht in Frage gestellt werden kann (siehe 3. unten)

In Anbetracht dieses Prinzips ergibt sich eine Schwierigkeit: Viele der größten Tora-Gelehrten wie Rambam, Sefer HaChinuch und in jüngerer Zeit Rav Samson Raphael Hirsch zt”l haben sich sehr bemüht, die Taamey HaMitzwot zu erklären – den Sinn der Gebote. Aus Para Aduma geht jedoch klar hervor, dass der ultimative Grund für jeden Gebot jenseits des menschlichen Verständnisses liegt. Schlomo HaMelech hatte geglaubt, den tiefsten Grund für jeden Gebot zu verstehen, bis er zu Para Aduma kam, den er nicht ergründen konnte. Dann stellte er fest, dass er den endgültigen Grund für keinen der Gebote wirklich verstand. Wenn das so ist, wie kann irgendjemand behaupten, einen Grund für einen bestimmten Gebot zu verstehen, wenn seibst Schlomo HaMelech, der weiseste Mann, dies nicht könnte?!

Mein Rebbe antwortet mit der Erklärung, dass die Kommentatore nicht behaupten, den endgültigen Grund für die Gebote zu verstehen. Wir können keine Vorstellung von dem wahren Grund für einen Gebot haben, da es etwas ist, was zu den höchsten Welten gehört. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die „Begründungen für die Gebote“ keine Wahrheit beinhalten. HaSchem hat es, in seiner unendlichen Weisheit, so „arrangiert“, dass jedes Gebot auf vielen verschiedenen Ebenen der Existenz Sinn machen kann. Zum Beispiel, können sie einem Menschen helfen, wünschenswerte Charaktereigenschaften zu entwickeln und Beziehungen zu verbessern.

Wir sehen dies in vielen Geboten: Die Gesetze der Reinheit gehören zu den am schwierigsten zu ergründen. Das heute relevanteste dieser Gebote, die Reinheit der Familie (Taharas Mischpacha), haben jedoch offensichtliche Vorteile. Die Gemara erklärt, dass es für Ehemann und Ehefrau sehr vorteilhaft ist, sich jeden Monat für eine bestimmte Zeit zu trennen, um das Problem der mangelnden Aufregung in der Beziehung zu vermeiden (siehe 4. unten). Basierend auf dieser Gemara schreibt der Sefer HaChinuch, dass dieser Vorteil einer der Begründungen für das Gebot von Reinheit der Familie (siehe 5. unten) ist. Dies bedeutet nicht, dass wir dieses Gebot nur deswegen einhalten, weil es der Beziehung hilft. Es ist jedoch kein Zufall, dass dies der Fall ist. Hashem hat dies eindeutig so „beabsichtigt“.

Ein weiteres Beispiel hierfür ist das Gebot, wie ein Tier richtig geschlachtet wird (Schechita). Der Ramban schreibt, dass es HaSchem nicht beeinflusst, ob wir ein Tier durch Schechita oder durch Würgen töten. HaSchem wies uns jedoch an, das Tier auf die am wenigsten grausame Weise zu töten, um uns die Eigenschaft (midda) beizubringen, selbst zum Zeitpunkt des Tötens barmherzig zu sein (siehe 6. unten). Dies bedeutet nicht, dass wir Tiere so schlachten, wie wir es tun, weil es uns hilft, barmherziger zu sein. Wir tun es rein aus dem Grund, dass HaSchem es uns so befohlen hat. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass HaSchem auch beabsichtigte, dass wir durch Einhaltung der Gebote die positive Charaktereigenschaften zu entwickeln.

Ungeachtet der Tatsache, dass wir den endgültigen Grund für die Gebote nicht ergründen können, können wir dennoch “Geschmack der Gebote” verstehen, der auf einer bestimmten Ebene wahr ist. Mit diesem Verständnis können wir jetzt verstehen, warum es den Kommentatoren so wichtig war, uns den Sinn der Gebote beizubringen. Es ist wahr, dass wir die Gebote nur deswegen behalten, weil HaSchem uns angewiesen hat, es reicht jedoch nicht aus, dass wir die Gebote nur roboterhaft ausführen, ohne darüber nachzudenken, was wir tun. Die Gebote sollen uns in bessere Menschen verwandeln, und die Art und Weise, wie sie dies tun, geschieht durch die Taamey HaMitzwot. Der Sefer HaChinuch erklärt uns den Wurzel (Schoresch) zu jedem Gebot – warum? Damit wir eine Vorstellung davon haben, was wir durch die Durchführung dieses Gebotes erreichen sollen, und auf diesen Nutzen hinarbeiten können.

