KOMPROMISSDENKEN: DIE TORA IST EIN GESETZ DES FRIEDENS – Parascha Mischpatim

KOMPROMISSDENKEN: DIE TORA IST EIN GESETZ DES FRIEDENS – Parascha Mischpatim

Können wir das in diesem Zeitalter der Extreme noch tun?

Diese Parscha ist ein klarer Ansatz für die Gesetzgebung des jüdischen Volkes.

Aber die Gesetzgebung führt nicht immer zu einer einfachen und reibungslosen Lösung von Konflikten.

Am vergangenen Schabbat (Samstag) wurde in vielen Synagogen in Israel für “Gischur” geworben. Gischur bedeutet, dass man einen Kompromiss oder eine Schlichtung sucht. Wenn zwei Menschen oder zwei Parteien einen Konflikt haben, kann man vor Gericht gehen, um die Angelegenheit durch eine dritte Person klären zu lassen. Man kann die Angelegenheit aber auch mit Hilfe eines Vermittlers regeln und selbst nach einem Kompromiss suchen, um eine zufriedenstellende Lösung zu finden.

Die Zahl der internen Konflikte in Israel gerät außer Kontrolle

Jeden Tag lesen wir in den Nachrichten, wie die verschiedenen Ansichten zur Reform des israelischen Rechts Amok laufen. Die Emotionen kochen hoch. Aber es gibt auch viele Nachbarschaftskonflikte und Tausende von anderen Rechtsfällen, die die Gerichte überfluten. Israel hat eine sehr hohe “Anwaltsdichte”. Es gibt relativ viele Anwälte pro Kopf der Bevölkerung. Das ist nicht verwunderlich, denn in der einzigen Demokratie des Nahen Ostens sind die Bürger sehr redegewandt und kenntnisreich. Darüber hinaus leben hier auf jedem Quadratkilometer sehr viele verschiedene Kulturen und Hintergründe zusammen. Es ist eine Multi-Kulti-Gesellschaft, die nicht selten zu Konflikten führt.

Das Judentum ist kompromissorientiert

Die Tora ist ein Gesetz des Friedens. Rabbi Yehoshoe’a ben Levi sprach: “Groß ist der Friede, denn der Name G’ttes heißt ‘Friede’, wie geschrieben steht: ‘Und er nannte den Altar ‚G’tt ist Friede’ (Richter 6,24)”.

Rabbi José der Galiläer sprach: “Groß ist der Friede, denn selbst wenn man eine Stadt im Krieg belagert, muss man zuerst Frieden anbieten, wie geschrieben steht: ‘Wenn du dich einer Stadt im Krieg näherst, musst du ihr zuerst den Frieden verkünden’ (Dt 20,10)”.

Eine Notlüge

Rabbi Schimon sprach: “Groß ist der Frieden, denn wir finden, dass die Stammväter, die Söhne Jakobs, eine Unwahrheit sagten, um den Frieden zwischen Josef und seinen Brüdern zu erhalten. Immerhin heißt es in 1. Mose 50,16-17: “Und sie sandten eine Botschaft an Josef und ließen ihm sagen: Dein Vater hat vor seinem Tod befohlen: So sollst du zu Josef sagen: Vergib die bösen Absichten deiner Brüder und ihre Übertretungen. Nirgendwo in der Tora finden wir, dass Jakob einen solchen Befehl übermittelte”.

Bei jedem Rechtsstreit zuerst einen Kompromiss vorschlagen

Trotz aller rechtlichen Vorschriften in der Tora verlangt das jüdische Recht von den Richtern, den Parteien zunächst vorzuschlagen, ob sie nicht lieber einen Kompromiss eingehen wollen. Im jüdischen Denken ist der Kompromiss sogar zum Gesetz erhoben worden! Selbst unsere alltäglichen Gebote sind von Kompromissen durchdrungen. Ein paar alltägliche Beispiele können dies verdeutlichen.

Die Mezuzah

An jeder jüdischen (Haus-)Tür hängt eine Mesusa, eine Röhre mit einem Text aus der Tora, dem Text der Schma, dem jüdischen Glaubensbekenntnis an den einen G’tt. Wie bringt man diese Mesusa an der Tür an? Dazu gibt es zwei Meinungen: Die eine besagt, dass das Röhrchen mit dem Bibeltext waagerecht hängen soll, die zweite Meinung ist, dass es senkrecht hängen soll. Um beiden Meinungen gerecht zu werden, befestigen wir die Röhre diagonal. Rabbiner verwenden diese Idee häufig in Reden bei Hochzeiten. Das neue Haus, in das beide Ehegatten einziehen, hat eine diagonale Röhre an der Eingangstür, um den Eheleuten zu zeigen, dass das Eheleben immer ein Kompromiss ist.

Wie legen wir die Torarollen in die heilige Arke?

In jeder Synagoge gibt es eine heilige Arke an der Ostseite der Synagoge, die Jerusalem zugewandt ist. Es gibt zwei Auffassungen darüber, wie die Torarollen darin aufbewahrt werden sollen: die eine sagt, horizontal, die andere, vertikal. Deshalb haben wir die Gewohnheit, die Torarollen leicht schräg aufzustellen. Auch dies ist ein Ausdruck der Idee des Kompromisses. Und so gibt es viele Beispiele für den “idealen Kompromiss”.

Warum ist die Mediation besser als ein Rechtsstreit?

Es gibt mehrere Gründe, warum die Mediation oft als besser angesehen wird als ein Rechtsstreit:

1.       Weniger zeitaufwändig und kostengünstiger: Ein Mediationsverfahren kann in der Regel schneller abgeschlossen werden als ein Gerichtsverfahren und kostet daher weniger Zeit und Geld. Bei einem Rechtsstreit können sich die Kosten schnell summieren, da rechtliche Verfahren eingehalten und Sachverständige beauftragt werden müssen.

2.       Weniger stressig: Ein Gerichtsverfahren kann ein langwieriger, komplexer und stressiger Prozess sein, während die Mediation einen informelleren Rahmen bietet, in dem die Parteien in einer weniger konfrontativen Weise zusammenarbeiten können, um eine Lösung zu finden.

3.       Die Parteien behalten die Kontrolle: In einem Mediationsverfahren haben die Parteien mehr Kontrolle über das Ergebnis und können gemeinsam eine Lösung finden, die für beide akzeptabel ist. Bei einem Gerichtsverfahren wird das Urteil in die Hände eines Richters oder einer Jury gelegt, die letztendlich die Entscheidung treffen.

4.       Mehr Chancen für eine positive Beziehung zwischen den Parteien: Die Mediation zielt darauf ab, eine positive Beziehung zwischen den Parteien aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, was besonders in Situationen wichtig sein kann, in denen die Parteien auch nach dem Ergebnis noch miteinander zu tun haben werden, wie z. B. bei familienrechtlichen oder wirtschaftlichen Streitigkeiten.

Die Mediation ist nicht in allen Fällen geeignet. Wenn eine schwere Straftat vorliegt oder ein Machtungleichgewicht zwischen den Parteien besteht, kann ein Gerichtsverfahren angemessener sein.