ERLÄUTERUNGEN ZU DEM GEBETBUCH3 BUCH II Anfang des Morgengebetes EINFÜHRUNG IN DAS SCHMA DER ERKLÄRUNG DER EI NHEIT DES ALLMÄCHTIGEN
ERLÄUTERUNGEN ZU DEM GEBETBUCH
BUCH II
Anfang des Morgengebetes
EINFÜHRUNG IN DAS SCHMA
DER ERKLÄRUNG DER EINHEIT DES ALLMÄCHTIGEN
EINFÜHRUNG IN DAS SCHMA
1. Ehrfurcht vor G’tt,
2. die Wahrheit erkennen, und
3. die Wahrheit sprechen.
Ehrfurcht vor G’tt
Jirat Schamajim, Ehrfurcht vor dem Himmel entsteht nicht aus dem Nichts. Es ist eine Frage der Erziehung und/oder des eigenen Einbringens. Man muss sich dieses schwer nachvollziehbare Konzept zu eigen machen. In vielen Gemeinden wird daher das Opfer von Jizchak gelesen mit dem Ziel, Awrahams Jirat Schamajim ersichtlichzu machen. Mit Ausnahme von Awraham und Jizchak wusste niemand von dieser zehnten Prüfung. Es geht vor allem um die Ehrfurcht vor G’tt in unserem Privatleben, denn nur außerhalb der Öffentlichkeit findet der eigentliche ‘Test’ statt, ob man wirklich religiös ist.
Jirat Schamajim
Was ist Jirat Schamajim? Einstmals segnete ein Rabbiner seine Schüler: “Möget Ihr G’tt so sehr fürchten, wie Ihr Eure Mitmenschen fürchtet“. Seine Schüler fragten: “Ist das alles, was Sie sich für uns wünschen?“ Darauf antwortete der Rabbiner: “Wenn das nur so wäre. Wenn man eine Sünde begeht, versucht man, sie vor anderen Menschen zu verbergen. Wenn Eure Ehrfurcht vor G’tt Eurer Ehrfurcht vor Euren Mitmenschen entspricht, wird niemand Sünde begehen, da vor G’tt verborgen nichts ist”.
Die Wahrheit erkennen
Niemand verändert gerne sein Leben. Wenn Lebensstil und Wahrheit aufeinander treffen, entsteht kognitive Dissonanz. Man beginnt dann nach Ausreden zu suchen, um sich in den Augen der anderen zu rechtfertigen oder um das eigene Gewissen zu beruhigen. Möge G’tt uns vor diesem Selbstbetrug bewahren.
Die Wahrheit sprechen
Im gesellschaftlichen Miteinander ist dies oft schwierig und manchmal sogar unmöglich. Dennoch verbietet das Judentum das “Geneivat Da’at”, das Erwecken falscher Eindrücke. Solche sind leicht zu erwecken, aber es geht nicht immer mit rechten Dingen zu.
Der Schulchan Aruch, der Jüdische Kodex, verbietet es, etwas anzubieten, auch wenn im Voraus bekannt ist, dass es nicht akzeptiert wird, weil es den falschen Eindruck von Gastfreundschaft oder Großzügigkeit vermittelt. Aufrichtige Menschen sagen die Wahrheit, auch wenn sie dadurch nicht einen kleinen Vorteil erlangen. In unserer Beziehung zu G’tt können wir nur ehrlich sein. Wir müssen diese Ehrlichkeit auch in unserer Beziehung zu unseren Mitmenschen zeigen können. Aber wir haben kein Recht, andere zu verletzen. Es gibt sogar eine Pflicht, dies nicht zu tun.
SCHMA
Anleitung: Wenn man zu spät dran ist, kann man das Schma mit der Kawana (Absicht) lesen, um die Pflicht für das Schma am Morgen zu erfüllen. Man liest dann hier alle drei Paraschot des Schma.
Wenn man zur rechten Zeit davent, hat man diese Kawana nicht, um seiner Verpflichtung für das Morgen-Schma nachzukommen, weil es besser ist, das Schma in der Tzibbur, Gemeinschaft mit den passenden Brachot zu sprechen.
Mit dem Schma drücken wir unser grundlegendstes Glaubensprinzip aus. Wir glauben an den Einen G’tt, das bedeutet der Monotheismus. Das bedeutet zwei spirituelle Bewegungen:
· Distanzierung vom Götzendienst,
· Die Einheit hinter dieser Welt.
