Das kleine Alef von wajikra – Parascha Wajikra

Das kleine Alef von wajikra – Parascha Wajikra

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Das erste Wort von Wajikra bedeutet: „und damals rief“. Bei allen Aufgaben und allen Aussagen G“ttes erfolgte ein liebevolles Rufen vorab (Sifra). Wenn die Engel einander zurufen, G“tt zu huldigen, erfolgt dieses auch liebevoll, ohne Eifersucht oder Konkurrenz, sondern in völliger Eintracht.
Nicht ohne Grund bildet dieses liebevolle Rufen einen zentralen Teil unserer Gebete. Die deutliche Bevorzugung G“ttes für Mosche wurde in diesem Rufen sichtbar.

Drei Begründungen für das kleine Alef

1. Wajikra wird am Ende mit einem kleinen Alef geschrieben. Der Kli Jakar (achtzehntes Jahrhundert) erklärt, dass dieses kleine Alef andeuten möchte, dass Mosche mehr Prophetie erhielt, als ihm qua geleisteter Vorarbeit zugestanden hätte.

Bei Mosche erfolgte zusätzlich auch noch ein liebevoller Zuruf oder Aufruf vorab. Alle Aussagen G“ttes erreichten ausschließlich Mosche’s Ohren. Der Rest hörte nichts. Auch Aharon hörte viele Aussagen G“ttes nicht. Diese G“ttliche Stimme wurde nur im Ohel Mo’ejd, dem Zelt der Versammlung, vernommen. Außerhalb wurde nichts gehört. Die G“ttliche Stimme kam von Oberhalb des Deckels der Heiligen Lade, in der sich die Steinernen Tafeln befanden. Die Stimme ertönte aus dem Zwischenraum der beiden Cherubinen.

Nicht zum eigenen Vergnügen

Mosche erhielt mehr, als ihm qua Vorarbeit zu stand. Aber G“tt sprach mit Mosche von Angesicht zu Angesicht nur, wenn es um die Belange des Jüdischen Volkes ging. Die zusätzliche Prophetie erhielt er nicht zum eigenen Vergnügen. Nach dem Goldenen Kalb bekam Mosche gesagt: „geh’ nach unten“. Das bedeutete eigentlich: „steige von Deinem hohen Bereich hinunter. Du erhältst keine zusätzliche Prophetie für das Jüdische Volk mehr, da sie vom Weg abgewichen sind“. Als G“tt ihnen jedoch ihre Sünden verziehen hatte, kehrte Mosche wieder auf sein altes Niveau von Prophetie zurück.

2. Weshalb fangen die kleinen Kinder im Cheder mit dem Lernen von Wajikra an, mit der Lehre der Opferungen oder der Spenden? Da die Opferungen oder Spenden sauber und die kleinen Kinderlech noch unbefleckt, also nicht verdorben, sind. Dieses ist ein zweiter Grund, weshalb das Alef im ersten Wort von Wajikra klein ist. Es gibt einen Hinweis um an zu deuten, dass die kleinen Kinder hier mit dem Lernen beginnen sollen.

3. Eine dritte Erklärung ist, dass das Alef als Buchstabe auch lernen bedeutet. Ein kleines Alef ist ein guter Anfang. Lerne mit Bescheidenheit. Die Thora bleibt nur den Menschen erhalten, die sich selber nicht aufpusten, sich also nicht wichtiger machen, als sie sind. Deshalb erhielt Mosche auch diesen hohen Stellenwert von Prophetie. Er war außerordentlich bescheiden und flüchtete immer vor der Kawod, vor der Ehre. Er war ein Beispiel für gutes Jüdisches Benehmen, für das richtige Verhalten.

Opferungen und unser Nervenpaket

Der Mensch unterscheidet sich vom Tier durch  seine Intelligenz. Das ist in der Tat ein enormer Unterschied, ein Qualitätssprung und nicht nur ein Qualitätssprung.

Aber in vielen Bereichen werden wir durch die Fauna übertroffen. Tiere können sich beinahe blindlings auf ihre Instinkte verlassen, haben viel bessere Sinnesorgane und sind viel mehr an die Natur angepasst.
Schon kurz nach ihrer Geburt können viele Tiere richtig funktionieren. Der Mensch benötigt viele Jahre, um sich ein wenig selbständig betätigen zu können. Tiere und Menschen leben oft in  Nachbarschaft zu einander oder zusammen. Die Beziehung Mensch-Tier wird besonders im Opferungsgeschehen deutlich.

