Die Disziplin oder Verpflichtung zur Änderung – Parascha Bechukotai

Die Disziplin oder Verpflichtung zur Änderung – Parascha Bechukotai

Oftmals tragen wir
negative Folgen davon, wenn wir im Leben den richtigen Weg verlassen.
Diese Folgen sind keine Strafe, sondern ein Alarmsignal, um sich
bewusst zu fragen, ob wir uns ändern sollten.

Kurze Veränderung
oder dauerhaft?

Wenn wir unseren
Fehler sehen, sind wir allzu schnell bereit – die unangenehme
Situation so schnell wie möglich hinter uns zu lassen – “etwas”
zu ändern. Und da liegt die Gefahr, dass die Veränderung nur von
kurzer Dauer ist.

Aber sich mal hier,
mal dort dort ein wenig anders verhalten als sonst ist nicht genug,
um eine dauerhafte persönliche Veränderung herbeizuführen. Denn
wenn das Problem aufhört zu existieren, kehren wir bald zu unserem
alten “Ich” zurück.

Wirklicher Wille
fehlt

Wenn wir die Absicht
haben, unser Leben zu verändern, zu wachsen und zu verbessern,
benutzen wir einen äußeren Druck, eine extreme Situation, die uns
forciert, zu überlegen, wo und wie wir uns ändern können. Wenn zum
Beispiel jemand sehr arrogant ist und feststellt, dass die Menschen
um ihn herum ihn meiden und den Kontakt abbrechen oder dass er in
wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, weil er nicht in der Lage
ist, auf die Ratschläge anderer zu hören, mag er das Gefühl haben,
dass er sich ändern muss, aber oft fehlt der wirkliche Wille, einen
echten Wandel bei sich selbst, in seiner eigenen Person
herbeizuführen.

Erworbene negative
Charakterzüge

Wenn die schlimmsten
Probleme gelöst sind, kehrt die Person zurück zu ihrer gewohnten
hochmütigen Natur. Und so ist es natürlich auch bei allen anderen
Charakterzügen.

Die überwiegende
Mehrheit der Probleme, mit denen wir konfrontiert werden, entstehen
als Folge unserer erworbenen “negativen” Charakterzüge.
Wenn wir eine echte, dauerhafte Verwandlung anstreben und nicht immer
wieder in unser altes festes Reaktionsmuster zurückfallen wollen,
dann werden wir nur dann erfolgreich sein, wenn wir diese
Entscheidung mit genügend Nachdruck umsetzen. Ein halbherziger
Beschluss ist von kurzer Dauer und führt nicht zu einer dauerhaften
Veränderung der Charakterzüge.

Sich verändern,
die von G’tt geforderte Lebensaufgabe

Wie können wir uns
also intern verändern und die von G’tt gestellte Lebensaufgabe
erfüllen? Denn wir sind einmal mehr davon überzeugt, dass der
Mensch nicht so bleiben sollte, wie er ist, sondern dass er das
Potenzial für persönliches Wachstum in sich hat. Jemand wächst,
wenn er die Verwandlung seiner Person als Verpflichtung sieht. Es
spielt keine Rolle, ob ich sehe, dass eine Veränderung mich zu einem
besseren Menschen macht. Also nicht nach dem Motto: “Ich fühle
mich, so wie ich bin, nicht gut und ich ändere mich nur, um mich
besser zu fühlen!“ Oder umgekehrt: „Ich fühle mich gut, sehe
keinen Grund für Veränderung, also lasse ich es!“ Nein, wir
streben nach persönlichem Wachstum, nach innerer Veränderung, denn
das ist es, was G’tt von uns verlangt. Das ist der Hauptgrund. Wir
ändern uns nicht, weil wir Angst vor negativen Folgen haben oder
weil wir auf persönliche Vorteile aus sind. Wir ändern uns, weil
G’tt uns diese Aufgabe jeden Tag aufs neue stellt.

