Grenzen zwischen mein und dein – Parascha Mischpatim

Grenzen zwischen mein und dein – Parascha Mischpatim

GRENZEN ZWISCHEN MEIN UND DEIN

  • „We’ele hamischpatim“ – und dieses sind die Vorschriften. Raschi erklärt, dass we’ele mit dem verbindenden Waw klar stellt, dass hier auf der Zehn Gebote der Matan Tora auf Sinai weiter gestrickt wird. Das letzte Verbot lautete: „Du sollst nicht begehren“. Rabbi Owadja Sforno besagt, dass ein großer Teil des Zivilrechts auf dem Unterschied zwischen Mein und Dein basiert. Hätte die Tora die Trennlinien nicht deutlich abgesteckt, dann hätten wir nie dem „Du sollst nicht begehren“ entsprechen können, da dann niemand gewusst hätte, wo sich die Grenzen befänden.

Jeder wird betrachtet, das Gesetz zu kennen

  • We’ele hamischpatim ascher tasim lifnehem“- Und diese sind die Vorschriften, die Du denen vorlegen sollst. Die Tora kennt Bestimmungen, die nicht für jeden gelten, wie die Opferungsgesetze, die nur für die Kohanim gelten. Das Zivile Recht gilt jedoch für jeden und jede. Deshalb steht da „die Du ihnen vorlegen sollst“. Jeder wird betrachtet, das Gesetz zu kennen.

Schochejt oder Geschäfte machen

  • Ein junger, doch großer Talmudgelehrter kam einst zu Rabbi Jisra’ejl Salanter und erzählte ihm, dass er kein Schochejt (ritueller Schlachter) mehr sein wollte, da er die Verantwortung für die Kaschrut nicht mehr ertragen konnte. Er befürchtete, Fehler bei der Schechita (Schlachtung) zu machen und konnte deswegen nicht schlafen. „Was willst Du denn dann für Deine Parnosse (Lebensunterhalt) unternehmen?“ „Ich glaube, ich werde lieber Geschäfte machen“ sagte der verzweifelte Schochejt.

„Du flüchtest vor der Verantwortung der Schechita, bei der im Grunde genommen nur ein einziges Torah-Verbot besteht und suchst Dein Heil in Geschäfte machen, wo bei unehrlichem Umgang zahllose Verbote übertreten werden: Diebstahl, verschwinden lassen, Über das Ohr hauen, Zinsbetrug, verspätete Zahlung, Lügen, Betrug usw. usw.!“

Das Recht und Tzedaka sind G“tt lieber

  • Am Ende der vorigen Sidra stehen verschiedene Vorschriften für den Misbe’ach (den Altar). Nun hätte man annehmen können, dass Opfer(ungen) in der Religion das wichtigste wären. Deshalb folgen jetzt die Mischpatim – da die sozialen Vorschriften vor den Opferungen kommen. „Das Recht und Tzedaka sind G“tt lieber, als ein Opfer“ (Spr. 21:3).

Keine Knechtschaft: die Juden sollen MIR – G“tt – Diener sein

  • Weshalb beginnt die Tora mit der Sklaverei? Der Ibn Esra erklärt: „Da es nichts Schwierigeres gibt, als einem anderen Menschen unterworfen zu sein“.
  • „Und sein Meister oder Herr wird sein Ohr mit einem Priem (einem spitzen Metallgegenstand) durchbohren“ (Ex. 21:6). Wenn ein Sklave länger als sechs Jahre seinem Meister dienen möchte, wird sein Ohrläppchen mit einem Priem an den Türpfosten durchbohrt. Der Talmud Kidduschin 22b erzählt, weshalb das so ist: das Ohr, dass auf dem Berg Sinai gehört hatte, dass die Juden MIR – G“tt – Sklaven sein würden, erfordert eine Korrektur, da dieser Mann sich selbst trotzdem an seinen Mitmenschen verkauft.

zu viel „Menschen-abhängig

  • Aber weshalb wird hier nur das Ohr „aufgegriffen“? Das Ohr war doch nur die Strecke, über die der Wunsch G“ttes verlief! Die Hirne waren nicht richtig! Er war zu viel „Menschen-abhängig“. Weshalb wird dann das Ohr bestraft?

Die Botschaft blieb in seinem Ohr hängen

  • Verschiedene Rabbiner behaupten, dass es tatsächlich der Fehler des Ohres war. Der Mensch hat wohl gehört, aber dabei ist es auch geblieben.
  • Die Botschaft blieb in seinem Ohr hängen. Er hörte nicht zu, es ging „in das eine Ohr hinein und aus dem anderen hinaus“. Das geschieht leider nur zu oft. Viele Menschen kennen die Lösung ihrer Probleme, sind aber nicht im Stande, dieses auch in der Praxis um zu setzen. Oft leiden wir an einem Zustand des Zuschauens. Wir betrachten unser Leben, ohne dass wir eingreifen oder etwas verändern können.
  • „Wenn jemand seinem Nächsten Silber oder Gegenstände gibt, diese auf zu bewahren“ (22.6). Der Talmud (B. Kamma 62b) besagt, dass eine Schadensersatzpflicht nur besteht, wenn das Eigentum anderer Menschen bei mir gestohlen werden oder verloren gehen.

Hekdejsch gestohlen? Nicht vergüten

  • Wenn Gegenstände oder/und Sachen von Hekdejsch (Eigentum des Bejt Hamikdasch, des Tempels) gestohlen werden, brauch ich das dem Tempel jedoch nicht zu vergüten. Aber weshalb sollte Hekdejsch weniger schwerwiegender behandelt werden als Privatbesitz?
  • Rabbi Chajim ibn Attar verweist auf eine Vorschrift beim Scho’ejl, dem Leihenden. Im Prinzip hat der Leihende, also derjenige, der sich etwas aus leiht, allen Schaden zu vergüten, auch wenn er nichts für den Verlust oder für den Diebstahl kann.
  • Hierzu gibt es jedoch eine Ausnahme: wenn der Eigentümer des Gegenstandes im Auftrage des Leihenden für ihn tätig ist, gilt dieses nicht (22:14). Rabbi Chajim setzt fort: „Im Prinzip kann man sagen, dass bei der Beziehung Mensch – G“tt Hakadosch Baruch Hu, der Eigentümer des Hekdesch, immer mit und für uns tätig ist. Nichts erfolgt, ohne dass ER das will. Deshalb ist der Mensch von Schadenersatzleistung frei gestellt, wenn Hekdejsch gestohlen wird oder verloren geht.

Mit Schweigen erreichen wir oft mehr

  • „Von wegen jedes Wort von Sünde“ (22:8). In den Sprüchen (10:19 sagt König Schlomo: „Bei vielen Wörtern kann Sünde nicht außen vor bleiben, der, der seine Lippen zurück hält, ist vernünftig“. In den Sprüchen 6:7: „ Alle Mühe des Menschen betrifft seinen Mund“ erklären unsere Chachamim, die alle unsere Taten kaum gegen allem entgegen setzen können, was wir mit dem Mund sündigen. „Was ist die Beste Tat für den Menschen? Sich stumm zu verhalten (Sich als Stumm zu geben)“ (B.T. Chulin 89a). Mit Schweigen erreichen wir oft mehr, als mit Sprechen.