Emuna, blindes Vertrauen

Emuna, blindes Vertrauen

Emuna, blindes Vertrauen

(Sederabend 5779)

Jeder wird in seinem Leben mit Problemen konfrontiert. Das ist nichts Außergewöhnliches. Jedes Leben kennt seine Höhen und Tiefen. Wahrscheinlich gibt es niemanden auf dieser Welt, der sagen kann, dass sein Leben genau so ist, wie er es sich wünscht. Von Zeit zu Zeit haben wir mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Das erfordert Kraft und Energie. Probleme können Frustrationen in uns wecken, manchmal verursachen sie sogar Traurigkeit oder Depression. Wir können Probleme jedoch besser lösen, wenn wir davon überzeugt sind, dass alles, was uns passiert, von G’tt kommt. Dieser Glaube, dass alles einen göttlichen Ursprung hat, wird als “Emuna” bezeichnet. Alle Dinge, die uns im Leben passieren, einschließlich der schlechten, haben nur ein Ziel: dass wir wachsen und bessere Menschen werden. Jedes Problem auf unserem Lebensweg ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen, um als Person emotional zu wachsen und so G’tt näher zu kommen.

Emuna
bedeutet Vertrauen

Wir
übersetzen Emuna normalerweise als “Glaube”, aber das ist
keine gute Übersetzung. In ’emuna’ gibt es das hebräische Wort
’emun’, was ‘Vertrauen’ bedeutet. Wenn wir Emuna haben, verlassen wir
uns auf G’tt. Und wie können wir uns auf G’tt verlassen? Sicher,
G’tt hat uns aus Ägypten befreit. Aber warum sollte Er einen jeden
von uns persönlich erneut  aus einer unverständlichen,
hoffnungslosen Situation befreien? Wir sehen IHN nicht einmal!

Verlasse
dich auf deinen Freund

Vertrauen
in jemand anderen baut man nicht auf auf, wenn man sieht, dass er
etwas Gutes für einen tut. Wir vertrauen jemandem, wenn wir absolut
sicher sind, dass die andere Person es gut mit uns meint, auch wenn
wir keine Kontrolle über ihn haben. Zum Beispiel fragen wir einen
Freund, ob er auf unsere Brieftasche aufpassen kann. Obwohl wir ihn
und unsere Brieftasche nicht ständig im Auge behalten, wissen wir,
dass er sie nicht benutzen wird. Das geht so weit, dass wir selbst
wenn wir eine verdächtige Handlung sehen, immer noch davon ausgehen,
dass alles in Ordnung ist. Er ist unser Freund und wir wissen aus
Erfahrung, dass wir auf ihn zählen können.

Sich
wirklich auf G’tt verlassen

Als
G’tt unser Volk aus Ägypten befreite, hob er für einen Moment den
Vorhang auf, damit wir mit eigenen Augen seine Macht über die Natur
und Geschichte und seine bedingungslose Liebe zu uns anschauen
konnten. Dann fiel der Vorhang zu, alles wurde dunkel und G’tt
verbarg sich vor uns. Aber dieser eine Lichtmoment reichte aus, um
uns zu versichern, dass G’tt hinter den Kulissen alles kontrolliert,
auch ohne dass wir es merken. Das ist das Konzept der “Emuna”.
Wir vertrauen darauf, dass G’tt uns von Sorgen, Kummer oder Schmerzen
befreit, auch wenn wir nicht verstehen, was gerade mit uns geschieht.

Emuna
hilft, problematische Situationen besser zu bewältigen

Die
Befreiung aus Ägypten als historisches Ereignis war nicht nur die
Rettung eines ganzen Volkes, sondern auch die Rettung jedes einzelnen
Menschen. Alle wurden aus der Sklaverei befreit. Wenn ich also jetzt
in einer für mich unverständlichen, ungerechten oder sinnlosen
Situation feststecke, dann wird mir meine Emuna helfen, diese
Situation besser zu bewältigen. Schließlich hat mich G’tt schon
einmal befreit und wird es diesmal wieder tun. Und das nicht nur
jetzt, sondern auch in der Zukunft, immer und immer wieder. Davon bin
ich von ganzem Herzen überzeugt!

