Ein zweiter Brief zur Unterstützung in der Zeit von Corona

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Liebe Freunde,

mit Schmerz im Herzen und zunehmender Traurigkeit mussten wir entscheiden, unsere Synagoge mit sofortiger Wirkung zu schließen.

Dies ist der erste Schabbat in meinem Leben, an dem ich am Schabbat nicht in die Synagoge gehen kann. Es zerreißt mir das Herz und erinnert mich an sehr schlechte Zeiten.

Die jüngste Entwicklung der Coronasituation sowie die Meinung der medizinischen Experten, die sogar noch strengere Maßnahmen bevorzugen würden (eine Abriegelung, wie sie in anderen Ländern um uns herum bereits praktiziert wird), lassen es unverantwortlich sein, unsere Synagoge im Moment offen zu halten, selbst mit den zusätzlichen Maßnahmen, die bereits früher ergriffen worden waren. Auch von einer Fortsetzung von G’ttesdiensten in anderen öffentliche Räumen wird dringend abgeraten. Ich weiß, dass es für uns alle schwierig ist.  Ich weiß, dass die vorübergehende Anpassung an eine neue Realität, gepaart mit der Angst vor dem Bekannten und Unbekannten, sehr beunruhigend ist. 

Bevor ich Dienstagmorgen nach Schacharit (Morgengebet) die Synagoge verließ, sagte ich zu den versammelten Leuten, wie schwierig es mir ist, sich zu trennen; sich von unserer geliebten Synagoge zu trennen und sich voneinander zu trennen. Ich küsste den Parochet, was ich fast nie tue, und nachdem ich die Türen der Synagoge geschlossen hatte, verfing ich mich in dem Gedanken, dass ich vielleicht einige Tage lang nicht dieselbe Routine verfolgen könnte. Inzwischen scheint es, das diese schreckliche Situation länger andauern wird. Die Abwesenheit lässt das Herz in Liebe wachsen. 

Ich kann nicht umhin, Sie zu bitten, vorerst zu Hause zu beten, wenn möglich mit zusätzlicher Kavana (Aufmerksamkeit). So schwer es auch ist, nicht zur Tefila Betzibbur (Gebete in der Synagoge) zu gehen, möchte ich, dass wir erkennen, dass wir dies tun, um die dringendere Mitzvah von ‚Vechai Bahem‘ zu erfüllen und Leben zu retten. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie besonders unsere erste gemeinsame Tefila sein wird und wie sehr wir es hoffentlich schätzen werden, wenn die Tefila in unsere Synagoge wieder anfängt. 

Dieser kommende Schabbat ist sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance. Ohne die Struktur, die durch Minyanim, Jugendprogramme, Kiddusch und Schalosch-Seudot (dritte Mahlzeit) geschaffen wird, wird es an jedem von uns liegen, einen erbaulichen, inspirierenden und freudigen Schabbat für unsere Familien zu gestalten. Aber was für eine Gelegenheit kann es doch sein, sich voll und ganz auf die Familie zu konzentrieren, sich zu verwöhnen, zu lernen, Schabbat-Mahlzeiten zu essen, Zemirot (Schabbat-Lieder) zu singen, ungestörte Gespräche zu führen und Zeit miteinander zu verbringen! Nehmen wir uns die Zeit, um uns vorzubereiten und bewusst zu sein, wie wir diesen Schabbat verbringen werden.

Durch moderne Technologie freue ich mich auf die Möglichkeiten, die sich in den nächsten Tagen ergeben werden, um doch miteinander in Kontakt zu treten bzw. in Kontakt zu bleiben. Bleiben Sie dran.

Lassen Sie uns weiterhin für ein Refua schelema, eine gute Besserung für alle, die an diesem Virus erkrankt sind, beten und dafür sorgen, dass unsere Bemühungen mit göttlicher Rettung und Heilung einhergehen.

Ich möchte mit dem Herzenswunsch schließen, dass Haschem unseren Tefillot (Gebete) erhört, damit G‘tt sich Unserer erbarmt und uns kurzfristig von dieser schrecklichen Bedrohung erlöst.

Kol tuv, alles Gute, Schabbat Schalom,

Ihr Rabbinat/Oberrabbiner Evers und das ganze Team