Ein Prophet darf seine Prophetie nicht unterdrücken – Parascha Wajeschew

Ein Prophet darf seine Prophetie nicht unterdrücken – Parascha Wajeschew

“Jossejf hatte einen Traum, den erzählte er seinen Brüdern und diese hassten ihn noch mehr” (Gen. 37:5).

Die Brüder hassten Jossejf bereits deswegen, da er ihr “schlechtes Benehmen” Vater Ja’akov verraten hatte. Jossejf hatte hierbei lautere Absichten. Er hoffte, dass Ja’akov die kleinen Unwegsamkeiten der Brüder mit ihnen besprechen würde, so dass sie geistig werden wachsen können. Normalerweise sollte man das zuerst mit der betreffenden Person besprechen.

Anscheinend fühlte Jossejf sich hierzu nicht befugt, in Anbetracht seines jugendlichen Alters. Vielleicht ist das der Grund, weshalb die Thora sein Alter so explizit benennt.


Noch mehr Hass

Die Träume fügten den Hass hinzu. Weshalb? Zuerst glaubten die Brüder noch, dass Jossejf es in der Tat aufrichtig meinte, selber tatsächlich besser sei als sie  und in der Tat sich auf einer höheren geistigen Ebene befand, als sie – obwohl er jünger war. Es irritierte sie schon, dass sie in den Augen von Ja’akov nicht so gut davon kamen, aber es war noch irgendwie zu billigen, wenn Jossejf perfekter als sie war.


Ein Fantast mit einem Größenwahnsinn

Als er aber damit anfing, zu erzählen, was er geträumt hatte, waren sie der Ansicht, dass er nicht nur sich selbst, sondern auch sie zum Narren hielt: ein Fantast mit Größenwahnsinn! Sie hassten ihn jetzt erst recht, da Jossejf den Eindruck erweckte – ohne irgendwelchen Bezug zur Wirklichkeit – dass er sich oberhalb von denen angesiedelt empfand.

ein Wenig bespotten

Im Schulchan Aruch (Jüdischer Kodex, IV:228 Anfang) steht, dass jemand, der sich selbst zum Narren hält, im privaten Bereich ein Wenig bespottet werden darf. Wenn jemand von sich selbst meint, er sei ein grosser Tzaddik (Heiliger) – während dieses absoluter Unsinn ist – darf man ihn/sie dazu persönlich ansprechen, seine/ihre Angeberei anprangern und ein Bisschen belächeln. Obwohl das für den/die eingebildete(n) Narr/Närrin äußerst peinlich oder unangenehm sein kann, ist das jedoch notwendig – es sollte vorsichtig angegangen werden, ohne die Person verbal zu verletzen und ohne “unnötiges Gerede” oder “ungebührliches verbales Verhalten”.


Die Brüder heuchelten keine unaufrichtige Sympathie vor

Jemandem den Siegel vorhalten, kann manchmal sehr heilsam wirken, auch oder gerade bei der entsprechenden Person selbst. Man sollte hierbei nur unbedingt die Absicht haben, dem Mann oder der Frau, der oder die sich in seinem/ihren Hochmut verrannt hat, zu helfen, damit er/sie den (psycho-religiösen) richtigen Weg wieder findet.

Obwohl das für die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit der Brüder spricht, dass sie ihn nicht mehr ansprechen konnten – sie heuchelten keine Sympathie vor, ohne dieses auch so zu meinen – hätten sie – indem sie glaubten, dass er zu Unrecht hochmütig wäre – dieses mit ihm besprechen sollen.

Etwas zu fröhlich oder zu begeistert

Noch ein anderer Grund für den zusätzlichen Hass auf Jossejf war der Umstand, dass er – so der Meschech Chochma (neunzehntes Jahrhundert) – etwas zu euphorisch über den Traum seiner künftigen Herrschaft war. Er erweckte bei seinen Brüdern den Eindruck, dass er es ganz offensichtlich genoss, dass sie für eine so erhabene Position nicht ausgewählt wurden. Freude über die Rücksetzung eines Anderen ist schlecht. Wird einem Größe angeboten, sollte man G”tt für diese zusätzliche Möglichkeit, noch mehr Gutes tun zu können, danken. Wenn man jedoch nur über die Tatsache erfreut ist, dass Andere diese Position oder Gelegenheit nicht erhalten haben, wird dieses nicht gut geheißen.


Eine Offenbarung von Oben

Ein Prophet darf seine Prophetie nicht unterdrücken und für sich selbst behalten. Obwohl Jossejf wusste, dass er ein großes Risiko mit der Erzählung seiner Träume an seine Brüder einging, tat er das doch und auch noch Leschejm Schamajim (um G’tt zu gehorchen). Die Ehrlichkeit seiner Absichten geht auch aus der Tatsache hervor, dass er auch seinem Vater erzählte, dass dieser sich eines Tages vor ihm verbeugen würde.

gegen Ehrfurcht vor Vater

Obwohl dieses vollkommen gegen Kibbud Aw Wa’ejm – Ehrfurcht vor Vater und Mutter – verstößt, -fühlte sich Jossejf – als Prophet – doch genötigt, diese Botschaft aus dem Himmel in geschlossenem Kreis zu erzählen, und sei es nur schon deswegen, da man es von Oben anscheinend notwendig empfand, dieses schon jetzt – bevor es zur Wirklichkeit wurde – der Familie von Ja’akov mit zu teilen.

Ohne diesen zusätzlichen Hass wäre man in Ägypten nie zu recht gekommen, wäre der Bund zwischen den Stücken (Brit bejn Habetarim) nie zu Stande gekommen und wir hätten die Thora (vielleicht) nie erhalten.