Distanzierung vom Götzendienst. Damit distanzieren wir uns von dem Götzendienst; dieser wird wie folgt bezeichnet “Die Juden wussten, dass all diese Figuren nichts bedeuteten, aber sie missbrauchten den Götzendienst, um verbotene Beziehungen zuzulassen” (B.T. Sanhedrin 63b). Jemand, der die Wünsche seines Herzens rechtfertigen und sein Schuldgefühl mindern will, sucht nach einer einfachen Lösung. Er besitzt die Autorität über sich selbst, die es erlaubt, die Zügel so zu lockern, dass Alles gerade noch durchgehen kann. Und wenn diese Autorität genügend Ansehen hat, ist so ziemlich alles erlaubt. Was kann besser als “Gott” zu dienen, als eine Figur, aus ethischen Standards geschaffen, die wir selbst erfunden haben?
Der Unterschied zwischen der Tora und dem Götzendienst ist sehr grundlegend. Laut der Tora hat G’tt den Menschen erschaffen und ihm den Auftrag gegeben, sich so gut wie möglich zu verhalten. In der Welt des Götzendienstes erschafft der Mensch seine eigenen Götter und gibt vor, was er hören will.
Die Einheit hinter dieser Welt. Wir sind stolz darauf, dass wir die ersten waren, denen der Monotheismus offenbart wurde. Was ist das große Gut des Monotheismus und was lehrt er in unserer modernen Zeit? Gerade in unserer Zeit der Wissenschaft und Rationalität ist der Monotheismus unverzichtbar. Der Glaube an einen G’tt beruht darauf, dass alles von einem zentralen Punkt aus geschaffen wurde. Das erklärt, warum alles im Universum miteinander verbunden ist. Immer mehr Wissenschaftler entdecken, dass es einen enormen Zusammenhang zwischen allen Arten von natürlichen, psychologischen, soziologischen, physiologischen und anderen Gesetzen gibt.
Die Rechtmäßigkeit und der Zusammenhang aller Phänomene in dieser Welt kann nur durch ein Leitprinzip erklärt werden. Polytheismus setzt voraus, dass jedes Ereignis oder Phänomen einen eigenen Gott hat.
Wir gehen davon aus, dass alles von einem zentralen Prinzip aus geschaffen und gesteuert wird. Ohne Monotheismus ist die Wissenschaft – die ständige Entdeckung aller Arten von Verbindungen und Zusammenhängen in der natürlichen und geistigen Welt – undenkbar.
LIEBE. Viermal am Tag sagen wir das Schma in liebevoller Hingabe.
1. Im ersten Teil des Morgengebetes sagen wir nur die erste Passuk, den Vers des Schma.
2. Vor dem Stehen beim Schmone Esre am Morgen sagen wir eine spezielle Bracha (Danksagung), dass HaSchem seine Wahl für sein Volk Israel in Liebe getätigt hat, wonach wir die drei Abschnitte des Schma sagen.
3. Vor dem Schmone Esre am Abend sagen wir in der letzten Danksagung für das Schma, dass der Ewige sein Volkes Israel liebt, wonach wir die drei Abschnitte des Schma sagen.
4. Wir wiederholen das Schma zum vierten Mal, bevor wir schlafen gehen.
Und wie drückt sich diese Liebe aus? Wir sagen: “Höre, Jisrael, der Ewige ist unser G’tt, der Ewige ist EINZIG.
Und wie wird G’tt uns lieben? So sehr wir ihn auch lieben: ’Du sollst den Ewigen, deinen G’tt, lieben, mit deinem ganzen Herzen, deiner ganzen Seele und deiner ganzen Kraft’. Wenn wir uns HaSchem öffnen, wird HaSchem uns erfüllen. Alles, was wir brauchen, ist ein Herz und eine Neschama, Seele. Das ist es, was uns gegeben wurde. Das sind die Elemente, die uns menschlich machen. Es ist die Fähigkeit, HaSchem zu suchen und zu finden, die uns Orientierung gibt. Deshalb sagen wir zweimal täglich das Schma, um warm, präsent und aufmerksam zu bleiben.
FRÜH und VERBOT. Nach der Tora sagen wir das Schma zweimal täglich, einmal beim Aufstehen und einmal beim Einschlafen. Wir sagen es noch einmal früh am Morgen, weil das Schma für ein Viertel des Tages gesprochen werden muss. Durch einen frühen Einschub des Schma in den offiziellen Gebetstext wurde verhindert, dass das Schma direkt vor dem Schmone Esre zeitlich zu spät gesagt wird.
Letztlich wird das Schma viermal im offiziellen Gebetstext erwähnt, weil dieses monotheistische Bekenntnis im 5. Jahrhundert n.d.Z. in den Augen der persischen Machthaber, die an einen Gott für das Gute und einen Gott für das Böse glaubten, keine Gnade fand. Da sie mit aller Gewalt ein Verbot des Schma aussprachen, musste es zu anderen Zeiten ausgesprochen werden.