Im Jahre siebzig nach der weltlichen Zeitrechnung wurde der Tempel zerstört. Wir kennen das System des Opferns nicht mehr. Wir verfügen heutzutage nicht mehr über die geistige Kraft, um physische Materie zum Opfermaterial zu erheben. Wir können heutzutage nicht mehr mittels einer körperlichen Vorgehensweise dermaßen physisch eingreifen und geistig berichtigen. Deshalb gibt es keine Opferungen mehr und auch keine Todesstrafe.

Wir behaupten immer, dass wir sehr fortschrittlich sind, da bei uns bereits vor zweitausend Jahren die Opferungen von Tieren und die Todesstrafe abgeschafft wurden, aber im Grunde genommen ist es geistige Ohnmacht, die uns Streiche spielt. Wir können die Materie leider nicht mehr erheben, d.h. mittels dieser Materie uns in ein besseres Licht stellen.

Außerdem sündigen wir tagtäglich und dauerhaft so oft, dass wir fast täglich Opfergaben erbringen müssten. Seit unseres moralischen und geistigen Abstiegs ist das Opferungssystem nicht mehr effektiv, deshalb hat es aufgehört, zu existieren.

Prof. Marco Jacoboni (Italien) hat ein Buch über das spiegelnde Gehirn geschrieben. In Parma, Italien, wurden die Spiegelneuronen gefunden. Spiegelneuronen fördern unsere Fähigkeit, uns ein zu leben. Über diese Neuronen imitieren wir das Verhalten Anderer.

Dank der Spiegelneuronen können Menschen die Bewegungen Anderer nach machen und sich in den Schmerz Anderer einfühlen. Wie wurde dieses heraus gefunden? Die Nervenzellen im motorischen Bereich eines Versuchtieres wurden aktiv, indem das Versuchtier ein anderes Tier oder einen Menschen sich bewegen sah. Es schien, dass Spiegelneuronen nicht nur das sich Bewegen anderer wahr nehmen und aktiviert werden, wenn sie andere sich bewegen sehen.
Schon in der frühen Jugend werden diese Spiegelneuronen aktiviert. Ein Baby schaut zu seiner Mutter und lächelt. Die Mutter lächelt zurück. Das Gehirn des Babys assoziiert dann das eigene Lächeln mit dem Anblick des Lächelns eines anderen.

So entstehen Spiegelneuronen für die Grimassen, die wir Lächeln nennen. Das Synchronisieren von Körpern ist eine starke menschliche Neigung. Es erzeugt ein Gefühl der Zusammenhörigkeit. Nachmachen ist ein Kommunizieren ohne Sprache. Es schafft eine Verbindung zwischen Menschen, wenn sie zum Beispiel wie Soldaten, im Gleichschritt marschieren. Durch Nachahmung des Benehmens werden wir mit unserer Umgebung verbunden.

Es gibt selbst Andeutungen, dass die Sprachfähigkeit von den Spiegelneuronen abhängig ist. Wenn der Sprachbereich von Brocca in den Hirnen nicht mehr funktioniert, können Menschen andere auch nicht mehr nachahmen. Spiegelneuronen helfen bei der Schaffung eines geteilten Bewusstseins. Nicht nur zwischen dem Menschen und seinem Mitmenschen, sondern auch zwischen allen anderen Aspekten seiner Umgebung. EINE dieser Aspekte der Umgebung sind die Tiere. Wenn ein Tier auf dem Altar geopfert wird, identifiziert sich der Mensch mit dem ganzen Vorgang, der zum Untergang des Tieres führt.

Der Mensch besitzt den Verstand und die Möglichkeit, sich selber zu perfektionieren. Er kann seine Triebe beherrschen, seine angeborenen Neigungen steuern und unterdrücken. Indem man sündigt, schiebt man das von G“tt geschenkte Intellekt symbolisch zur Seite. Der Unterschied zwischen Mensch und Tier liegt im Bereich des gedanklichen Vermögens, der Fähigkeit, zu denken. Wenn ein Mensch sündigt, identifiziert er sich mit dem Tierischen. Deshalb musste auch ein Tier geopfert werden.

