Kontrolle über sich selbst – Parascha Wajera

Kontrolle über sich selbst – Parascha Wajera

In unserem Wochenabschnitt Lech Lecha steht Awraham kurz nach der Beschneidung und ist auf der Suche nach Gästen, welche er beherbergen könnte. Es war ein ungewöhnlich heißer Tag und die Sonne brannte erbarmungslos auf die Erde herab. Unsere Weisen lehren, dass G´tt „die Sonne aus ihrer Hülle nahm“, ein metaphorischer Ausdruck für sehr starke Hitze, damit sich Awraham in Ruhe von der schweren Operation erholen konnte. Als G´tt sah wie sehr das Ausbleiben von Gästen Awraham betrübte, schickte er drei Engel in menschlichem Gestalt zu ihm, damit er sie bedienen kann.

Als er sie sah, rannte er zu
ihnen, um sie in sein Zelt einzuladen. Die Tora beschreibt dies ausführlich,
dass er zuerst seine Augen hob, sie erblickte und schließlich zu ihnen lief.
Dass er seinen Blick hob, um sie zu sehen, scheint überflüssig zu sein, denn
selbstverständlich muss man das tun, um etwas erkennen zu können. Was also
möchte uns die Tora damit sagen?

Der Sforno kommentiert darauf,
dass er beabsichtigte aufzublicken. Was meint er damit?

Wir Menschen überlegen
normalerweise nicht, bevor wir etwas ansehen oder irgendwohin blicken möchten.
Unsere Köpfe drehen sich, wie von selbst, um, wenn jemand hereinkommt oder,
wenn wir einen Laut vernehmen. Dies passiert, ohne dass wir es beabsichtigen
und beruht auch nicht auf einer aktiven Entscheidung, ob wir es tun sollen und
ob es in dieser Situation angebracht ist.

Die Tora möchte uns damit lehren,
welches Level der Perfektion der Mensch erreichen kann, dass alle seine
Tätigkeiten und sogar kleinste Bewegungen ein Resultat reifer Überlegung sind
und nichts von sich allein passiert. Awraham erreichte ein solches Niveau der
Selbstbeherrschung, dass er nur seinen Blick hob, wenn er dies für richtig
hielt. Deswegen betont die Tora, dass er den Blick hob, obwohl es
selbstverständlich ist, denn für ihn war es jedes Mal eine Entscheidung. Wir
können nur schwer nachvollziehen, wie der Mensch dazu fähig ist, aber in
Wahrheit ist es nur eine Frage der Gewohnheit. Selbstbeherrschung ist eine
Eigenschaft, welche, wie ein Muskel, trainiert werden kann und durch ständiges
Training immer stärker wird.

Es wird erzählt über Rabbi Simcha
Zissel aus Kelm (Sabba MiKelm, Lehrmeister der Kelmer Mussarbewegung), dass er
sich so daran gewöhnt hatte, seine Augen nicht zur Seite zu bewegen, ohne den
ganzen Kopf zu drehen, dass seine Augenmuskeln nicht mehr dazu fähig waren und
er spezielle Übungen machen musste, um sie wieder daran zu gewöhnen.

So viel wird von uns nicht
erwartet und es würde schon reichen, wenn wir zumindest auf unserem Niveau
versuchen, nur entschlossene und abgewogene Handlungen zu tun.