Religiöses
Wachstum als Pflicht

Wir wollen, dass wir
ein schönes, gelungenes Leben haben. Damit dies geschehen kann,
müssen wir als Person wachsen und unsere Charakterzüge verbessern.
Eine echte Veränderung kann nur erreicht werden, wenn wir die
Änderung als Gesetz akzeptieren (“Chok”). “Ich bin
verpflichtet, mich zu ändern! Keine weitere Diskussion!“

Veränderung als
Gesetz

Warum ist es so
wichtig, dass wir unsere persönliche Veränderung als Gesetz
annehmen? Bisher sehen wir durchaus ein, dass wir profitieren können,
wenn wir aus unangenehmen Situationen in unserem Leben lernen und uns
so das Leben leichter machen. Wer will das nicht? Das ergibt Sinn,
nicht wahr? Wenn mein Glück und meine Lebensqualität davon
abhängen, wie ich auf Ereignisse reagiere, dann bin ich nur zu gerne
bereit, meine Charakterzüge zu hinterfragen! Wenn es also Sinn
macht, warum ist es dann wichtig, die Veränderung als Gesetz, als
unlogische Verpflichtung zu sehen? Warum können wir als Person uns
nur dann wirklich verändern – und dafür sind wir ja auf der Welt -,
wenn wir Veränderung als Verpflichtung ansehen, auch ohne sie
logisch nachvollziehen zu können?

Es gibt drei
Möglichkeiten, wie wir das erklären können:

Vermeidetaktik
ändern

1. Die erste ist, dass
im Laufe der Geschichte deutlich geworden ist, dass “echte”,
dauerhafte Veränderungen nur dann passieren, wenn wir gezwungen
sind, uns zu ändern, wenn wir keine andere Wahl haben. Jeder Mensch
versucht, Veränderungen zu vermeiden. Das ist ein natürlicher
Abwehrmechanismus. Wir glauben, dass unsere Charakterzüge Teil
unserer Essenz sind. Auch wenn wir das Gefühl haben, dass uns eine
negative Qualität schadet und nicht gut tut, halten wir daran fest,
weil wir Angsthaben, unsere Essenz aufzugeben. Diese Überzeugung ist
so tief verwurzelt, dass es einer enormen Kraftaufwand bedarf, sie
loszulassen. Selbstwenn wir laut und deutlich sagen, dass wir uns
ändern wollen, ist die innere Willenskraft oft nicht stark genug.
Jeder kennt die guten Vornehmen von Rosch HaSchana und wie sehr wir
im nächsten Jahr eine zweite Chance brauchen! Deshalb können wir
nur dann echte Veränderungen herbeiführen, wenn wir einen Druck von
außen spüren, der uns zwingt. Wir sind gezwungen, eine Antwort auf
einen unhaltbaren Zustand zu finden, eine Lösung für ein Problem.
Auf diese Weise können wir die vielen Erfindungen erklären, die der
Staat Israel bisher unter anderem im Bereich der Verteidigung
entwickelt hat. Während das Land im Vergleich zu anderen Ländern
relativ klein ist und über weniger Ressourcen und weniger
Möglichkeiten verfügt, war es gezwungen, kreative Lösungen für
das Problem der feindlichen Angriffe zu finden.

Ebenso kann sich ein
Mensch nur dann ändern, wenn er das Gefühl hat, dass es für ihn
nur einen Ausweg gibt, nämlich Veränderung. Dies schließt nicht
aus, dass er durch den Wandel seine Lebensqualität und die seiner
nächsten Familienangehörigen verbessert, aber das kann nicht die
primäre Motivation sein. Das Wichtigste daran ist die Verpflichtung,
unsere Charakterzüge zu verbessern. Dies ist der Grund, warum die
Tora uns lehrt, dass wir persönliches Wachstum als unumstößliches
Gesetz (‚Chok‘) akzeptieren müssen.

Der Mensch ist ein
Gewohnheitstier

2. Die zweite
Erklärung ist, dass unsere Charakterzüge als Gewohnheiten zu Tage
treten. Unsere Gewohnheiten sind wie unsere Füße, wir bewegen sie,
ohne darüber nachzudenken. Während wir nach Hause laufen , können
wir mit unseren Gedanken gleichzeitig woanders sein. Unsere Füße
laufen automatisch. Die Art und Weise, wie wir auf Ereignisse
reagieren, erfolgt genauso automatisch. Z.B. wenn ich es gewohnt bin,
meine Probleme sofort zu lösen, wenn sie auftreten, und ich
plötzlich auf ein Problem stoße, das ich nicht ein,zwei,drei lösen
kann, dann entsteht Frustration. Meine Routine, mein Verhaltensmuster
wird durchbrochen.

