JEDES JAHR ENSTEHT EINE NEUE WELT: ERHALTEN WIR IN IHR WIEDER UNSEREN PLATZ?

JEDES JAHR ENSTEHT EINE NEUE WELT: ERHALTEN WIR IN IHR WIEDER UNSEREN PLATZ?

Unetane Tokev – Lasset uns die Kraft dieser heiligen Hohen Feiertage erkennen 

Während der Hohen Feiertage erhalten wir viele gegensätzliche Signale.

       *Um was handelt es sich? Um das Jüdische Volk oder um den Allermächtigen?

Feiertage?

       *Rosch Haschana und Jom Kippur werden als Tage des Urteils und der Verzeihung bezeichnet. Was ist daran heilig? Jeder dawwent (betet) für seinen eigenen Bereich und für das Glück seiner Familie!

       *Und wenn wir beurteilt werden, wie können wir dann lustig sein?

       *Ist G“tt während dieser Hohen Feiertage in Nähe oder gerade weit weg, in Seinen Höhen?

       *Was meinen unsere Weisen damit, dass „an Rosch Haschana drei Bücher geöffnet sind“? Handelt es sich um die Vergangenheit, die Gegenwart oder um die Zukunft?

„Unetane Tokef keduschat hajom ki hu nora we’ajom“ – die Kraft dieser heiligen Tage ist enorm. Diese heiligen Tage sind Rosch Haschana (Jüdisches Neujahr) und Jom Kippur (der Große Versöhnungstag).

Erneuerung

In der Luft nachtanken

Wir sehen das nicht, aber es ist wie ein Flugzeug, das in der Luft nachgetankt wird. Es scheint, dass wir, wie gewohnt, weiter machen, aber die Welt erhält jedes Jahr einen neuen Impuls.

Alles umfassend

Dieses umfasst tatsächlich alle Geschöpfe: die Engel, die Menschen, die Fauna, die Flora und auch die Mineralien. Werden wir nächstes Jahr auch in den G“ttlichen Schöpfungsplan mit aufgenommen, wie er in der Tora enthalten ist? Alles Erschaffene hat in dieser Welt eine Aufgabe und eine Bestimmung. Passen wir in das Gesamtbild, das G“tt vor Augen hat? Wir haben uns nicht selbst erschaffen – also leben wir auch nicht für uns selbst. Wir leben für ein höheres Ziel.

Es geht um das Ganze

G“tt hat diese Welt zu Seiner eigenen Kawod (Ehre) erschaffen, Lichwodi beratiev. Tatsächlich, es geht nicht um uns. Wie sehr wir auch davon überzeugt sind, dass wir das Zentrum der Welt bilden, hat HaSchem (G“tt) uns unsere Aufgabe mit Liebe in Seiner überwältigenden Welt zu geteilt, nicht wie ein gefühlsloser König, der seine Soldaten aufs Schlachtfeld beordert.

Aufgabe in dieser Welt

Aber wir sollten das gesamte höhere Ziel nicht aus den Augen verlieren. Wir sind auf der Welt lekadejsch schejm Schamajim, um den Himmlischen Namen zu heiligen.

Wie ein liebevoller Vater, erteilt G“tt jedem seine Aufgabe und hofft, dass wir das Beste daraus machen. Wenn wir uns mit vollständiger Hingabe entscheiden, unsere Aufgabe(n) in der Welt als Juden zu erfüllen, Tschuwa machen, zur Einkehr über unsere beschränkte, kleingeistige Gelüste gelangen, die oft gegen das Allgemeinbild eindreschen, dann können und dürfen wir tatsächlich einem guten Jahr entgegen sehen.

Der Gesamtplan

Es gibt noch eine Einzelheit: da die Welt für die Tora und wegen Klal Jisraejl, des Jüdischen Volkes, erschaffen wurde, findet am Tag der Erneuerung der Bri’a (Schöpfung) jedes Mal wieder eine Erneuerung des Bundes zwischen G“tt und Klal Jisraejl statt.

Jedes Jahr ein neuer Bund

Dieses steht auch im Eröffnungssatz (Passuk) der Parascha (des wöchentlichen Tora-Abschnittes) angedeutet, den wir immer kurz vor Rosch-Haschana lesen: „atem nitzawim hajom kulchem lifnej HaSchem Elokejchem leowrecha biwrit HaSchem Elokim“ – heute steht Ihr allesamt vor G“tt, um Euch zum Bund mit G“tt  begeben zu können“ (Dewarim/Deut. 29:9).

Das Sohar (die Lehre der Mystik) besagt, dass sich das auf Rosch Haschana bezieht, auf den Tag, an dem der Bund erneuert wird. Das ist der neue Plan für das kommende Jahr.

