Wiedergutmachung – Parascha BO

Wiedergutmachung – Parascha BO

Menschlicher als der Mensch

Die Menschen sind in Allem ja nur eingeschränkt. Wir können uns nicht gleichzeitig auf zwei Angelegenheiten konzentrieren. Aber der Allmächtige kann Seine Aufmerksamkeit wohl verteilen.

Nach dieser Einleitung wird ein schwieriger Abschnitt verständlich: „G“tt sagte zu Mosche: „Sprich zum Volk, sage ihnen, dass sie silberne und goldene Gegenstände verlangen sollen, jeder Mann von seinem Freund und jede Frau von ihrer Freundin (11:2).

Weshalb musste G“tt, so fragt der Gerrer Rebbe, die Juden bitten, der Entgegennahme von Gold und Silber zu zu stimmen? Wenn wir die Nachricht erhalten würden, es gäbe irgendwo Geld zu holen, würden wir dort bereits früh morgens in einer langen Reihe vor der Türe stehen.

Der Gerrer Rebbe meinte, dass man sich bewusst wurde, dass Geld auch viele negative Seiten haben kann. Reichtum ist eine enorme Herausforderung. Deshalb musste G“tt bitten „nehmet bitte das Geld an“, denn Wohlstand und Überfluss können den Menschen in moralische und religiöse Konflikte versetzen. Deshalb steht da auch, dass sich die Juden das Geld leihen mussten. Denn wenn wir das Empfinden haben, dass der gesamte Besitz in dieser Welt nur geliehen wurde und nicht unser Eigentum ist, stehen wir besser da.

Wenn wir uns dessen bewusst werden, dass unser Überfluss lediglich ein durch G“tt genehmigtes Deposit-Konto bedeutet, vergleichbar mit einem vereinbarten Überziehungskredit, den wir früher oder später wieder ausgleichen müssen und für den wir Rechnung legen und Verantwortung nachweisen müssen, werden wir damit viel umsichtiger und vorsichtiger verfahren.

Rabbi Salman S. Sorotskin (achtzehnhunderteinundachtzig bis neunzehnhundertsechsundsechzig) hat eine andere Betrachtungsweise. Nach dem Ende der Shoa konnte er uneingeschränkt nachvollziehen, weshalb die Juden nach der Sklaverei so negativ der Annahme von Gold und Silber gegenüber standen. Eine der am heftigsten diskutierten und von schlimmen Meinungsunterschieden umrahmten Frage in den fünfziger Jahre war, ob man „Wiedergutmachung“ annehmen sollte. Viele waren dafür, da man das Geld dringend benötigte und man den Verbrechern für ihre Mordorgien keinen Vorteil gönnen sollte: „Wirst Du morden und auch noch erben?“ (I Könige 21:19). Die Wiedergutmachung war aus Sicht der Vorstände natürlich nie ein Ausgleich für das Leben der ermordeten Menschen, sondern diente lediglich als Bezahlung für geraubtes Eigentum.

Die sich dem widersetzten waren der Auffassung, dass das Blutgeld als einen Bußgang für deren Verbrechen angesehen werden könnte. Indem sie ihre „Schuld abkaufen“ würden, gäbe es für das Deutsche Volk auf diese Weise die Möglichkeit, wieder in die Runde der zivilisierten Völker Eintritt zu erhalten. Es würde oder könnte der Eindruck entstehen, dass viele Nullen als Versöhnung für die furchtbarsten Mordorgien dienen könnten: „ Sand darüber“, oder wie wir auch sagen:“ Schwamm darüber“. Wie ehrlich und vertrauensvoll sind unsere Feinde von damals? Hatten die Für- und Gegensprecher nach der Shoa recht? Die Zukunft wird es zeigen.

Raschi und der Talmud betrachten es wieder anders. Die Juden waren in Ägypten nicht sehr beliebt. Ohne Einflussnahme von Oben wäre das Leihen nie erfolgreich gewesen. G“tt hatte für eine anscheinend untergeordnete Einzelheit ein Augenmerk: „Empfindung für den Unterdrückten, den Benachteiligten“. „Wenn du einen Sklaven weg schickst, gib ihm dann auch allerlei Dinge mit“ (Deut. 15:13-14). Damit kann er wieder eine eigene Zukunft aufbauen. G“tt hatte Avraham beim Bund zwischen den einzelnen Vorgängen versprochen, dass die Juden beim Verlassen von Ägypten wohlhabend sein würden. Die Juden hatten hierfür kein Ohr. Sie sehnten sich nur nach Freiheit. Gold und Silber interessierte sie nicht. G“tt wollte, dass Ägypten seine Menschenpflicht erfüllen und sie nicht ohne irdische Güter wegschicken sollte. Selbst die kleinste Einzelheit wurde beachtet, und das gleichzeitig zusammen mit dem dramatischen Auszug aus Ägypten.