DAS ELEND UND DER BUND – Parascha Behar-Bechukotai

DAS ELEND UND DER BUND – Parascha Behar-Bechukotai

DAS ELEND UND DER BUND

Bechukotai beschreibt die Kelalot (die Verwünschungen). Im Angesicht des Todes erhalten viele G“ttbezogene Fragen mehr Konturen. Die Frage, weshalb unschuldige Menschen leiden, beschäftigt die Menschheit bereits seit Tausenden von Jahren. Das ist auch ein klassisches Thema in der Jüdischen Philosophie.

Wenn wir mit Leid konfrontiert werden, beginnen wir zu zweifeln. Wir glauben an die Allmacht und an die Allwissenheit des Schöpfers. Aber zuerst müssen wir die verfügbaren Voraussetzungen unseres Glaubens überprüfen.

Weshalb trifft das Schlechte den Rechtschaffenen? Einige erwarten, dass wir letztendlich eine redliche und umfassende Antwort finden. Laut anderen ist die Findung einer redlichen Antwort schon im Vorfeld verdächtig, da unsere Sprache begrenzt ist. Wir können die Frage nur auf einer subjektiven Ebene lösen. Er besteht nun mal keine allgemein gültige Erklärung.

Der Philosoph-Rabbiner Josef Albo aus Spanien (tausenddreihundertachtzig bis tausendvierhundertvierundvierzig) gibt eine originelle Antwort auf die Frage. Er befindet sich, was das Verständnis betrifft, zwischen den beiden Extremen. Rabbi Albo war der letzte große jüdische Philosoph des Mittelalters. Um sich gegen die heftige Kritik der spanischen Christen in der damaligen Zeit zu verteidigen, schrieb er sein Werk Sefer Ha‘ikkarim (Das Buch der Prinzipien), in dem er seine eigene Glaubenslehre verteidigt und Maimonides’ dreizehn Glaubensartikel kritisiert. Laut Albo gibt es drei fundamentale Prinzipien, an denen Du glauben sollst:

1. der Existenz G“ttes,

2. an Seiner Offenbarung und

3. an Seine Strafe und Belohnung.

Rabbi Albo geht davon aus, dass der Mensch zur Wahrheit Zugang hat. Aber er kritisiert Aristoteles, da wir nie die volle Wahrheit kennen werden. Unser Verstand arbeitet hierzu nicht sorgfältig genug, sagt R. Albo.

R. Albo verzweifelt nicht dabei, ob der Mensch jemals wissen wird, was wahr ist oder nicht (Sefer Ha‘ikkarim 1:16). Wir haben nämlich unsere eingeschränkte, menschliche Sichtweise von G“tt erhalten, die Quelle aller Wahrheit, und deshalb muss sie wohl ein Bestandteil der absoluten Wahrheit sein. Die letztendliche Wahrheit bleibt verborgen, aber das ist kein Problem, denn das ist der Wille von HaSchem (G“tt).

Hiob und seine Freunde

Rabbi Albo spricht nicht nur in abstrakten Begriffen, sondern verweist auf die Diskussionen über das Leid der Gerechten im Tenachbuch Hiob. Wir finden die gesamte Thematik in den Fragen von Hiob über G“ttes Gerechtigkeit wieder und in den Antworten, die er letztendlich von Oben erhält. Die ersten vierzig Hauptkapitel des Buches beschreiben Hiobs Leiden und die Versuche, die seine Freunde unternehmen, um ihn zu trösten.

Sie versuchen, seine Probleme zu erklären und gleichzeitig G“ttes Allmacht, Seiner Allwissenheit und Seiner Güte gerecht zu werden.

Aber das gelingt ihnen nicht, bis der Allerhöchste selber dazwischen kommt und Hiob erklärt, weshalb ER ihn auf eine solche Probe gestellt hat. Und was sagt G“tt, laut Albo?

Du, Hiob, kannst Dir nicht sicher sein, dass Deine Auffassung von der Wirklichkeit auch richtig sei. Auch habe ICH, die Quelle aller Wahrheit, Dir die sinnlichen Fähigkeiten gegeben, mit denen Du geboren wurdest, jedoch haben sie nur beschränkte Möglichkeiten, um die offenbarte Wahrheit zu verstehen. Wie kannst Du dann dieselben sinnlichen Gegenstände verwenden, um MEIN System von Gerechtigkeit beurteilen zu können?

Um das zu können, musst Du nicht nur Zugang zur totalen Wirklichkeit haben, sondern Du musst auch Dein eigenes Bewusstsein vollständig kennen. Wenn Dein Geist zu beschränkt ist um irdische, zeitlich begrenzte Angelegenheiten zu erfassen, dann bleiben die nicht-materiellen, unvergänglichen Dinge doch sicherlich verborgen.

Das menschliche Vermögen, um beurteilen zu können, ob etwas gerechtfertigt sei, ist beschränkt. Das menschliche Erfassen des Begriffes Gerechtigkeit scheitert, wenn es sich um die ultimativen Lebensfragen handelt. Das ist genau so unmöglich, wie das Messen von Atomen mit einem Lineal. Das ist die originelle, Jüdische Antwort des Philosophen und Talmudgelehrten Rabbi Jitzhak Albo.

Die Antwort ist nicht „wir wissen noch nicht alles“ oder „wir können nichts wissen“, sondern „wir kennen einen Teil der Wahrheit“ (Albo). Und dieser Teil genügt. Wenn wir mit der beschränkten Einsicht leben, die uns gegeben wurde, dann ist das Leben gut.

Am Ende von Bechukotai steht (Lev. 26:40 usw.) „Dann werden sie bekennen, dass Sie und ihre Vorfahren durch ihre untreue zu mir gefehlt haben…wenn ihr nicht länger stur und eigensinnig mir gegenüber sein werdet…dann werde ich mich an meinen Bund erinnern, den ich mit Ja’akov geschlossen habe und an den Bund, den ich mit Jitzhak geschlossen habe und an den Bund, den ich mit Avraham geschlossen habe…