NIE WIEDER AUSCHWITZ – Parascha Ki Teze

NIE WIEDER AUSCHWITZ – Parascha Ki Teze

In der aktuellen Parascha lesen wir von Krieg und Frieden. Der Holocaust war das grausamste aller Verbrechen in der Geschichte der Menschheit und wir müssen immer noch mit den Nachwirkungen dieser Weltkatastrophe leben.

Die Berthelsmann-Stiftung hat aktuell eine Studie über die Beziehung der Länder Deutschland und Israel veröffentlicht. Lediglich 35% der befragten Deutschen sehen aus der Vergangenheit eine besondere Verantwortung des deutschen Staates gegenüber Israel und 49% der befragten Deutschen fordern einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen.

Wie kann das sein, wo doch in derselben Studie 52% der befragten Deutschen angeben, dass der Antisemitismus in Deutschland in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat?

Wie wird heutzutage auf den Holocaust geschaut und all die schrecklichen Dinge, die damit zusammenhängen?

Generell zeigt sich, dass der Terminus Holocaust, die Worte Nazi, Faschist und Konzentrationslager nach und nach Teil unseres alltäglichen Sprachgebrauchs geworden sind, um Personen und Situationen zu beschreiben, die wir als verwerflich und unserem Rechtsempfinden zuwider ansehen. Es fehlt das Feingefühl für  den Umgang mit diesen Begriffen.

Wer die nationalsozialistische Verfolgung am eigenen Leib erlebt hat, empfindet diese Ausdrücke für relativ milde Formen von Unrecht und Unterdrückung als schamlos und als Entweihung der extremen Bedrohung und Massenvernichtung während des Zweiten Weltkriegs.

Sie grenzt an ein Verbrechen, weil sie den extremen Erfahrungen einer der dunkelsten Perioden der Menschheitsgeschichte Unrecht tut und oft nur dazu dient, sich dem eigenen moralischen Recht zu versichern. Diese Ausdrucksweise ist das Gegenteil von dem, was der Zweite Weltkrieg die Menschheit hätte lehren sollen.

Der Terminus ,,Naziterrorismus”, der Ende 1988 mit einem Vorschlag für Dopingkontrollen bei Spitzensportlern in Verbindung gebracht wurde, stieß bei vielen auf Ablehnung, weil er eine grobe Unsensibilität gegenüber den Opfern des realen Naziterrors zeigte, die durch diesen für ihr Leben gezeichnet sind.

Diese Rhetorik ist Teil einer langen Liste von Beispielen, die Prof. Dr. I. Abram, Experte für Holocaust-Erziehung, in seiner Antrittsrede ,,Rassenwahn und Rassenhass”[1] aufzählte, um deutlich zu machen, dass die Schrecken des Holocaust zwar allmählich die breiten Bevölkerungsschichten erreicht und durchdrungen haben, aber das Verständnis für die Ursachen, die Tiefe und die Folgen der völligen Entmenschlichung, die den Naziterror aufrechterhielt, immer noch gering ist.

In den letzten Jahren ist das Interesse an der Aufklärung über den Holocaust gestiegen. Immer mehr Schulen öffnen ihre Türen für Zeitzeugen, Überlebende aus den Lagern und Widerstandskämpfer, die ihre Geschichte erzählen. Welchen pädagogischen Effekt hat diese Konfrontation mit den Schrecken und dem Heldentum einer fernen Vergangenheit? Prof. Abram stellt fest, dass keine allgemeinen Lehren aus dem Holocaust gezogen werden können, außer der einen: Nie wieder Auschwitz. Dies ist das finale pädagogische Ziel.

Er zeigt eine Vielzahl von Reaktionen auf die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs auf: Sie können zu einem vertieften Bewusstsein von G’ttes Gegenwart führen, bei anderen aber auch zu einem völligen Verlust des Glaubens. Viele kämen zu dem Schluss, dass offenbar nur das Recht des Stärkeren die Welt regiert, während einige wenige die Stärke der Demokratien präsentierten, die am Ende des Krieges triumphierten. Primo Levi schrieb eine italienische Schulausgabe über seine Lagererfahrungen in I.G. Farben Monowitz, weil er der Meinung war, dass ,,der Schoß, aus dem der Faschismus kroch, noch immer fruchtbar ist”. Levi glaubte, er könne das Blatt wenden.

