SEI TOLERANT: AUCH FÜR DICH SELBER – PARASCHA BEHAALOTECHA

SEI TOLERANT: AUCH FÜR DICH SELBER – PARASCHA BEHAALOTECHA

SEI TOLERANT: AUCH FÜR DICH SELBER

„Der Mann Mosche war sehr „anav“ (bescheiden), mehr als alle Menschen, die auf der Erdoberfläche lebten“ (12:3). (wir erklären „bescheiden“ mit „sich nicht in den Vordergrund schieben, sich nicht durch irdische Güter als etwas Besonderes betrachten, auch nicht durch seine ihm durch G“tt zugewiesenen Führungsaufgaben).

Raschi (tausend und vierzig bis tausendeinhundert und fünf) übersetzt das Wort „ANAV“ mit bescheiden und tolerant. Ohne Toleranz und Verträglichkeit gestalten sich die Beziehungen zwischen dem Menschen und seinen Mitmenschen außerordentlich zäh.

Ein großer Mussar-Gelehrter, Rabbi Simcha Broida (tausendachthundert und vierundzwanzig bis tausendachthundert und achtundneunzig), genannt der „Alter von Kelm“, sagte einst: „ Wenn es uns gelänge, uns selber die Eigenschaft der Verträglichkeit bei zu bringen, würde das Leben viel besser sein. Verträglichkeit, also ein einvernehmliches Miteinander, ist die wahre Quelle für innerliche Ruhe“.

Verträglichkeit: Quelle für innerliche Ruhe

Ich war durch diese letzten Worte sehr berührt. Wir müssen nicht nur den Anderen gegenüber Tolerant sein. Wir müssen auch uns selber, mit allen unseren Einschränkungen, lernen zu akzeptieren.

Achdut und Schlemut

Aber das sieht so aus, als ob wir, bei unserem Streben nach Perfektion, in angespannter Haltung verharren. Jeder Mensch möchte wachsen und sein Potential entfalten. Die Verwirklichung aller uns angeborenen oder angelernten Talente ist das letztendliche Ziel jedes sich bewusst verhaltenden Menschen. G“tt verstehen wir als die sprichwörtliche Quelle von ACHDUT (Einheit) und SCHELEMUT (Vollkommenheit). Wir versuchen, auf G“ttes Fußspuren wie

1. ACHDUT zu Wandern, indem wir dauernd eine unteilbare und konsequente Einheit bilden und wir anstreben, uns Seiner

2. SCHELEMUT an zu nähern, indem wir uns selber perfektionieren, also verbessern.

Bei unserem Bestreben nach Perfektion legen wir die Messlatte oft zu hoch. Wir verlangen von uns selber oft viel zu viel, da wir das erwartete Selbstbild nicht mit unserem wirklichen Selbstbild vergleichen.

Das Judentum verlangt dauernde Selbstverbesserung. Hierdurch kannst Du schon ziemlich depressiv werden, da Du nicht immer mit vollständiger „KAWANA“ (Inbrunst) Dawwenen (Beten) kannst oder nicht andauernd bei Deinen zwischenmenschlichen Beziehungen genau so sympathisch bleiben kannst, wie Du das anstrebst.

G“tt kennt unsere Einschränkungen

Es gibt einen bekannten Midrasch (Hintergrund-Auslegung), in dem unsere Weisen uns klar vermitteln, dass G“tt von niemandem mehr erwartet, als dieser leisten kann. Ha’Schem (G“tt) kennt unsere Einschränkungen. ER erwartet nicht von uns, dass wir uns selber in wenigen Wochen, Monaten oder selbst Jahren total neu erschaffen. Mit zu hohen Ansprüchen können wir total desillusioniert abbrechen…

Wenn wir realistische Anforderungen an uns selber stellen, können wir auch auf geistigem Gebiet nach und nach etwas voran kommen. Der Mussar lehrt uns, dass wir in unserem Streben nach Selbstperfektion kleine Schritte machen müssen und tolerant mit uns selber umgehen sollten.

unrealistischen Erwartungen von uns selbst

Wenn wir weigern, uns selber in unserem Klein sein und menschlicher Einschränkung zu akzeptieren, stehen uns große Enttäuschungen bevor. Wir möchten spirituell oft zu schnell nach vorne gelangen. Wenn uns das nicht gelingt, werfen wir G“tt vor, dass ER uns verlassen hat. Aber im Grunde haben wir uns, durch unsere unrealistischen Erwartungen von uns selbst, selber verlassen.

Als „Kind im Hause“ im Himmel befand sich Mosche laufend in der Anwesenheit G“ttes und er wurde ständig mit G“ttes Unendlichkeit konfrontiert, d.h. er konnte diese ununterbrochen fest stellen.

Hierdurch wurde Mosche immer bescheidener, anstatt immer hochmütiger. Mehr als wer auch immer verstand er, wie klein er sei und wie groß G“tt ist.