Das Verbot von Laschon Hara (auf üble Nachrede) zeigt diese Idee. Rabbeinu Jona erklärt das Taam (aus dem hebr. “Geschmack”, “Sinn”) dieses Verbots mit einer Geschichte. Ein weiser Mann ging mit seinen Schülern spazieren, als sie auf die Leiche eines toten Hundes stießen. Einer der Schüler kommentierte, wie widerlich diese Leiche war. Der Weise antwortete, dass es sehr schöne, weiße Zähne habe (siehe 7. unten). Er brachte seinem Schüler bei, sich auf das Gute zu konzentrieren. Dies, schreibt Rabbeinu Jona, ist das Taam von Schemiras Halaschon (Grund/Geschmack für die Beachtung eigenen Wörtern, die wir aussprechen). Es gibt kein wirkliches Verbot von Laschon Hara, sich auf die unangenehmen Aspekte eines toten Hundes zu konzentrieren, aber wer die Dinge negativ sieht, übersieht den Sinn der Laschon Hara. Es reicht nicht aus, einfach nicht schlecht über andere zu sprechen, die Wurzel der Mizwa besteht darin, sich auf das Gute in den Menschen zu konzentrieren. Mit der Entfernung von der üblen Nachrede über andere, sollte man sich bemühen, sich in eine Person mit einer positiven Lebenseinstellung zu verwandeln.

Wir haben gesehen, wie Para Aduma uns lehrt, dass wir verpflichtet sind, Gebote zu erfüllen, ohne ihre Logik in Frage zu stellen, und gleichzeitig sind wir auch verpflichtet, den Sinn der Gebote zu verstehen, damit wir von ihnen auf die beabsichtigte Weise wachsen können.

Ein empfohlener Weg, dies zu erreichen, besteht darin, einige Zeit damit zu verbringen, die Taamey HaMitzwot zu analysieren. Es gibt viele Quellen, man kann auf frühere Quellen wie Rambam in More Nevuchim und Sefer HaChinuch zurückgreifen oder sich zu späteren Kommentatoren wie Rav Hirsch oder Rav Aryeh Kaplan zt”l zuwenden. Auf diese Weise können wir uns daran erinnern, dass jedes Gebot ein Sinn hat, dessen wir uns bewusst sein und aus dem wir wachsen sollen.

Dies ist keine leichte Aufgabe, da es ein starkes Jetser Hara gibt, das es uns ermöglicht, Mizwot zu machen, nur solange wir ihren beabsichtigten Zweck verfehlen. Die Geschichte erzählt von einem großen Rabbiner, der am Freitagabend ein Haus besuchte. Als er und sein Gastgeber das Haus betraten, sahen sie, dass die Challa nicht wie üblich bedeckt war. Der Gastgeber, verärgert über dieses Versagen vor seinem geehrten Gast, beschimpfte seine unglückliche Frau vor seinem Gast. Nach diesem Ausbruch nahm der Rabbi ihn sanft beiseite und fragte ihn, ob er wisse, warum wir die Challa bedecken. Der Grund ist, es nicht in Verlegenheit zu bringen, wenn wir den Wein davor segnen. Indem der Gastgeber seine Frau in Verlegenheit brachte, zeigte er, dass er die Botschaft dieses Brauchs eindeutig nicht verinnerlicht hatte.

Alle Gebote haben interne Botschaften – es liegt an uns, sie zu lernen und sie auf die beabsichtigte Weise zu verwenden.

Quellen aus dem Text:

1) Ohr HaChaim HaKadosch, Chukat, 19:2.

2) Sichot Mussar, Chukat, Maamer 78.

3) Darasch Mosche, Chukat.

4) Nidda 31b

5) Sefer HaChinuch, Mizwa 166.

6) Ramban, Ki Teze, 22:6.

7) Shaarey Teschuva, Schaar 3, Maamer 216,217.