Reuwen verpflanzt Jaakovs Bett ins Zelt von Bilha – Parascha Wajischlach

Reuwen verpflanzt Jaakovs Bett ins Zelt von Bilha – Parascha Wajischlach

PARSCHATH WAJISCHLACH (BERESCHIT/GENESIS  32:4 – 36:43)

Daniel Kahneman hat ein neues Buch im vergangenen Jahr herausgebracht. Es heißt Thinking, fast and slow. Dieser siebenundsiebzigjährige Israelische Psychologe hat auf der Grundlage einer sehr langwierigen Untersuchung angedeutet, dass wie äußerst bizarre Denker sind und sicherlich nicht rational entscheiden.

Es gibt viele intellektuelle Fallstricke.

1.       Um einen Anfang zu machen, wir sind meistens faule Denker. Wir haben Probleme mit neuen, revolutionären Denkmustern. Wir bleiben meistens beim uns Geläufigen. Wir sehen nur die Information, die zu unseren Denkschemen passt (confirmation bias).

2.       Wir verlassen uns darauf, dass wenn wir auf dem Gebiet A gut sind, wir das auch auf dem Gebiet B sind.

3.       Weiterhin wird unser Urteil oft von neuerlichen Dingen beeinflusst, die wir gesehen haben oder denen wir begegnet sind.

4.       Wir leiden oft an chronischer Selbstüberschätzung bezüglich unserer Kenntnisse und unseres Könnens. Und das führt oft zu vollkommen verkehrten Entscheidungen, basierend auf nicht fundiertem Optimismus. Selbstüberschätzung von Menschen in maßgeblichen Macht-Positionen hat zu meist aussichtslosen Kriegen geführt, zu immer wieder Budgetüberschreitenden Projekten und Fusionen, die letztendlich auf nichts hinaus liefen.

5.       Der größte gemeinsame Nenner all dieses intellektuellen Elends ist eine durchgehende schamlose Selbstüberschätzung des in seiner Denkart faulen Menschen. Wir projektieren unsere Ideen und Wünsche auf den Zustand des Anderen und wenden für ihn oder für sie unsere aktuellen, gültigen Maßstäbe an.

Re’uwen verpflanzt Ja’akovs Bett ins Zelt von Bilha

Ich musste daran denken, als ich in der Thora die Geschichte unseres Erzvaters Ja’akov (Jakob) und seines ältesten Sohnes Re’uwen (Ruben) las. Kurz nach dem Tod von Ja’akovs geliebter Frau Rachel, verpflanzt Ja’akov sein Bett ins Zelt von Bilha, der Nebenfrau von Rachel.

Dieses gelang bei Re’uwen, dem Sohn von Lea, in die verkehrte Kehle, denn er empfand, dass seiner Mutter Lea hierdurch nicht genug Beachtung durch Ja’akov zu Teil wurde. Lea sollte die neue Hauptfrau von Jaakov sein. Was tat Re’uwen?

jeder irrt, der meint, dass Re’uwen mit Bilha geschlafen hatte

„Re’uwen ging hin und legte sich zu Bilha“ (Gen. 35:22). Laut dem Talmud irrt jeder, der meint, dass Re’uwen mit Bilha geschlafen hatte. Dieses scheint die wortwörtliche Übersetzung der Thora vielleicht her zu geben, aber das ist eine verkehrte Auslegung. Es wird ihm nur angerechnet, ALS OB er mit Bilha geschlafen hätte. Aber das Einzige, was Re’uwen tat, war, das Bett von Ja’akov zu verschieben. Er beging hiermit einen großen Fehler, das stimmt. Sich in die intimen Angelegenheiten Deiner Eltern ein zu mischen, wird als eine schwerwiegende Übertretung angesehen. Dieses gilt so, wie „bei Bilha liegen“.

Von Inzest war keine Rede

Re’uwen hat in der Tat etwas Verkehrtes gemacht, aber auf eine ganz andere Ebene, als der Leser zu wissen meint. Die Thora ist kein herkömmliches Buch. Sie ist aus der hohen moralischen Ebene geschrieben worden, die G“tt vom Menschen verlangt und erwartet.

Das Urteil ist deshalb oft hart. „Der, der meint, Re’uwen hätte gesündigt, irrt sich“ schreibt der Talmud. Von Inzest war keine Rede. Aber da Re’uwen einen großen Mangel an Achtung vor dem Intimleben seines Vaters Ja’akov und seiner Frau Bilha zeigte, heißt es doch „bei Bilha liegen“. Um Missverständnisse zu vermeiden, wurde dieser Passuk (Vers) früher bei öffentlichen Thora-Vorlesungen nicht übersetzt oder erläutert.

Warum nicht buchstäblich übersetzen?

Wieso weißt der Talmud, dass wir den Passuk (Vers) nicht buchstäblich übersetzen müssen?

Da sofort danach alle Söhne Ja’akovs einheitlich benannt werden: „Die Söhne von Ja’akov waren zwölf an der Zahl“ (35:22 Ende). Alle waren Tzadikkim (aufrichtige, heilige Menschen), so dass die Behauptung oder Meinung, dass Re’uwen mit Bilha Inzest begangen haben soll, nicht haltbar sind.

Re’uwen wird immer noch der Bechor von Ja’akov genannt 

In 35:23 wird Re’uwen immer noch der Bechor (der Erstgeborene) von Ja’akov genannt. Das Einzige, was ihm weg genommen wurde, war das Erstgeborenenrecht in Bezug auf die Zahl der Stämme. Dieses ging auf Josejf über, dem Erstgeborenen von Rachel, da aus Josejf zwei Stämme – Menasche und Ephraim – hervor gingen, die jeder einen eigenen Anteil in Eretz Jisrejl erhielten.

Re‘uwen wurde noch immer unter den Kindern als der Erste gezählt

Was die restlichen Rechte betrifft, blieb Re’uwen der Bechor in der Erbfolge, er behielt das Recht des Tempeldienstes (vergleichbar mit den Vorrechten der Kohanim heutzutage) und Re’uwen immer noch der Bechor (der Erstgeborene) von Ja’akov genannt er wurde unter den Kindern als der Erste gezählt.