Der Mensch besteht aus zwei Elementen, einem tierischen und einem G“ttlichen. Diese zwei Bereiche stehen dauerhaft mit einander in Konflikt. Das Tierische zieht den Menschen in Richtung des Materiellen und des Irdischen und ist auf physische Ausdehnung gerichtet, aber das G“ttliche richtet die Augen auf das Höhere. Wenn man von der Thora abweicht, überwiegt das Tierische. Mit einem Tieropfer wird das Tier selber erhöht und entsprechend auch das Tierische im Menschen, das sich mit dem Tier auf dem Altar identifiziert. Auf diesem Weg wird das Tierische im Menschen, die Ursache für die Sünde, unter die Herrschaft des G“ttlichen gebracht.

Wajikra ist das kleinste Buch der Thora. Es beinhaltet lediglich zehn Paraschot (Abschnitte) und achthundertneunundfünfzig Verse.

Das erste Thorabuch Bereschit (Genesis) beschreibt, alles zusammen gezählt, zweitausenddreihundertneun Jahre Geschichte ab dem Zeitpunkt der Schöpfung. Schmot (Exodus) beschreibt einhundertundvierzig Jahre, während das gesamte Buch Wajikra (das dritte Buch der Thora) nur in acht Tagen gegeben und geschrieben wurde. Das vierte Buch Bamidbar (Numeri) belegt neununddreißig Jahre und das gesamte Buch Dewarim (das fünfte Buch der Thora) beschreibt neun Wochen.

In der Thora wird die Geschichte der ersten zweitausendvierhundertachtundvierzig Jahre der Welt beschrieben.
Geographisch ist Wajikra auch eingeschränkt: das gesamte dritte Buch wird am Fuße des Berges Sinai verlesen, also mündlich zu Gehör gebracht. In Wajikra steht das Opfern im Mittelpunkt.

Der Zweck bezw. der Sinn des Opferns

Maimonides und Nachmanides diskutieren mit einander über die Bedeutung der Opferung von Tieren.
Maimonides behauptet, dass die Juden den Auftrag, Opferungen dar zu bringen, erhalten hätten, um sie vom Ägyptischen Götzendienst los zu lösen. Bekanntlich kamen sie ohne Opferdienst nicht aus. Nach dem Auszug aus Ägypten mussten sie diesen jedoch G“tt widmen.

Nachmanides erhebt gegen diese Ansicht massiv Widerspruch. Er behauptet, dass bereits lange vor der Einführung des Götzendienstes an G“tt geopfert wurde. Adam opferte bereits im Gan Eden, im Paradies, und auch Noah erbrachte, als er die Arche verließ, Tieropfer.

Privat-Altäre und Tempel

Rabbi Mejir Simcha aus Dwinsk harmonisiert die Ansichten von Maimonides und Nachmanides. Er macht einen Unterschied zwischen Privat und Gesellschaftlich.
Früher, VOR der Entstehung des Tempels, war es gestattet, auf Privat-Altären (Bamot) zu opfern, um die heidnischen Götzenbräuche ab zu gewöhnen.

Aber der Opferdienst im Tempel war dazu gedacht, um das Jüdische Volk an G“tt zu festigen. Der Re’ach Nicho’ach – der „angenehme Geruch“, den die Opferungen für den Himmel hatte – war nur den Opferungen im Tempel vor behalten.

Drei Ebenen

Wir sündigen auf drei Ebenen:

  1. gedanklich,
  2. sprachlich und
  3. mit unserer Handlung.

Deshalb verwandeln wir alles wieder zur Güte:
*durch eine Tat: indem wir unsere Hände auf das Opfer stützen, legen wir die Sünde symbolisch ab bezw. streifen die Sünde von uns ab.
*durch das aussprechen des Widuij – des Sündenbekenntnisses –, betonen wir unsere Reue und
*indem wir die Eingeweide und die Nieren dar bringen, zeigen wir Reue über unsere Gedanken (die Nieren werden als Basis für unsere Gedanken betrachtet).

Das Blut des Tieres wird auf den Altar gesprenkelt, um zu zeigen, wie das Blut des Sünders an für sich auf den Altar hätte gebracht werden müssen. Das Blut des Tieres dient hierfür als Ersatz.

Wenn das Opfern keinen schockierenden Effekt hatte, war es „das Opfer eines Grausamen“ (Sprüche 21:27). „Gehorchen ist besser als zu Opfern und Zuhören ist besser als das Fett aller Widder“ (I Samuel 15:22). Zurückhaltung, Bescheidenheit und das Befolgen der Anweisungen G“ttes war die Hauptbotschaft der Opferungen.