Die Frage ist, ob die derzeitigen Lehrmethoden und Erzählstrategien die gewünschte Wirkung erzielen oder ob eventuell genau das Gegenteil erreicht wird. Ich schätze den Einsatz der Lehrkräfte für Aufklärung und ein gemeinsames Miteinander sehr, aber denke, dass es neben der Aufklärung noch andere Grundpfeiler braucht um das formulierte Ziel ,,Nie wieder Auschwitz“ zu erreichen. Denn grausame Details und Berichte über Verfolgung alleine, lassen Raum dafür, dass den Opfern Schuld zugeschrieben wird, Raum den es absolut nicht geben sollte.

Das Manko der Holocausterziehung und vielleicht auch generell der schulischen Bildung ist, dass zwar viel Wert auf die Wissensvermittlung gelegt wird, aber für die Persönlichkeitsentwicklung und Charakterbildung wenig Impulse gegeben werden und dieser oft weniger Aufmerksamkeit gewidmet wird. Guten Noten wird ein höherer Stellenwert zugeschrieben als der Solidarität.

Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass ein Umdenken bei den Jugendlichen nur dann möglich ist, wenn durch das gute Beispiel von Lehrkräften und Eltern die Jugendlichen permanent dazu angeregt werden ihre eigenen Ansichten und versteckten Vorurteile regelmäßig kritisch zu hinterfragen und zu revidieren.

Denn der Holocaust hat uns vor allem gezeigt: Faschismus und Rassenwahn lauern in jedem von uns und es kann passieren, dass die Mehrheit einer Bevölkerung offenbar nicht mehr in der Lage ist ihre eigenen Motive zu reflektieren und ihre Unzulänglichkeiten zu bewältigen.

Es ist eine Sache über Lebensphilosophie und Menschenrechte theoretisch zu sprechen, aber fruchtbar wird dies erst wenn die Gesellschaft, die Schulen, die Eltern und letztlich die Kinder es wagen, ihre Selbstgefälligkeit und Passivität in eine grundsätzliche Bereitschaft umzuwandeln, ihr eigenes Leben, die Voraussetzungen und Ziele ihrer eigenen Existenz ständig und gründlich zu hinterfragen.

In unserer hektischen und oberflächlichen Kultur erfordert ,,Nie wieder Auschwitz” mehr als antirassistische Friedenserziehung.

Denn Auschwitz hat unsere westliche Kultur in ihren Grundpfeilern erschüttert; ein ,,Nie wieder Auschwitz” ist nur möglich, wenn die Pfeiler unserer Gesellschaft durch permanente Bildung und auch Charakterausbildung auf den Prüfstand gestellt werden. Der Finger, der auf andere gerichtet ist, muss auf uns selbst gerichtet sein, wenn wir unserer Jugend wirklich etwas sagen wollen.

DER HOLOCAUST NACH 77 JAHREN ,,Ich bin selber mehrere Male in Yad Vashem gewesen. Eine sehr starke emotionale Erschütterung empfand ich, als ich eine ganze Weile in der Halle der ermordeten Kinder stand und sich alles spiegelte. Ich schaute auf die brennenden Kerzen, die sich spiegelten. Andere Menschen gingen langsam und leise an mir vorbei, während ich der monotonen Stimme zuhörte, die die Namen und das Alter der Kinder vorlas, endlos. Die Tränen strömten über meine Wangen (…). Hier sah ich Tausende Sterne, aber diese standen symbolisch für die ausgelöschten und zerstörten Leben von G”ttes Kindern. Wie betäubt ging ich wieder ins Freie, die grelle Sonne schien in meine Augen. Als sich meine Augen wieder an das Licht gewöhnt hatten, sah ich die zurückgeschnittenen Pfähle mit dahinter die schöne Landschaft. Beendete Leben. Bodenlos tiefer Schmerz” (Dr. E. van der Linden).

Das ,,warum” des Holocaust werden wir nie sicher und eindeutig beantworten können. In der Vergangenheit haben Theologen versucht, auf unbeantwortbare Fragen Antworten zu finden, jedoch hören wir in unserer Gesellschaft kaum religiös begründete Erklärungsversuche.

WO WAR DER MENSCH IN AUSCHWITZ?