Das Schma des Abends wurde auf das Nachtgebet verschoben, kurz vor dem Schlafengehen. Vielleicht war dies auch ein letztes “Sicherheitsnetz”, um sicherzustellen, dass auch das Abend- Schma nicht ausgelassen wird.
ATA HU – DU WARST
Ata Hu führt die Grundidee des Schma näher aus.
Wir sprechen G’tt an. Aber G’tt ist gleichzeitig sehr nahe bei uns und unendlich fern von uns und ist über uns erhoben. Deshalb sprechen wir von Ata Hu: G’tt, der sehr nahe ist, aber auch Wie, Er, G’tt, dessen Essenz immer vor uns verborgen bleiben wird.
‘G’t istEinzig’, bedeutet:
• Es gibt nur einen G’tt;
• Die gesamte Realität ist vollständig von seiner G’ttlichkeit durchdrungen;
• Das ganze Universum existiert nur durch zehn Schöpfungs-Aussagen von G’ttes Gnade. Im Gegensatz zu den Schöpfungen eines Menschen erschafft G’tt aus dem Nichts:
• Die Erschaffung des Universums hat keine Veränderung in G’tt bewirkt. Die Existenz des Universums wurde abgeleitet und ist nicht eigenständig entstanden. Es existiert nur als Seufzer eines ausgesprochenen Wortes, das keinen Einfluss auf die Menschheit hat. So ist G’tt auch nicht von seiner Schöpfung gerührt.
Kiddusch HaSchem – Die Heiligung des Namens G’ttes
Wir danken HaSchem, der „Du Deinen Namen in der Öffentlichkeit heiligst”.
Der Begriff Kiddusch HaSchem umfasst viele Bedeutungsebenen. Kiddusch HaSchem ist der hebräische Begriff für Märtyrertum. Das Gegenteil der Heiligung von G’ttes Namen ist Chilul HaSchem – Entweihung von G’ttes Namen. In Wajikra/Lev. 22:31-32 steht: „Und beobachtet meine Gebote und tut sie. ich bin HaSchem. Und entweiht nicht meinen heiligen Namen, auf dass ich geheiligt werde unter den Kindern Jisrael. Ich bin HaSchem, der euch heiligt.“
Von Oben?
Das Tora-Verständnis der “Heiligung des Namens G’ttes” kann auf unterschiedliche Weise verstanden werden. Dies hängt mit der Jüdischen Sicht auf die Beziehung zwischen G’tt und Mensch zusammen. Wenn G’tt als wichtigster Initiator betrachtet wird, bleibt das Volk Israel passiv. Die Prophezeiungen von Jechezkel (Hesekiel, Kap. 20, 36 und 39) sprechen von der Heiligung des Namens G’ttes als einem Akt von G’tt Selbst gegenüber Seinem Volk vor den Augen der Weltbevölkerung.
G’ttes Name wird geheiligt, wenn Israel auf wundersame Weise gerettet wird und die Völker durch die Erfüllung der G’ttlichen Verheißung zu einem tieferen G’ttesbewußtsein kommen. Wenn die Menschheit leidet, wird der Name G’ttes entheiligt, weil die Leute fragen werden, wo G’ttes “Treue” geblieben ist.
Awrahams Verteidigung
Als Awraham ein Plädoyer für das verdorbene Sodom hielt, sprach unser erster Erzvater G’tt auf das Verständnis des Chilul HaSchem an – Entweihung. Awrahams Verteidigung ist in Bereschit (Genesis) 18, Vers 23 und folgende festgehalten: „Und Awraham trat hin und sprach: Willst du gar vernichten den Gerechten mit dem Frevler? Vielleicht gibt es fünfzig Gerechte in der Stadt, willst du auch dann vernichten und nicht vergeben dem Ort um der fünfzig Gerechten willen, die darin sind? Fern sei von dir, solches zu tun, zu töten den Gerechten mit dem Frevler, das der Gerechte sei wie der Frevler. Fern sei es von dir. Der Richter der ganzen Erde sollte nicht üben Gerechtigkeit?“
Der Mensch steht im Zentrum
Das andere Paradigma ist anthropozentrisch und gibt dem Menschen die Verantwortung für die Ehrung von G’tt. Mosche und Aaron scheiterten an Kiddusch HaSchem – Heiligung des Namens G’ttes – als sie den Felsen schlugen (Bamidbar 20:12), anstatt zu ihm zu sprechen. Raschi (1040-1105, einer der größten mittelalterlichen Kommentatoren) führt den entweihenden Charakter dieser Übertretung exakt aus: “Denn wenn ihr, Mosche und Aaron, mit dem Felsen gesprochen hättet, und dieser dann Wasser hervorgebracht hätte, dann wäre Ich vor der ganzen Gemeinde geheiligt worden. Man hätte dann gesagt: “Wie handelt der Fels, der nicht spricht und hört und der nicht versorgt werden muss? Der Fels führt G’ttes Befehl direkt aus – umso mehr als wir Menschen dazu verpflichtet sind. Das wäre Kiddusch HaSchem gewesen. Dieses Unterlassen führte dazu, dass Moshe und Aaron das Heilige Land nicht betreten durften.“
Chilul HaSchem gilt als Entweihung, unabhängig von der Art der Öffentlichkeit. Eine schlechte PR für oder durch Religiöse bedeutet Entweihung, sei es in den Augen der Heiden oder in den Augen der Gläubigen. Man spricht bereits von einer Entweihung des Namen G’ttes, wenn man nicht richtig die Gesetze der Tora achtet. Der Prophet Jeremia beschuldigt sein Volk, G’ttes Namen zu entweihen, weil es die Gesetze der Befreiung der Sklaven nicht richtig beachtet hat (34:16). Der Prophet Amos sieht Unterdrückung der Armen und Unmoral als eine Entweihung des Namens G’ttes an (2:7).