Genau so funktionieren unsere Charakterzüge, sie manifestieren sich als Gewohnheiten. Wenn ich immer negativ und destruktiv auf einen bestimmten Impuls reagiere, wird diese Reaktion zu einer negativen Gewohnheit.

Negative durch
positive Gewohnheiten ersetzen

Wie können wir
negative Gewohnheiten hinter uns lassen? Können wir sie einfach auf
Knopfdruck ausschalten? Leider nicht, unsere einzige Chance ist es,
eine ganz neue positive Gewohnheit zu erlernen. Wir müssen die
negative Gewohnheit bewusst durch eine positive ersetzen. Wenn ich
z.B. schnell wütend werde und merke, dass dieses Gefühl in mir
hochsteigt, dann kann ich diese schlechten Gewohnheit nur stoppen,
wenn ich bewusst anders reagiere. Ich werde also nicht wütend und
bleibe entspannt und ruhig. Durch eine ständige Wiederholung dieser
für mich “gesunden” Reaktionsweise entsteht in meinem
Gehirn ein neues positives Verhaltensmuster.

Wie kann man ruhig bleiben, während man innerlich in die Luft geht? Indem wir uns auf die Suche machen nach einem Positivbeispiel in unserem Bekanntenkreis, nach jemandem, der immer bewundernswert ruhig auf alltägliche Herausforderungen reagiert. Nun versetzen wir uns in seine Lage und verhalten uns gleich. Je öfters wir dieses positive Verhalten nachahmen, desto leichter und automatischer wird es für uns werden, ruhig und besonnen zu reagieren. Mit der Zeit, durch die ständige Wiederholung, eignen wir uns ein neues Verhaltensmuster an.

Die
Ursache-Wirkungskette wird durch den freien Willen gebrochen

3. Die dritte Erklärung, warum wir die Pflicht zur Veränderung als Gesetz auffassen müssen, basiert auf der Grundregel von Ursache und Wirkung. Alles in der Natur folgt dieser Regel. Alles, was in der Welt seit dem ersten Moment der Schöpfung entstanden ist, war eine Folge von etwas, das es schon vorher gab. Es gibt nur eine Sache, die die natürliche Ursache-Wirkungskette unterbrechen kann, und das ist der Mensch. Der Mensch ist das einzige Wesen, das einen freien Willen hat. Er ist der Einzige, der etwas Neues erschaffen kann, das es vorher noch nicht gab. Wenn der Mensch nicht von seinem freien Willen Gebrauch machen würde, wäre er, wie alle anderen Dinge auf der Welt, Teil der natürlichen Ursache-Wirkungs-Kette….. und das würde bedeuten, dass er nunmehr nur das Ergebnis der Ereignisse um ihn herum verkörpert.

Verbindung zum
Übernatürlichen, verbunden mit G“tt

Die Tatsache, dass der
Mensch einen freien Willen hat, ist etwas Übernatürliches. Der
Mensch kann die Gesetze von Ursache und Wirkung außer Kraft setzen,
indem er “nein” sagt. Allerdings kann er diese Kraft nur
aufbringen, wenn er sich mit einer noch größeren geistigen Kraft
verbindet, die über dem menschlichen Geist steht, die über die
Logik hinausgeht. Nur diese geistige Kraft, gemeint ist der g“ttliche
Wille, den G“tt in uns eingepflanzt hat, ermöglicht echte
Veränderungen. Es mag uns äußerst unlogisch vorkommen, aber wir
müssen uns auf etwas Unlogisches verlassen, um unsere Realität zu
verändern. „Es gibt nichts Neues unter der Sonne”, sagte
König Salomo, “es gibt nichts Neues, denn alles, was geschieht,
ist bereits vorherbestimmt”. Aber vor der Sonne, vor der
Schöpfung und vor Zeit und Raum, da gab es doch schon etwas….