Die zwei steinernen Tafeln – Parascha Ki Tisa
Mosche zerschmetterte die ersten Steinernen Tafeln, als er das Jüdische Volk um das Goldene Kalb tanzen und es anbeten sah. Achtzig Tage später erhielt Mosche an Jom Kippur, am ersten Großen Versöhnungstag in der Jüdischen Geschichte, die zweiten Steinernen Tafeln. Obwohl die Tora besagt, dass die zweiten Steinernen Tafeln genau wie die ersten Steinernen Tafeln waren (34:1), besagt der Talmud (Awoda Sara 5a), dass es doch auch Unterschiede gab. Die Bnej Israejl befanden sich sofort nach Matan Tora, der Entgegennahme der Tora (als sie dem Sündenfall des Goldenen Kalbes noch nicht anheimgefallen waren) auf einer sehr hohen (spirituellen) Ebene.
Paradiesisches Niveau
Bei den ersten Steinernen Tafeln waren die Bnej Jisraejl auf das Niveau gestiegen, wo sie die Jejtzer Hara (der böse Trieb), sie nicht mehr belastete, der Todesengel keinen Zugriff mehr auf sie hatte, die Tora, also das Gelernte daraus, nicht vergessen wurde (dass wir leider heutzutage kaum mehr behalten können) und sie den Launen der anderen Völker nicht mehr ausgeliefert waren.
In Kürze gesagt: sie lebten wieder auf dem Niveau von Adam und Eva vor dem Sündenfall im Paradies. Für diese geistige Ebene waren die ersten Steinernen Tafeln gedacht gewesen.
Jede Generation benötigt ihren eigenen Zugang
Als Mosche die Bnej Jisraejl um das Goldene Kalb tanzen sah, verstand er, dass sie diese „Von Hohem Standard“ erfüllten Steinernen Tafeln nicht würdig waren und er zerschmetterte sie. Sie würden einen zweiten Set Steinerne Tafeln erhalten, der mehr zu ihrem gefallenen Status gehörte. Nicht dass die zweiten Steinernen Tafeln inhaltlich anders waren, als die ersten, aber die Art wieso und die Umstände waren anders. Hieraus entnehmen wir, dass jede Generation ihren eigenen Zugang benötigt. In jeder Generation bleibt die Tora die gleiche, aber der Zugang, die Annäherung des Volkes ändert sich. Dieses setzt bei den Jüdischen Leitungen und Verantwortlichen ein großes Einfühlungsvermögen, aber auch die richtige Betrachtung voraus.
Die Größe des Menschen
Wie motivieren wir unsere Generation zu mehr Zugeneigtheit zur Tora? Früher hatten Donnerpredigten mit der Androhung des Schreckens von dem, was uns blühen könnte, vielleicht einigen Einfluss, aber heutzutage
Verfolgen wir eine sanftere und positivere „Annäherung“, in der die Größe des Menschen und seine Fähigkeiten im Mittelpunkt stehen. Wir betonen immer wieder die „Gadlut haAdam“, die enormen Fähigkeiten und Möglichkeiten eines jeden Menschen, wenn er andere begeistern möchte oder/und würde. Er (Mosche) verstand, dass dieses die Annäherung für und zu seine(r) Generation war und nicht das Predigen von Hölle und Verdammtheit.
Die Tora weiter geben, Generationen übergreifend
Schmu’ejl Hanawi (der Prophet Samuel) beherbergte die Fähigkeiten von Mosche und Aharon in sich zusammen. Er wird jedoch von unseren Weisen in einem geflügelten Wort mit Jiftach, dem Richter, verglichen: „Jiftach war in seiner Generation wie Schlmu’ejl in seiner Generation“. Wie groß der Prophet Schmu’ejl auch war und wie klein Jiftach auch in seinem Schatten stand, nicht desto trotz werden sie mit einander verglichen, denn beiden gelang es, die Tora in ihrer Generation der nachfolgenden Generation weiter zu geben. Wie unterschiedlich Jiftach und Schmu’ejl auch waren, beide hatten, wie kein anderer, den Bezug zu ihrer jeweiligen Generation und sie fanden Wege, die Tora ihren Generationsgenossen zu vermitteln, sie mit ein zu bringen.
Wir haben die große Aufgabe, nein, die großartige Aufgabe, das Judentum jetzt und ohne wenn und aber unseren Kindern und Zeitgenossen weiter zu geben. Jede Generation hat ihre spezifischen Eigenarten und Vorstellungen. Aber die Aufgabe bleibt die Gleiche. Das ist die Bedeutung der Aussage in der Tora, dass die ersten Steinernen Tafeln genau so wie die zweiten Steinernen Tafeln waren. Nur die Umstände waren unterschiedlich.
HaSchem wohnt zwischen uns
Nach der Sünde des Goldenen Kalbes erklärt HaSchem (G“tt), dass „ER zwischen ihnen (den Bnej Jisraejl) Mitten ihrer Unreinheiten wohnt“ (Lev. 16:16). Die Tora wurde nun das Instrument, unsere Jejtzer Hara (unseren bösen Trieb) zu überwinden: „ICH, spricht HaSchem, habe die Jejtzer Hara erschaffen, aber auch die Tora gegeben, um diese zu zügeln“. Nun kann man versuchen, die Jejtzer Hara auf zwei Arten zu überwinden:
1. Indem man sie sofort mit dem Guten konfrontiert und sie unterdrückt. Die Repression ist oft der direkte Zusammenstoß mit unserer Jejtzer Hara (dem bösen Trieb) und ist nicht immer gerade effektiv. Viel besser ist
2. Die Nicht-Beachtung oder die Ausweichung, Paraschat Ki Tisa (Schmot/Exodus 30:11 – 34:35)
Das herausragende Instrument in diesem lebenslangen „struggle for life“ (dem wahren Leben meine ich hier) bleibt die Tora. Deshalb sollten wir uns hierin „einloggen“, die offenen Türen durch- und hinein schreiten, wenn wir etwas vom Judentum zusammen stellen möchten. Eine Gedankenanregung in unserem medialen Zeitalter.