Unser
Leben hat einen Sinn

(Shavuot 5779)

Im Jahr 2449 (1312 BCE.) stand das jüdische Volk an Schavuot am Fuße des Berges Sinai. Wir hörten die Zehn Gebote, die wir die Grundlage der Tora nennen können. Aber gleichzeitig hat jeder von uns auch eine vielleicht noch wertvollere Botschaft von G’tt erhalten, nämlich dass unser Leben nicht zufällig ist, sondern dass G’tt etwas sehr Spezifisches für unser Leben vorgesehen hat. Wir haben Arbeit zu erledigen!

Eines
der wichtigsten Ziele unseres Lebens ist unser emotionales Wachstum,
um uns als Menschen zu verbessern. Das ist die Herausforderung in
jedem Moment unseres Lebens. Die Idee dahinter ist, dass wir in
unserem täglichen Leben immer bessere Menschen werden, dass wir
etwas gesünder und ausgeglichener sind, dass wir unsere Funktionen
und Rollen in unserer Familie und Gesellschaft besser erfüllen. Das
ist die große ständige Herausforderung.

Emotionales
Wachstum

Diese
Herausforderung sollte nicht verwechselt werden mit der oft gehörten
Ermutigung “Du musst ein guter Mensch sein”. Es ist mehr
als das. Es bedeutet, dass der Zweck jedes Moments, in dem wir leben,
die Erfahrung, die wir in diesem Moment erleben und die wir mit einer
bestimmten Person teilen, nur darin besteht, danach ein besserer
Mensch zu sein als zuvor.

Wie
funktioniert das? Wenn eine Person mit einem Problem konfrontiert
wird, hat sie nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie überwindet die
Herausforderung und wächst daran als Person oder sie überwindet sie
nicht und mach deshalb einen Schritt zurück in ihrer Entwicklung.

Beprüfung

Angenommen, jemand hat eine Charakterschwäche, z.B. er ist schnell irritiert. Es geschieht etwas, das diese Person stört und ihre Geduld und Toleranz auf die Probe stellt. An diesem Punkt hat der Mensch nur zwei Möglichkeiten: Entweder er reagiert negativ und destruktiv, d.h. in einer Weise, die ihn oder die Menschen um ihn herum verletzt und schadet. Das bedeutet, dass er sich in einem schlechteren Zustand befindet als noch vor fünf Minuten.

Die
andere Möglichkeit ist, dass er sich der Situation stellt, sich
selbst kontrolliert oder weiß, wie er konstruktiv mit seinen
Emotionen umgeht. Das führt dazu, dass diese Person dann etwas
besser ist als vor dem Ereignis.

Es
gibt immer eine Reaktion

So
oder so, das Pendel schlägt immer aus: entweder auf die positive
oder auf die negative Seite. Entweder wächst der Mensch an der
Situation oder nicht. Es ist nicht möglich, dass sich die Person
nicht verändert.

Das
bedeutet, dass jedes Mal, wenn eine Person mit einem Problem
konfrontiert wird und in ihr kommen widerstreitige Gefühle und
Wünsche hoch, dann hat diese Person die Möglichkeit, sich für eine
Verbesserung ihrer selbst oder für den Rückschritt der eigenen
Person zu entscheiden.

Wenn
wir also wissen, dass alles, was in unserem Leben passiert, unser
Wachstum zum Ziel hat, dann müssen wir immer mit diesem Ziel im
Hinterkopf über unser mögliches Handeln nachdenken und uns so für
persönliches Wachstum und gegen persönlichen Verfall entscheiden.

Es
geht um die Motivation

Wir
können nicht verhindern, dass schwierige Situationen in uns
Frustration auslösen und uns traurig machen. Aber machen uns
Schwierigkeiten automatisch unglücklich? Nein, überhaupt nicht!
Glücklich sein ist nicht mit einem problemlosen, angenehmen Leben
führen gleichzusetzen . Der Hauptgrund für unser Glück ist die
Motivation. Dies wird sehr deutlich, wenn wir uns das Gegenteil
vorstellen, nämlich eine depressive Person ohne jegliche Motivation.
Diese Person verliert das Interesse an ihrer Umgebung, hat keine
Wünsche mehr, keine Freude mehr. Das kann sogar so weit gehen, dass
sie so unglücklich, so erschöpft ist, dass sie den Lebenswillen
verliert.

