Einführung in die Trauerregeln und Trauerpraktiken 1

Die sieben Trauerstadien und die sieben Stadien der Trennung von Körper und Geist

Einleitung

Lange Zeit wurden Trauersymptomen wenig Beachtung beigemessen 1. Die Trauer als Thema der Psychologie scheint erst in den 1960er Jahren entdeckt worden zu sein, zunächst als Thema von Forschung und Theoriebildung, dann als Bereich einer speziellen Therapieform, die insbesondere vom Amsterdamer Verhaltenstherapeuten Ramsay entwickelt wurde.

Nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika gibt es in unserer Zeit einen Wandel hinsichtlich des Umgangs der Menschen mit dem Tod. Vor einigen Jahren war der Tod noch tabu, er wurde verleugnet. Junge Menschen sind eher bereit, sich der Sterblichkeit zu stellen’ 2.

Das Judentum kennt ein besonders ausführliches Trauerritual. Ich war daher überrascht, dass ich in der inzwischen recht umfangreichen Literatur über Trauer nur wenige Verweise auf den Jüdischen Trauerprozess fand, der selbst in der nicht-Jüdischen Welt für seine Effektivität bekannt ist. Vielleicht ist es ein Überbleibsel der Abneigung, mit dem die Psychologie die Religion betrachtet.

Das Judentum konzentriert sich auf das Hier und Jetzt. Obwohl es klareBeschreibungen des Paradieses und der Welt der Engel gibt, ist es besonders un-Jüdisch, sich damit zu befassen. Das Judentum ist ein Gefüge sehr praktischer Regeln, die hier und jetzt angewendet werden müssen. Das orthodoxe Judentum ist eine Religion der Taten. Es ist unzureichend “wenn die Tora auf das Bücherbrett beschränkt bleibt und nur zu einer intellektuellen Übung wird” 3.

Die Erkenntnisquellendieser Rituale sind sehr umfangreich und für den Laien schwer zugänglich. Die Trauerbestimmungen basieren oft auf Versen der Tora und werden in den Texten des Talmud – die traditionelle Jüdische Interpretation der Bibel – ausgearbeitet. Der Talmud wird in Halacha und Aggada unterteilt. Halacha ist der Begriff für formales Recht, Aggada ist der Sinn hinter dem Gesetz, der erzählerische Teil des Talmud. Da der Talmud nur für Eingeweihte zugänglich ist und die Interpretation dieses riesigen Werkes in der Praxis zu häufig Anlass zu Meinungsverschiedenheiten bietet, wurden insbesondere im Mittelalter umfangreiche Kodifikationen (Gesetzbücher) veröffentlicht, die die gesamte Rechtsordnung nach Themen geordnet beschrieben.

Einer der wichtigsten Kodifikatoren war Rabbi Josef Karo (1488-1575), der den Schulchan Aruch den Jüdischen Kodex, zusammenstellte. Der Schulchan Aruch ist bis heute der maßgebliche Kodex für das orthodoxe Judentum geblieben. Das Ganze wird beschrieben mit dem Ausdruck von “Was müssen wir tun?’, da ‘Ethik, Werte und Prinzipien niemals abstrakt bleiben dürfen. Die Diskussion wird immer bis ins kleinste Detail ausgearbeitet’ 4.

Ich habe mit diesem Werk nach langem Zögern begonnen, aus den folgenden Gründen:

− Es ist eine besonders komplizierte Aufgabe, Religion in psychologische oder therapeutische Bezeichnungen zu übertragen. Oft fehlt es an eindeutigen Ausdrücken, um zu übersetzen, was in der Jüdischen Literatur gemeint ist. Auch haben viele halachisch Begriffe Nebenbedeutungen, die sich in einer anderen Sprache kaum optimal vermitteln lassen.

− Die Reduzierung religiöser Inhalte ist in der Tat ein unüberwindbares Problem. Psychologie ist nur ein Aspekt aller vorgeschriebenen Regeln und oft nicht einmal das Wichtigste.

− Dann gibt es noch ein anderes religiöses Problem, das besonders gravierend ist. Gesetze auf unorthodoxe Weise zu erklären, halte ich das für äußerst verwerflich. Meine Ideen und Assoziationen, die Sie weiter unten finden, fügen dem Judentum per se keine einfachen Erklärungswerte hinzu.

Dieses Werk richtet sich an diejenigen, die bei einem Verlust entweder persönlich oder beruflich mit den Jüdischen Ritualen und Verarbeitungsprozessen in Berührung kommen.