EDIM SOMEMIM, falsche Zeugen: das nicht zu verstehende Gesetz der falschen Zeugenaussage – PARASCHA SCHOFTIM

EDIM SOMEMIM, falsche Zeugen: das nicht zu verstehende Gesetz der falschen Zeugenaussage

(Es geht hier um Israel zu der Zeit, als die Sanhedrin, der oberste Gerichtshof im Heiligen Land, noch in Betrieb war).

„und die Richter werden genau überprüfen und verstehe, ist der Zeuge ein falscher Zeuge, hat er gegen seinen Bruder fälschlich ausgesagt, dann werdet ihr gegen ihn vor gehen, als ob seine Absicht war, seinen Bruder zu töten. So werdet ihr das böse aus eurer Mitte entfernen. Und die übrigen werden hören und befürchten und sie werden eine böse tat wie diese nicht nochmals in eurer Mitte durchführen“ (Devarim/Deut. 19:18-20).

Die Thora behandelt im soeben von mir vorgelesenen Zitat den Fall zweier Zeugen, die ein Verbrechen oder eine andere Untat beobachtet haben oder Zeuge eines Darlehns waren. Sie bezeugen vor dem Bejt Din, dem Jüdischen Gericht, zur strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Tat.

Hiernach erscheinen einige andere Zeugen, die behaupten, dass die Zeugen von soeben das Verbrechen oder die Leihgabe nicht hätten sehen können, da diese Zeugen sich zum Zeitpunkt des Geschehens an einem anderen Ort befunden hätten, als sie behaupteten. Die Thora bestimmt nun, dass die ersten Zeugen zum Selben verurteilt werden wie das, was sie den Geladenen durch das Bejt Din hätten auferlegen lassen wollen.

Normalerweise Freilassung

Die Regelnbestimmung bezüglich der Edim Somemim (falsche Zeugen) hat viele Gemüter in Bewegung gesetzt. Normalerweise wird ein Verdächtiger bei gegensätzlichen Zeugenaussagen frei gelassen. Aber in diesem Fall, wo die Thora darauf zielt – er wird im Talmud Makkot erklärt – ist es anders.

Das zweite Paar Zeugen spricht nicht über das Verbrechen. Sie erklären nur, dass die ersten Zeugen nie am Ort des Verbrechens hätten anwesend sein können, da sie durch das zweite Paar Zeugen zum (behaupteten) Zeitpunkt der Wahrnehmung der Handlung an einem anderen Ort gesehen wurden.

Das erste Paar Zeugen wird somit als falsch betrachtet und erhält die Strafe, die es ihrem Opfer hätte auferlegen lassen wollen, dem Verdächtigen. Hätten sie beabsichtigt, den Geladenen zu tausend Euro verurteilen zu lassen, müssen sie jetzt tausend Euro an den Geladenen bezahlen. Da dieses nicht richtig zu erklären ist, wird es als ein Dekret der Thora bezeichnet (Geserat Hakkatuv).

zu tun und nicht, wie er getan hat: schon nur einen Komplott schmieden, war strafbar

Raschi (tausendvierzig bis elfhundertfünf) erklärt zum Passuk „dann werdet Ihr an ihm das Gleiche tun wie er es beabsichtigt hatte, seinem Bruder an zu tun“ das Nachstehende: „So wie er beabsichtigt hatte, zu tun und nicht, wie er getan hat. Hierauf zurückgreifend, sagen die Chachamim (die Weisen): „Haben sie durch ihre Aussage bewirkt, dass die Strafe bereits vollzogen wurde, dann werden sie nicht zur gleichen Strafe verurteilt. Aber wenn eine Falschaussage erfolgte und das Urteil ausgesprochen, jedoch noch nicht umgesetzt wurde, dann erhalten sie die gleiche Strafe, die sie ihm hätten auferlegen lassen wollen!“. Schon nur einen Komplott schmieden, war schon strafbar. Eine schwer verständliche Regelung. Jedoch scheint sich der Thora-Text selbst sehr deutlich aus der Erklärung von Raschi zu zeigen.

Es steht ohne weiteres: „Dann sollst Du an ihm tun, wie er es beabsichtigte, seinem Bruder an zu tun“. Das bedeutet, dass falsche Zeugen nur für die gemeinsame Verschwörung bestraft werden. Sie erhalten keine Strafe, wenn ihre Zeugenaussage tatsächlich zur Bestrafung führte (B.T. Makkot 5b). Es gibt unterschiedliche Erklärungen zu dieser schwer zu verstehenden Vorschrift.

*grosses Risiko – also glaubwürdig

Sehr bemerkenswert ist die Erklärung von Rabbi Ja’akov Zwi Mecklenburg (neunzehntes Jahrhundert). Zu allererst weist er uns auf die Tatsache hin, dass das zweite Paar Zeugen durch sein Behauptung, dass die ersten Zeugen in Amsterdam gewesen seien anstatt am Ort des Verbrechens, Berlin (das bedeutet einen Abstand von mehr 577 Kilometer), ein großes Risiko eingeht. Würden sie nicht die Wahrheit sagen, wäre es für das erste Paar Zeugen ein Leichtes, Menschen zu finden, die sie am bewussten Tag in Amsterdam gesehen hätten.

belastenden Zeugen müssten als Erste die Hinrichtung der Zeugen durchführen

*Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass das zweite Paar, die belastenden Zeugen, als Erste die Hinrichtung (im Falle der Todesstrafe) der durch sie fälschlicherweise beschuldigten – die ersten – Zeugen durchführen müssten. Mit diesen Bedrohungen im Hinterkopf wird das zweite Paar Zeugen sich wohl zwei Mal reiflich überlegen, bevor sie aussagen werden. Vielleicht ist das der Grund, dass dem zweiten Paar mehr Glauben geschenkt wird, als dem ersten Paar Zeugen. Rabbi Mecklenburg betrachtet diese Vorschrift nicht so sehr als eine Strafe, sondern viel mehr als eine präventive Regelung:

„Und die Übrigen/Anderen werden hören und sich fürchten und sie werden nicht nochmals diese oder ähnliche schlechte Tat in deren Mitte dulden oder durchführen“ (Dewarim/Deut. 19:20).