Die religiöse Herausforderung entstammt nicht der Frage ,,Wo war G”tt in Auschwitz”, sondern eher der Frage ,,Wo war der MENSCH in Auschwitz?” (Oberrabbiner Aharon Schuster von Amsterdam). Es zeigt sich, dass ein Großteil der Orthodoxie davon ausgeht, dass der Mensch sich nach dem zweiten Weltkrieg nicht wirklich geändert hat. Vielmehr wird der Holocaust als eine Offenbarung der menschlichen Natur verstanden, die uns prägnant aufzeigt, zu was der Mensch leider fähig ist.   Gerade das Thorajudentum war vom Holocaust schwer angeschlagen und die Wiege des religiösen Judentums, Jeshivot und leitende Rabbiner von Litauen bis Rumänien, wurden laut Schätzungen zu neunzig Prozent ,,ausradiert”. Die übriggebliebenen zehn Prozent dieser Orthodoxie, die sich über die ganze Welt verteilten, haben wenige offensichtliche Zeichen für einen speziellen ,,Gedenkbedarf” erkennen lassen, um ihren Trauergefühlen in Formen besonderer Gebete oder neuer Gedenktage, zur Ehre von Millionen Märtyrer, Ausdruck zu verleihen.

Dies scheint eigenartig, da der Tod großer Thoragelehrter auf der anderen Seite viele hunderttausende Gläubige aktiviert. Es ist noch nicht so lange her, dass 900.000 Gläubige dem berühmten Rabbiner Chaim Kanievsky sel. A. die letzte Ehre erwiesen, viel mehr Menschen, als bei Begräbnissen bekannter Politiker anwesend waren. Während des Holocaust kamen hunderte hohe Gelehrten auf grausamste Weise um…. Weshalb lässt die Orthodoxie die Erinnerung an ihr kollektives Märtyrium scheinbar unberührt bleiben?

DIE VERWÜSTUNG DES TEMPELS

Die Betonung liegt hier auf dem Wort ,,scheinbar“. Die Orthodoxie trauert um und beweint ihre Verluste auf eine andere Art. Geschichtskenner wissen, dass der Holocaust eine Reihe von Verfolgungen im christlichen Europa beendete, die faktisch mit dem Churban HaBajit, der Verwüstung des Tempels zu Jerusalem im Jahre 70 nach der Zeitrechnung, begonnen hatten. Eine endlose Reihe von Pogromen, ab den Ermordungs-Serien in Rumänien, den Kreuzrittern bis zu den Abschlachtungen unter Bogdan Chmielnitzky (1648).

An Tischa  Be’Av sitzen wir in den Synagogen trauernd auf dem Fußboden und wir fasten. Unter dem klagenden melodischen Rezitieren von Trauergebeten weinen wir um
alle Opfer, die das Jüdische Volk im Laufe der Jahrhunderte hat bringen müssen. Wir pflegen uns nicht, waschen und rasieren uns nicht, schweigen vor uns hin um uns nicht durch Gerede ablenken zu lassen.

Tischa  Be’Av ist ein Höhepunkt. Mitten im Sommer hören wir während drei Wochen vor Tischa  Be’Av keine Musik, feiern wir keine Feste und schränken unsere Geschäfte und Reisen ein. Neun Tage vor Tischa  Be’Av essen wir kein Fleisch mehr und trinken keinen Wein, waschen nicht unsere Kleider, um uns geistig auf die spirituelle Auseinandersetzung mit dem nationalen Unglückstag des Jüdischen Volkes vor zu bereiten. Vielleicht doch ein Augen-Öffner für den modernen Menschen, der eventuell, abends EIN MAL im
Jahr, um acht Uhr zwei Minuten der Stille beachtet. An Tischa  Be’Av herrscht die Stille den ganzen Tag…..

VERRATEN DURCH DEN WESTLICHEN ,,ANSTRICH ZIVILISATION“

Die Nachwehen des Holocaust haben besonders die Israelische Orthodoxie fest im Griff. Sie demonstrieren nicht so lautstark mit ,,Nie wieder Auschwitz”, das stimmt. Sie fühlen sich durch die westliche nach außen scheinender Zivilisation verraten und haben sich hiervon massig abgewandt.   Sie sind nun primär damit beschäftigt sich selbst wieder aufzubauen und der jüdische Auftrag ,,den anderen Völkern ein Beispiel zu sein“, sozusagen als moralische Trendsetter zu fungieren, musste dadurch erstmal hintenangestellt werden. Mehr als je zuvor hat der Holocaust die Jüdische Energie nach innen gelenkt. Das
hat ihre Früchte erbracht. Noch nie zuvor haben wir eine so massive Rückkehr zum traditionellen Judentum erlebt wie gerade in unseren Tagen. Eine verspätete Reaktion auf den Holocaust.

