Die Ambivalenz in der Tora und im Talmud bezüglich hochprozentiger Getränke – Parascha Pinchas

Die Ambivalenz in der Tora und im Talmud bezüglich hochprozentiger Getränke – Para...

Im Thora-Abschnitt Pinchas werden die Feiertage thematisiert, wobei der Wein einen wichtigen Bestandteil darstellt.

Die Ambivalenz gegenüber dem Wein

Der Alkohol spielt im Judentum an Schabbat und Jom Tow eine wichtige Rolle. Die Thora aber nimmt eine ambivalente Haltung im Bezug auf Alkohol ein. Einerseits befand sich der Wein in Biblischen Zeiten ganz normal auf dem Tagesmenü. Die Herstellung des Weines und die Trocknung von Trauben zu Rosinen waren die einzigen Möglichkeiten, diese Frucht zu konservieren. Daneben liefert der Wein auch die notwendigen Kalorien für die erforderliche tägliche Menge an Energie.

Im Tempel und für Nasireer

Auch im religiösen Bereich spielt der Wein übrigens eine wichtige Rolle. Die Thora schreibt bei den verschiedenen Opfervorgängen ein Gussopfer vor, dass auf dem Altar ausgeschüttet wurde. Es ist wohl absolut verboten, als Priester betrunken den Dienst im Tempel zu verrichten. Daneben besteht die Möglichkeit, während eines bestimmten Zeitabschnittes sich des Genusses von Wein und Trauben und allen Erzeugnissen des Weinstockes zu entziehen. So eine Person heißt Nasireer. Derjenige, der sich hierzu durch ein Gelöbnis verpflichtet, schneidet sich nicht die Haare und vermeidet jeglichen Kontakt mit einem Toten, genau wie ein Priester. Nach Ablauf dieses Zeitabschnittes erbringt diese Person ein spezielles Opfer als Versöhnung, da das sich Entsagen des Weines doch nicht ideal ist.

Wein wird viel getrunken

Eine gleiche ambivalente Haltung ist auch im Talmud zu spüren. Ein mäßiger Weinkonsum ist „nahrhaft, erweckt die Esslust und ist erheiternd“. Man nimmt auch an, dass das Trinken von Wein, zumindest in kleinen Mengen, für den Körper gesund sei: „Wein ist die beste Medizin“ (B.T. Baba Batra 5b). Heutzutage ist man tatsächlich davon überzeugt, dass mäßiger Alkoholgebrauch (ungefähr zwei Gläser Wein pro Tag) dazu beitragen kann, Herz- und Gefäßerkrankungen vor zu beugen. Wirklich mäßig war der Alkoholkonsum jedoch wohl nicht. Laut einer Rabbinischen Quelle, die das Festmahl beschreibt, wie dieses laut Etiquette zu sein gehörte, hatten die Teilnehmer bereits zwei Gläser intus, bevor die eigentliche Mahlzeit begann. Schätzungen von Wissenschaftlern gehen davon aus, dass ein erwachsener Einwohner des alten Roms täglich einen Liter Wein trank.

drei Teile Wasser und ein Teil Wein

Der Talmud kennt unterschiedliche Sorten von Wein, jede mit einem anderen Geschmack und Reifungsprozess. Der noch ungegorene Wein wird „Wein aus dem Fass“ genannt und „alter Wein“ war der Wein aus dem vergangenen Jahr. Der Wein aus vorhergehenden Jahren wird „sehr alter Wein“ genannt. Honig, Kräuter und Balsam verleihen den Weinen ihren charakteristischen Geschmack. Der etwas stärkere Wein wird mit Wasser verdünnt (drei Teile Wasser und EIN Teil Wein).

 Der Talmud und Betrunkenheit

Betrunken sein oder dieser Zustand wird jedoch als etwas Negatives angesehen. Das Alkoholverbot für Priester wurde auf Richter und Gelehrte ausgedehnt. Nach dem Genuss von etwa 100 Millilitern Wein dürfen beide keine Entscheidungen mehr fällen oder Aussagen machen. Das Gebet, im Zustand von Trunkenheit gesprochen, wird als etwas Abscheuliches betrachtet. Ein übermäßiger Weinkonsum sei überdies für den Körper schädlich. Daneben wird die den Geist verwirrende Wirkung von Alkohol als Ursache oder Auslöser verschiedener Untugenden betrachtet: „trinke nicht – sündige nicht“, rät ein Rabbiner. Das Trinken von all zu exklusiven Weinen wird darüber hinaus innerhalb eines Lebensstils gestellt, der nur auf das Genießen, auf Luxus und auf das Körperliche ausgerichtet ist, und den die Jüdischen Gelehrten ablehnen.

Das sich von Trunkenheit abwenden gelangt auch aus den ausführlichen Beschreibungen in der Rabbinischen Literatur über das Verhalten und dem Äußerlichen eines Trunkenboldes an die Oberfläche: ein rotes Gesicht, ein lallender Sprachgebrauch, immer lauter werdende Stimme, angeberische Aussagen, Tanzen und sich selber beschmutzen. Auch die Sucht von dem „Trinken müssen“ wird in einer Anzahl Geschichten auf ironische Weise beschrieben.

Beherrschung

Das Judentum sieht wenig in der vollkommenen Enthaltung von Genuss. Ein Verbot von Alkohol, Fleisch oder das Zölibat bestehen also nicht. Das Judentum kann sich also auch im Slogan vollständig wiederfinden: „Genieße, trinke aber in Maßen“. Eine kontrollierte Verwendung von zum Beispiel Alkohol lehrt den Menschen vielleicht wohl mehr Selbstbeherrschung als ein vollständiges Verbot, so dass man immer wieder aufs Neue mit der Entscheidung der Wahl konfrontiert wird. EINE der Arten, um den Alkoholgebrauch zu steuern, ist, diesen innerhalb eines religiösen Kontextes zu stellen. Indem man den Wein bei verschiedenen religiösen Ritualen verwendet, schafft man eine Verbindung zu einem alles umspannendes System von Normen und Werten, innerhalb dessen auch Alkohol eine Stelle erhält.

Symbolik innerhalb Mystik

Für eine mehr in die Tiefe gehende Erklärung der Wichtigkeit von Wein, ist die Mystik der vorgegebene Weg. Im Talmud und dem Midrasch (die erzählenden Erklärungen zur Thora) ist der Wein eine Metapher zu Thora-Wissen, in späteren Quellen vor allem von esoterischer Weisheit.

Der Baum der Erkenntnis

So war laut dem Talmud „Der Baum der Erkenntnis“, der im Paradies stand, nichts anderes als ein Weinstock. Daneben erhalten die Rechtschaffenen und Frommen in der Künftigen Welt das Vorrecht, an einem exklusiven Festmahl Teil zu nehmen. Bestandteil hiervon ist ein spezieller Wein, abstammend aus den sechs ersten Schöpfungstagen der Welt. Auch hier ist „Wein“ eine Metapher für G“ttliche Kenntnis oder Wissen. (B.T. Baba Batra 12b).