Glück
ist Motivation und Energie

Daraus können wir schließen, dass im umgekehrten Fall ein Mensch dann glücklich ist, wenn er sich motiviert und energisch fühlt, wenn er etwas zu tun hat, wenn etwas von ihm erwartet wird, wenn er einen Sinn in seinem Leben hat und wenn sein Leben zählt.

Wenn wir also mit einem Problem konfrontiert werden, dann ist das Problem nicht so sehr das Problem, sondern vielmehr was die Situation mit uns macht. Das kann von Frustration über mangelndes Interesse für meine Umgebung bis Antriebslosigkeit und im schlimmsten Fall zu mangelnde Lebensmotivation führen.

Aber wenn ich meine Frustration kontrollieren und die Energie, die dahinter steckt, in eine positive Kraft verwandeln kann, die diese Situation als Chance für emotionales Wachstum begreift, dann hört das Problem auf zu existieren und wird als Herausforderung für persönliches Wachstum erfahren.

Ein
bewusster Mentalitätswechsel

Was
wir gerade vorgeschlagen haben, ist nicht weniger als ein bewusster
Wechsel in unserer Mentalität. Wenn wir wirklich emotional oder
spirituell wachsen wollen, müssen wir uns zuerst vom eigenen “Ich”
bewusst werden. Jeder muss verstehen, woher die eigenen Gefühle
kommen, ob sie nun natürlich oder angelernt sind.

Wenn
es um natürliche Gefühle geht, wie z.B. Gefühle von Neid oder
Hass, müssen wir lernen, wie wir mit ihnen umgehen können. Diese
Gefühle sollten wir mit Willenskraft kanalisieren und sublimieren
lernen, um uns so auf echte Werte konzentrieren zu können. Wir
müssen sicherstellen, dass diese Gefühle uns nicht kontrollieren
und in einen Wirbel von Emotionen mit sich ziehen.

Im
Falle von erlernten Gefühlen und festen Glaubenssätzen, ist jedoch
ein Umdenken notwendig, um diese Überzeugungen bewusst ans Licht zu
bringen. Dann können wir entscheiden, ob sie den eigenen Werten
entsprechen oder ob man sie doch lieber loslassen sollte. Wenn die
Überzeugungen für das Wachstum der Person kontraproduktiv sind,
müssen sie bewusst beiseite geschafft werden.

Wenn
sie jedoch mit unserem Ziel des persönlichen Wachstums
übereinstimmen, können wir die Kraft der Überzeugung nutzen, um
unserem Ziel näher zu kommen.

Probleme
als Herausforderung

Also
nochmals: Wenn man eine schwierige Situation, mit all der Frustration
und Traurigkeit, die damit einhergehen kann, akzeptiert und sie mit
Hilfe von einer positiven Denkweise als Herausforderung sieht, um den
eigenen Wachstumsprozess zu steuern, dann setzt man durch diese
Einstellung eine positive Energie in sich frei, die die Motivation
antreibt. Und Motivation ist der Schlüssel zum Glück. So gesehen,
kann ein Problem uns auch glücklicher machen!

Wann sind wir motiviert, um etwas Bestimmtes zu erreichen? Nur, wenn wir das Gefühl haben, dass uns dieses Etwas fehlt, dass wir es unbedingt brauchen. Auch hier ist nicht der Mangel das Problem, sondern die Frustration, die dieser Mangel möglicherweise in uns erzeugt. Die Frustration führt dazu, dass die Motivation abnimmt oder sogar völlig schwindet.

Aber
wenn etwas fehlt und wir sind nicht frustriert, sondern motiviert, um
das Fehlende zu erreichen, dann ist Motivation eine Energiequelle,
die wir nutzen müssen, um unser Lebensziel zu erreichen.