EIN GUTER CHARAKTER GEHT DER THORA VORAUS – Parascha Noach

EIN GUTER CHARAKTER GEHT DER THORA VORAUS – Parascha Noach

Der Prophet Jesaja (54:9) nennt die Sintflut „die Wässer von Noah“ oder besser gesagt: Noah`s Flut, da er Noah persönlich für diese grosse Vernichtung und Zerstörung verantwortlich macht. Der berühmte italienische Erklärer Owadia Sforno (er lebte von tausendvierhundertfünfundsiebzig bis tausendfünfhundertundfünfzig) vermerkt, dass es Noahs Fehler war, dass er seine Zeitgenossen nicht auf ihre moralischen Verfehlungen hingewiesen hatte.

Judentum benötigt ein festes ethisches Fundament

„Derech erets kadma laTora“ –  schreibt Sforno. Gute Eigenschaften, anständiger Charakter und ehrliches Benehmen gehen der Thora voraus. Ohne diese Merkmale wird es nicht möglich sein, ein jüdisches Leben und ein Leben gemäss der Thora zu erreichen. Judentum und Thora benötigen ein festes ethisches Fundament. Sonst könnte das Wachstum unserer Persönlichkeit sich nicht entfalten, trotz aller guten Einflüsse, die wir aus der Thora und aus dem Judentum erfahren.

Wenn es uns nicht gelingt, „a Mentsch“ zu werden, werden uns unsere niedrigen Instinkte weiter beherrschen.

Alle Tabletts zu Boden gefallen

Maimonides (elfhundertachtunddreissig bis zwölfhundertundvier) führte mal mit einem Philosophen eine interessante Diskussion über die Frage, welcher beherrschende Einfluss das Verhalten eines Tieres lenkt, das heisst die Übung und die Erziehung, die das Tier erhält, oder aber sein Instinkt. Um die Richtigkeit seiner Aussage zu beweisen, dass die ständige Übung das Verhalten des Tieres prägt, dressierte der Philosoph seine Katzen, auf zwei Pfoten aufrecht zu stehen, mit Serviertabletts zu gehen und als Kellner zu fungieren.

Das gelang erstaunlicherweise und Maimonides wurde zu einem Bankett eingeladen, an dem er durch wohlerzogene Katzen, die als Kellner gekleidet waren, bedient werden sollte. Aber Maimonides konnte seine Überzeugung unter Beweis stellen (dass bei Tieren letztendlich der Instinkt die Oberhand behält), indem er während des Banketts einige Mäuse frei lies. Die Katzen stürzten sich auf die Mäuse und liessen dabei ihre Tabletts zu Boden fallen, die hierbei zersplitterten.

Möglichkeit zur Selbstbeherrschung

Auch wir Menschen haben niedrigere Verlangen und Instinkte. Der grosse Unterschied zwischen Mensch und Tier liegt jedoch in unserer Möglichkeit zur Selbstbeherrschung.

Wir können unsere Triebe vervollkommenen und steuern. Wenn wir es jedoch nicht lernen, unsere Leidenschaften zu zügeln und uns auf höhere Ziele aus zu richten, werden wir durch unsere animalen Instinkte beherrscht.

Wir können natürlich Theater vorspielen und unserer Umwelt etwas vorgaukeln, wie beeindruckend wir ethisch und moralisch uns gewandelt haben, aber im Kern ändert das in uns nichts. Sobald die Mäuse „losgelassen werden“, verfallen wir wieder in unsere althergebrachte Art, uns zu verhalten, die dem „Volk des Buches“ total unwürdig ist.

ein jüdischer Schüler: Charakteränderung

 Maimonides besagt, dass ein „Talmid Chacham“ (ein jüdischer Schüler, gleichzeitig Gelehrter) jemand ist, der gute Charaktereigenschaften erworben hat. Es handelt sich nicht so sehr um Kenntnisse, sondern vielmehr um Charakteränderung, im positiven Sinne zu verstehen.

Diese Aufgabe der Charakterveränderung wird durch die Thora nicht so eindeutig vorgeschrieben, da sie voraussetzt, dass sie bereits die Basis des Lebens nach den Vorschriften der Thora bildet. So sehen es zumindest einige Kabbalisten.

Unzucht und Diebstahl waren die Probleme während der Zeit der Sintflut. Es waren die Symptome einer zu kurz greifenden Charakterentwicklung. Noah arbeitete an der Bekämpfung dieser Symptome. Aber es gelang ihm nicht, seinen Zeitgenossen den sie beherrschenden Mangel an guten Eigenschaften aus der Welt zu schaffen.

G’tt imitieren

Noah vergass, dass der Mensch den erwünschten Charakter nur entwickeln kann, indem er G“ttes gute Eigenschaften übernimmt bezw. ihnen nachstrebt. Eine verpasste Gelegenheit.