SOZIALE FÜRSORGE IST EIN ANLIEGEN VON ALLEN FÜR ALLE! – Parascha Teruma

SOZIALE FÜRSORGE IST EIN ANLIEGEN VON ALLEN FÜR ALLE! – Parascha Teruma

בסייד

Parascha Teruma (Schemot/Exodus 25:1 – 29:19)

Wie kann ich immer mehr geben, anstatt immer mehr zu nehmen?  Wenn wir geboren werden, beginnen wir sofort zu nehmen. Wir bekommen alles von unseren Eltern, von der Nahrung bis zur Kleidung. Als Säuglinge denken wir nur an uns selbst. Nach und nach lernen wir jedoch, zu geben und auch an andere zu denken. Dies ist ein äußerst wichtiger Teil der Erziehung: zu lernen, zu geben, mit den Gefühlen anderer umzugehen und auch an ihre Zukunft zu denken. Das erfordert viel Mühe und Anstrengung, aber es entscheidet über die Qualität unserer Gesellschaft: Inwieweit gelingt es uns, ein fürsorgliches Umfeld zu schaffen? Zumindest in Sedom und Amora ist das nicht gelungen. Nach den Worten unserer Propheten war dies die Hauptsünde von Sedom und Amora: dass sie nicht in der Lage waren, Fremde, Arme und Bedürftige zu unterstützen. Sie dachten nur an sich selbst und führten ein Leben als totale Egoisten. Anderen zu helfen, wurde mit dem Tod bestraft.  

Spenden für wohltätige Zwecke ist Nehmen im spirituellen Sinne

Zu Beginn der Parscha Teruma heißt es bei der Spende von Baumaterialien für den Mischkan, die Stiftshütte, das wandernde Heiligtum in der Wüste, “wejikchu li teruma” – die Bnei Jisrael müssen eine Spende für Mich nehmen. Dies ist ein schwer zu verstehender Ausdruck. Natürlich hätte es eigentlich heißen müssen: ‘wejitnu li teruma’ – die Bnei Jisrael sollen eine Mir Spenden schenken!  

Eine Win-Win-Situation

Die alte jüdische Tradition lehrt uns, dass wir, wenn wir zu guten, G’tt wohlgefälligen Zwecken beitragen, mehr nehmen als wir geben. Natürlich werden wir dadurch körperlich etwas weniger – wenn wir unseren Buchhalter fragen -, aber geistig steigen wir auf der Leiter des spirituellen Gewinns stark auf. Die Spiritualität siegt bei weitem über jede materielle Reduktion. Aber auch letzteres ist falsch. Unsere Weisen erklären unmissverständlich “aser bischwil schetitaser” – gib (mindestens) ein Zehntel deines Einkommens weg, damit du reich wirst. Damit meinten unsere Chachamim (Weisen) wörtlich, dass wir durch Spenden für gute Zwecke auch im physischen Sinne reicher werden. Und das dürfen wir auch ausprobieren. Obwohl wir G’tt im Allgemeinen nicht auf die Probe stellen dürfen, ist dies bei der Tzedaka (Wohltätigkeit) erlaubt. Deshalb ist hier überdeutlich: Spenden ist mehr zurückzubekommen als wegzugeben.  

Reiner Gewinn, ohne sich dafür zu schämen

Aber es gibt auch andere Möglichkeiten, diesen Ausdruck des Nehmens statt Gebens bei der Tzedaka zu verstehen. Wenn ich einem armen Menschen etwas Materielles wie Geld gebe, wird er oder sie im physischen Sinne besser, aber in Wirklichkeit werde ich als Geber in einem psychologischen und religiösen Sinne besser. Ich werde ein besserer Mensch. Ich werde zu einem Gebenden statt zu einem Nehmenden. Und das ist reiner Gewinn, ohne dass ich mich dafür schämen muss. Ich sehe hier ein Gewinnmodell, eine Win-Win-Situation. Der arme Mensch gewinnt gaschmiut, finanziell, der reiche Mensch schießt meilenweit in die Luft ruchnijut, im Verdienst.

Mein himmlischer Kredit ist unantastbar  

Ein Nebeneffekt der Aufstockung meines Kontos in der Himmlischen Kreditbank ist, dass mir dieser spirituelle Verdienst niemals weggenommen werden kann. Die Tzedaka, die ich gegeben habe, werde ich in 120 Jahren direkt nach oben bringen, während der arme Mann sich Gedanken darüber machen muss, wie er die paar Euro, die er von mir bekommen hat, aufbewahren soll, bis er zum Bäcker oder Metzger kommt.    

Viele kleine Spenden sind wirksamer als einige große

Maimonides (1135-1204) schreibt, dass nicht nur die Qualität, sondern auch die Quantität der guten Taten zur spirituellen Erhebung beiträgt. Der Zweck des täglichen Tzedaka-Gebens ist nicht, “mehr zu geben, als man kann”, sondern ein Versuch, unsere Haltung anderen gegenüber zu verbessern. Zu diesem Zweck sind viele kleine Spenden wirksamer als ein paar große. Gerade dadurch wird man zu einem wahren Geber und nicht zu einem Nehmer. Mit ein paar großen Spenden kann man viele Menschen aus der Not retten, aber man ändert nicht seine egoistische Persönlichkeit. 

Durch ständiges Geben – auch wenn es nur kleine Beträge sind – wird man ein Geber. Ständiges Geben verändert unsere Einstellung zum Leben.

Die Freude, mit der jeder arme Mensch empfangen wird  

Eine weitere psychologische Folge der Selbstverwaltung von Tzedaka-Fonds ist die Freude, mit der jeder Arme empfangen wird. Der Verwalter erkennt, dass die ihm anvertrauten Mittel den kollektiven Armen und Tora-Gelehrten gehören. Er gibt dem bedürftigen Teil der Menschheit nur das, was ihm bereits zugefallen ist. Wenn ein Vertreter dieser Gruppe von rechtmäßigen Eigentümern an die Tür des privaten Verwalters klopft, kann er mit einem herzlichen Empfang rechnen, denn der Verwalter möchte, dass die wahren Eigentümer so schnell wie möglich ihr Geld erhalten.

Bekenntnis zur Eigenverantwortung  

Ein letzter psychologischer Aspekt der Selbstverwaltung ist die Bejahung der individuellen Verantwortung für die Linderung der weltweiten Not. Würden die Gelder an einen anonymen Fonds oder eine anonyme Tafel überwiesen, würde sich der großzügige Geber nicht mehr um die Armen und ihr Elend kümmern. Die private Verwaltung macht uns bewusst, dass jeder Einzelne seinen Beitrag zur Verbesserung der Welt um ihn herum leisten muss.

Das Judentum wendet sich gegen eine generelle Übertragung dieser privaten Verantwortung auf eine anonyme Institution wie den Staat. Soziale Fürsorge ist eine Fürsorge von allen für alle!