„Kleider machen Leute“

„Kleider machen Leute“

„Kleider machen Leute“ ist nicht nur eine Novelle von Gottfried Keller, sondern auch ein bekannter Spruch.
Es ist offensichtlich, dass Kleidung uns beeinflusst. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass einem, im Anzug gekleideten, Menschen eher vertraut wird und eine Uniform Gehorsam fordert. Jedoch beschränkt sich dieser Einfluss nicht nur auf den Betrachter, sondern auch auf den Träger der Kleidung:

„Rabbi Yochanan nannte seine Kleider: Meine Ehre“ (Talmud Schabbat 113b)

Rabbi Yochanan lehrt uns, dass es von der Kleidung, welche wir tragen, abhängt, ob wir uns selbst respektieren werden oder nicht. Wenn wir dreckige und zerrissene Kleidung tragen, dann liegt es nahe, dass man sich entsprechend benehmen wird und im Gegensatz dazu wird ein vornehm und anständig gekleideter Mensch dazu neigen, sich anständig zu benehmen.

In Israel gibt es ein bekanntes Geheimnis, dass (Egged) Busfahrer aus diesem Grund verpflichtet sind, Hemd und Krawatte zu tragen. Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, wer weiß, wie der Straßenverkehr aussehen würde…

Diese Idee lernen wir auch aus unserem Wochenabschnitt Tezave:
Nachdem im Wochenabschnitt Teruma Haschem Mosche den Bau des Mischkans und dessen Utensilien befohlen hatte, geht es in unserem Wochenabschnitt mit der Kleidung weiter.
Für Aharon und die Kohanim (Kohaniter – Söhne Aharons) sollen prächtige Kleidungsstücke aus Gold, Seide und Purpur angefertigt werden.
Der Sefer HaChinuch erklärt, wozu diese besondere Kleidung nötig war:

Bekanntlich beeinflussen äußere Handlungen das Bewusstsein des Menschen und zahlreiche Mitzwot in der Tora folgen diesem Prinzip.
Es ist schwer, sich und seine Weltanschauung einfach so zu verändern und darum geht es hauptsächlich im Judentum – sich von einem physischen und materialistischen Geschöpf in einen edlem und geistig erhobenen Menschen zu transformieren. Um uns diese Aufgabe zu erleichtern, hat uns G‘tt gewisse physische Handlungen befohlen bzw. verboten, welche uns helfen, sich auch innerlich zu verändern.

In diesem Fall sind es die Kohanim, welche sich dem Dienst G‘ttes widmen und generell eine erhobene Lebensweise führen sollen. Diese neue Position bringt auch Verantwortung mit sich, weil sie die spirituelle Elite des jüdischen Volkes sind und sich entsprechend zu benehmen haben. Um sie daran zu erinnern, ließ G‘tt für sie diese spezielle Kleidung anfertigen, welche von ihnen automatisch ein edleres Verhalten fordern und von Chilul Haschem (Entweihung des G‘ttlichen Namens) bewahren wird.
Jedoch beschränkt sich dieses Gebot nicht nur auf die Kohanim, sondern gilt für uns alle:

„Ihr aber sollt mir ein Reich von Priestern und ein heiliges Volk sein!“ (Schmot 19:6)

Wir alle sind Teil des heiligen Volkes und wie die Kohanim, so hat auch jeder von uns die Pflicht und Verantwortung, das jüdische Volk zu repräsentieren und ein gutes Vorbild zu sein.
In der westlichen Kultur weht der Wind in die umgekehrte Richtung: Um sich alles Mögliche zu erlauben und sogar die abscheulichsten Taten zu tolerieren, muss man zuerst die menschliche Würde so tief begraben, damit sie nicht in den Weg kommt. Diese Einstellung spiegelt sich auch in der Mode wieder, welche laut und deutlich verkündet: „Be a low-life!“

Im Judentum hingegen wird auf den Zustand der Kleidung und das generelle äußerliche Aussehen des Menschen ein großer Wert gelegt. Dieses muss stets sauber, ordentlich und durchschnittlich sein. Unsere Weisen gehen so weit, dass man sein ganzes Vermögen verkaufen muss, um sich Schuhe zu kaufen (Schabbat 129a)
Grund dafür ist, wie gesagt, der starke Effekt und Einfluss, welchen unsere Kleidung auf uns hat.