Dieses ist die Essenz des neuen Jüdischen Jahres: dass wir die Malchut HaSchem, das Königreich G“ttes, Seine Herrschaft über alles, erneut über uns in jeder Einzelheit in unserem Leben bestätigen. Ein neuer Bund wird geschlossen.

Deshalb ist Rosch Haschana auch ein Festtag, wir tragen weiße Kleidung und wir sprechen „Schehechijanu“ (G“tt dafür danken, dass wieder etwas Neues angefangen hat), da es tatsächlich wieder ein Neubeginn ist, ein neuer Impuls für das kommende Jahr. Deshalb sprach Nechemia auch zum Volk, dass es nicht trauern sollte.

Das Volk glaubte, dass Rosch Haschana ein Tag sei, an dem man Reue über das Vergangene zeigen müsste, ein Trauertag für alles, was schief gegangen sei. Das ist tatsächlich auch so, aber es handelt sich vor allem um die Zukunft, um den Neuanfang. Deshalb sprach Nechemja: „geht und tut Euch Gutes, denn heute wurde ein neuer Bund geschlossen“.

Nie aufgeben, immer wieder aufs Neue anfangen

Was bedeutet die Aussage der Chachamim, dass an Rosch Haschana drei Bücher aufgeschlagen liegen und dass die vollständigen Tzadikim (die Gerechten) sofort zum Leben eingeschrieben werden?

Das ist kein passives Geschehen, dem wir gelassen zuschauen! Es ist gerade eine aktive Gelegenheit, einen Neuanfang zu machen. Wenn man sich zum Neuen Jahr vor nimmt, innerhalb der Tzadikim mit gezählt zu werden (gute Menschen, Gerechte), wird man sofort „zum Leben“ vorgemerkt.

Ein großer Sprung nach vorne

Deshalb ist Jom Kippur auch der Tag der Versöhnung, aber auch der Tag des Verzeihens.

Wird uns so ohne weiteres verziehen, ohne Gegenleistung? Ohne, dass wir in uns gehen, ohne ernsthaftes Bedauern über unsere schlechte Vergangenheit? Rosch Haschana ist nicht dazu gedacht, uns eine Strafe auf zu erlegen. Aber die Frage ist, ob wir in den Augen von HaSchem (G“tt) der Mühe wert sind, im kommenden Jahr wieder an Seiner Neuen Welt beteiligt zu werden. Um den großen Sprung vorwärts ins kommende Jahr mit machen zu dürfen, verzeiht G“tt dem Jüdischen Volk und Er schlägt in unserem Leben ein neues Blatt auf.

Vergebung bringt Jeden wieder näher

 „Aschrechem Jisraejl mi metahejr etchem Awichem Schebaschamajim“ – „Glücklich bist Du, oh Israel, wer reinigt Euch von Eueren Sünden? Euer Vater im Himmel“! Dieses ist die größte Nähe. Rosch Haschana und Jom Kippur sind Tage, an denen wir an das Höhere, an das Bessere, an das Gute in uns selbst und in der Welt geheftet werden. Das sollten wir uns trauen… Das war auch der G“ttliche Plan.

Der Abbruch des Eigenwahns

Anlässlich der Hohen Feiertage waschen wir uns in einem Mikve (Ritualbad). Rabbi Schimschon Raphael Hirsch (19. Jahrhundert, Frankfurt/M.) verweist darauf, dass das Hebräische Wort RaCHaTS für Waschen, phonetisch in Zusammenhang mit Ra’aTS steht, was Abbruch oder Umstoßen bedeutet. Die Beseitigung des Eigenwahns von uns selbst und der Abbruch des eigenen Ichs bilden die Essenz der wesentlichen geistigen Säuberung und Reinigung, unentbehrlich für eine bleibende Einheit, zwischen Mensch und G“tt und zwischen Mensch und dem Mitmenschen.

Dieses ist die tatsächliche, die wirkliche Botschaft des Schofarblasens. Am Geburtstag der Welt, am meisten universellen Tag des Jüdischen Kalenders, erklären wir mit Wörtern und Symbolik, dass sich die Einheit innerhalb unserer Reichweite befindet, indem wir für den Gedanken des Schofars offen sind und dass wir gerade in diesem Jahr nach den Frieden hoffnungsvoll lechzen, nicht nur innerhalb unseres Bereiches, sondern auch für Israel in seiner Beziehung zu seinen Nachbarländern.

Ich wünsche Ihnen ein Schana Towa, ein Schnat Schalom, ein Schana des geistigen Wachstums in unsere Thora Hakedoscha – zwischenmenschliche Achdut (Einheit), aber auch mit HaSchem (G“tt). Nun dann können wir unserer Bestimmung, unserem Ziel, entsprechen: wenn wir es verstehen, unsere kleingeistigen Meinungsunterschiede bei zu legen, zur vermehrten Gloria des großen Ganzen!