ANDERE REAKTIONEN

Es gibt auch andere Reaktionen. Ich nenne Ihnen die Reaktion von Imre Kertész:,, Ich muss immer und überall nur an Auschwitz denken. Selbst wenn ich anscheinend über etwas anderem spreche, hat es mit Auschwitz Verbindung.
Ich bin ein Medium des Geistes von Auschwitz, Auschwitz spricht durch mich.
Damit verglichen, finde ich alles Nonsens, also belanglos. Und wirklich nicht nur aus persönlichen Gründen. Auschwitz und alles, was damit zu tun hat (aber was hat nicht damit zu tun?), (Auschwitz) ist das größte
europäische Trauma, auch wenn es vielleicht noch hunderte von Jahren dauern wird, bis man sich dessen bewusst geworden ist. Und wenn das nicht geschieht, macht das sowieso nichts mehr aus”.

Auschwitz steht für das Allerschlimmste, das Menschen einander antun können: die Entmenschlichung des Anderen, die systematische Vernichtung einer Gruppe
auf der Basis von Rasse, Glaube und Beschaffenheit, von denen im Zweiten Weltkrieg hauptsächlich die Jüdische Bevölkerung das Opfer wurde.

Wir leben heute in einer anderen Zeit, aber Angst vor und Misstrauen gegen den Anderen sind noch nie so groß gewesen. Angst und Misstrauen führen dazu, dass Menschen sich in die eigene Gruppe zurückziehen, unter Ausschluss der Anderen. Geht der Ausschluss weit genug, entsteht ein entmenschlichtes Bild des Anderen, verschwindet die Sorge um den Anderen aus dem Blickfeld.   Nie mehr Auschwitz bedeutet: jede alltägliche Moral, in der die Sorge um den Anderen ausdrücklich eine Rolle spielt und in der Solidarität sich nicht auf die eigene Gruppe beschränkt. Nie mehr Auschwitz bedeutet: sorge dafür, dass Menschen nicht von ihrer Menschlichkeit entbunden werden können.

Aber, Imre Kertész sagte auch: “Höret endlich damit auf (….) zu sagen, dass Auschwitz nicht erklärt werden kann, dass Auschwitz das Ergebnis von irrationalen, mit dem Verstand nicht zu erklärenden Kräften sei, denn für das Schlechte wird es immer eine rationale Erklärung geben (…) Was wirklich irrational und unerklärbar ist, ist nicht das Schlechte, sondern im Gegenteil das Gute. Und Kertész verweist darauf, dass es selbst in Konzentrationslagern, selbst in Auschwitz Menschen gegeben hat, die Anderen halfen, die selbst im Lager an der tagtäglichen Moral fest hielten, der Sorge um den Anderen, und die damit der Entmenschlichung entgegen traten.

DER FREMDLING

Darrell J. Fasching, Dozent für Religionsstudien in Tampa, Florida, ist der Meinung, dass die Christen nach dem Holocaust verpflichtet sind, ihr Versagen zu besprechen, wieso sie während der Schoa nicht die Seite ihrer jüdischen Brüder und Schwestern gewählt hatten. Fasching steht für eine neue Ethik, die dem Fremdling viel mehr Platz bietet. Es geht um die Art und Weise, wie eine Gesellschaft mit ihren Fremdlingen umgeht.

Die Biblische Ethik befasst sich mit dem Gebot, den Fremdling einzuladen und willkommen zu heißen. In der Thora erfolgt nicht weniger als 36-mal ein
Aufruf an unsere Möglichkeiten “uns mit dem Fremdling zu identifizieren”. Denn Ihr selbst wart Fremdlinge in Ägypten. Der Fremdling sorgt dafür, dass wir einen “offenen Horizont” behalten. Der Fremdling ist derjenige, der ,,gerade durch sein oder ihre Unterschiedlich – oder Anderssein unsere Identität zur Diskussion stellt”.

Wir suchen nach einer Welt der Gleichmacherei, aber der Fremdling ist derjenige, der es verhindert, dass wir in unserer eigenen Identität eingeschlossen werden. Echter Glaube basiert auf ,,unserer Bereitschaft, Fremdlingen und die Zweifel, die ihr fremdes Verhalten bei uns hervorrufen, willkommen zu heißen”. Daran können wir abmessen, inwieweit unser Glaube wirklich wahr ist. Der Knackpunkt einer aufrichtigen Gesellschaft ist die Messlatte, die mit der Frage verknüpft ist, wie offen wir einem Fremdling
gegenüber stehen:,, Denn wenn wir den Fremdling willkommen heißen, nähert sich die Herrschaft G”ttes und alle Dinge werden möglich”.