Im Talmud wird das Verständnis von Kiddusch HaSchem und Chilul HaSchem eher auf die persönliche, ethische Ebene übertragen. Hier geht es um die Initiative der Menschen, auch im privaten Bereich. Als Joseph sich nicht von Suleika, der Frau des Potiphar, verführen ließ, wurde dadurch G’ttes Namen geheiligt, nach dem Talmud (B.T. Sota 36b).
Ausdrucksformen
Es gibt verschiedene Formen, wie Kiddusch HaSchem zum Ausdruck gebracht werden kann:
1. Märtyrertum,
2. vorbildliches ethisches Verhalten und
3. Gebet.
Die Bereitschaft, G’ttes Namen zu heiligen, kommt am dramatischsten zum Ausdruck, wenn man als Märtyrer des Glaubens stirbt. Wenn man bereit ist, für die wichtigste Überzeugung zu sterben, spricht man von Kiddusch HaSchem. Wenn man jedoch nicht bereit ist, sein Leben aufzugeben, um die drei Hauptsünden des Judentums nicht zu verletzen, handelt es sich um Chilul HaSchem. Dies wird in verschiedenen Talmud-Traktaten behandelt, wie Awoda Zara 27b und Sanhedrin 74a und b.
Zu den Versen: „Und entweiht nicht meinen heiligen Namen, auf dass ich geheiligt werde unter den Kindern Jisrael. Ich bin HaSchem, der euch heiligt; Der euch herausgeführt aus dem Land Mizrajim, euch ein G’tt zu sein, ich HaSchem“ (Wajikra/Lev. 22:32-33), lernten die Rabbiner: “Unter der folgenden Bedingung habe ich dich aus dem Land Ägypten herausgeführt: dass du dich Mir unterwerfen sollst, um meinen Namen zu heiligen. Ich bin dein G’tt, auch wenn dies erzwungen werden muss, ich bin dein G’tt, der dir eine Belohnung gibt” (Sifra, Emor, Kapitel 9).
Niemals aggressiv
Jemand, der für die Heiligung von G’ttes Namen stirbt, wird im Hebräischen als Märtyrer des Glaubens bezeichnet, kadosch – heilig. Obwohl das Märtyrertum im Judentum nicht verherrlicht wird, kennt jeder Geschichten von großer Opferungsbereitschaft für den Glauben, wie die Geschichte von Channa und ihren sieben Söhnen und die Episode von Rabbi Akiwa und den zehn Märtyrern, die an Jom Kippur und Tische beAw als Teil der Liturgie verlesen wird.
Der Opferungsbereitschaft unserer Erzväter, des Propheten Daniel, von Chanania, Mischael und Azaria wird regelmäßig gedacht. Das waren Menschen, die bereit waren, ihr Leben für Kiddusch HaSchem zu geben. Im zweiten Jahrhundert n.d.Z. wurden die Vorschriften für das Märtyrertums bei der berühmten Rabbiner-Versammlung in Lud niedergeschrieben. Kiddusch HaSchem wurde verpflichtend für die drei Hauptsünden Götzendienst, Unzucht und Mord (B.T. Sanhedrin 74a).
Kein aktive Märtyrertum
Auffallend ist, dass keine der traditionellen Quellen das aktive Märtyrertum erwähnt. Es geht immer nur darum, ob man sich um des Glaubens willen töten lassen darf oder muss. Wer mordet, wenn er eine Glaubenstat ausführt, muss wiederum durch eine Glaubenstat getötet werden, so paradox das auch klingen mag!