Fasching hält Christen den Spiegel vor und betont die Jüdische religiöse Unerschrockenheit und religiösen Mut. Das Judentum stellt nicht nur Fragen, sondern geht der Verantwortung G”ttes nicht aus dem Weg.
G”TT STEHT NICHT ABSEITS DES LEIDENS

Eine andere Reaktion befindet sich in einem Briefwechsel zwischen Dr. E. van der Linden und Professor von Bach: ,,G”tt steht nicht Abseits dieser bitteren Wirklichkeit. Er ist bei den zerstörten Leben (…). Neben Hiob steht jedoch das Hohelied. Neben den Klagen von Jeremias steht das erste G”ttliche Wort der Schöpfung: “Licht!”. Das Eine musst Du nicht gegen das Andere wegstreichen. Die Biblische Realität, genau wie unsere Realität, ist die von Leid und Leben, von Untergang und Aufstehen, vom Geist der Vernichtung und vom Geist von Feuer und Hoffnung (…). Es besteht Chaos, Leere und Finsternis und Licht wird in unser Dasein gerufen. Die Stimme des Predigers muss gehört werden, aber auch das Liebeslied aus dem Hohelied.”

Das ,,Heiligen Paradox“

Eine typisch orthodoxe Betrachtung kommt von Rabbi Aharon Lopianski, der bemerkt, dass nur wenige Menschen aus dem Tod der sechs Millionen irgendwelche Eingebungen entnehmen können. Juden aus dem Mittelalter bevorzugten den Galgen dem Kreuz. Sie waren bereit, ihr Leben zur Heiligung des G”ttlichen Namens zu opfern. Die Opfer des Holocaust hatten jedoch wenig Wahl. Wieso können wir sie Kedoschim (Heilige) nennen?
PASSIVER KIDDUSCH HASCHEM

Es existiert auch eine passive Art von Kiddusch Haschem. Als Aharons Söhne Nadav und Avihu verstarben, sagte G”tt: „bikrowaij ekadejsch” – durch diejenigen, die Mir nahestehen, werde Ich geheiligt. Nadav und Avihu werden während der Einweihung des Mischkan (Tabernakel) durch ein Himmlisches Feuer verzehrt. Ihre Heiligkeit war so groß, dass diese selbst über der von Mosche und Aharon stand. Nadav und Avihu, und nicht Mosche und Aharon, werden erwählt um Kedoschim, Heilige, zu sein.

Wir sind die Generation, die gesehen hat, was “bikrowaj ekadejsch” bedeutet. Wenn wir daraus nichts lernen, dann spielt es in der Tat keine Rolle mehr. Wir müssen hieraus etwas lernen, wir haben etwas
gelernt, laut Rabbi Lopianski.   Das Judentum ist stärker als je zuvor…   Nie wieder Auschwitz? Wie oben schon erläutert, wurde durch den Holocaust nochmals offenbart und für die gesamte Welt sichtbar, wozu der Mensch fähig sein kann. Es ist an uns daraus Konsequenzen zu ziehen, die über das bloße Gedenken herausreichen. Die Zahl der antisemitischen Vorfälle ist besorgniserregend und gerade vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, wie über das ,,Ziehen eines Schlussstriches“ gesprochen werden kann.   Es sollte niemals ein Schlussstrich gezogen werden. Das wäre fatal und dem unvorstellbaren Leid, welches die Opfer des Holocaust erfahren haben, nicht angemessen. Wir alle tragen nun die Verantwortung für ein ,,Nie wieder Auschwitz‘‘ zu sorgen.   Und dies wird durch eine rein intellektuelle Herangehensweise nicht erreicht sondern nur in Verbindung mit dem Stärken von Werten wie Solidarität, Akzeptanz und Nächstenliebe. Indem wir stetig unser Handeln reflektieren und dies auch den zukünftigen Generationen mit auf den Weg geben, sodass ein gemeinsames Miteinander statt Nebeneinander möglich wird.  

     


[1] Abram, I.B.H., Rassewaan en rassehaat, Uitgeverij Boekencentrum B.V., ‘s Gravenhage, 1990. ISBN 90-239-0004-9.