Vaterschaftstest – Parascha Beschalach

Vaterschaftstest – Parascha Beschalach

Wir haben gerade Ägypten verlassen und sind auf dem Weg zum Berg Sinai, um die Tora zu empfangen.

Mit der Akzeptanz der Tora kamen viele neue Fragen auf, wie z. B. die Frage, wie die Tora den Wert eines DNA-Tests bewertet. Akzeptiert die Tora wissenschaftliche Beweise, zB. in einer Dien Tora, einem Streit vor einem jüdischen Gericht über die Vaterschaft, zum Beispiel im Zusammenhang mit Unterhaltszahlungen und der Pflicht eines Elternteils, für sein Kind zu sorgen?

Wurde eine Straftat begangen, kann der Täter nun durch den Vergleich von DNA-Material aufgespürt werden. In vielen EU-Ländern können Personen, die unter dem Verdacht stehen, schwere Straftaten begangen zu haben, bereits dazu gezwungen werden, eine DNA-Probe abzugeben – obwohl dies einen schweren Eingriff in die Privatsphäre darstellt.

Vaterschaft

In der aktuellen jüdischen Literatur wird auch die DNA-Forschung erläutert. Bei einem Vaterschaftsstreit wird ein biologisches Herkunftsgutachten erstellt. DNA-Tests, die bisher durchgeführt werden können, geben nur Aufschluss über eine mögliche Vaterschaft, aber keine hundertprozentige Sicherheit. Das Prinzip des Herkunftsgutachtens beruht darauf, dass bei den Eltern die erblichen Merkmale ihres Kindes nachgewiesen werden müssen. Ein Mann kann nicht der biologische Vater sein, wenn:

Ihm und der Mutter zwei oder mehr Erbmerkmale des Kindes fehlen, oder:

dem Kind zwei oder mehr Erbmerkmale fehlen, die ihm nur durch den biologischen Vater vererbt worden sein können.

Durchführung der Untersuchung

Grundsätzlich kann das Gutachten auf alle erkennbaren Erbmerkmale zurückgreifen, deren Vererbungsmethode bekannt, vorschriftsmäßig und unkompliziert ist. In der Praxis beschränkt man sich auf die Erbmerkmale in den Blutbestandteilen, da im menschlichen Blut eine Vielzahl von Erbmerkmalen nachgewiesen werden können, welche die oben genannten Voraussetzungen erfüllen. Bei einer solchen Blutuntersuchung werden von dem Kind, der Mutter und dem möglichen Vater Blutproben entnommen, um die Anzahl der Erbmerkmale in ausgewählten, unabhängigen, genetischen Untersuchungen zu bestimmen. Diese können von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein und werden auch Polymorphismen genannt. Diese Tests sind an DNA, Blutzellen, Bluteiweißstoffen und Enzymen durchzuführen. Bei der staatlichen Rechtsprechung in Israel ist die DNA Prüfung zur Vaterschaft als positiver und negativer Beweis akzeptiert. Wenn der Mann sich weigert, eine solche Untersuchung durchführen zu lassen, gilt das als positiver Beweis der Vaterschaft.

Erster Vaterschaftstest

Die früheste Quelle der Blutuntersuchung als Beweis der Vaterschaft wird in dem berühmten Werk von Rabbi Jehuda ha-Chassid, Sefer Chassidim (32:5), im Namen von Rabbi Sa’adia Gaon (10. Jahrhundert) beschrieben. Der Text lautet wie folgt: “Es geschah einmal in der Zeit des gelehrten Rabbi Sa’adia, des Sohnes Josefs, dass ein Herr mit seinem Sklaven nach Übersee zog. Er nahm eine Menge Geld mit und ließ eine schwangere Frau zurück. In Übersee starb er und überließ sein Geld dem Sklaven. Der Sklave nahm das ganze Geld an sich und behauptete, der Sohn des Verstorbenen zu sein. Die zurückgelassene Frau hatte ein Kind. Als das Kind aufwuchs und hörte, dass sein Vater gestorben war, machte es sich auf den Weg, um sein Erbe von dem Sklaven, der nun dort mit einer Tochter eines bedeutenden Bürgers verheiratet war, zu retten. Der Sohn wagte nicht, etwas zu sagen, denn er hatte Angst, dass der Sklave ihn töten würde.

Auf der Rückreise blieb er im Haus des Rabbi Sa’adia, der ihm zu Essen geben wollte. Doch sein Gast weigerte sich zu Tisch beizusitzen, bevor er seine Geschichte erzählte. Rabbi Sa’adia hörte sich alles an und riet ihm, mit dem König zu sprechen. So geschah es. Der König überließ Rabbi Sa’adia das Verfahren. Letzterer gab die Anweisung, dem Sohn und dem Sklaven Blut abzunehmen. Er gab das Blut des Sohnes in eine Schüssel und das Blut des Sklaven in eine andere. Dann nahm Rabbi Sa’adia einen Knochen des verstorbenen Vaters und legte ihn in die Schüssel mit dem Blut des Sklaven. Das Blut wurde jedoch nicht absorbiert. Danach legte Rabbi Sa‘adia den Knochen in die Schale mit dem Blut des Sohnes. Der Knochen absorbierte das Blut des Sohnes. Rabbi Sa’adia entschied dann, dass das Erbe dem Sohn gehört“.

Das Schlagen am Grab

Die Blutuntersuchung des Rabbi Sa’adia Gaon wird auch in den Werken späterer Poskim (halachische Entscheidungsträger) diskutiert, darunter im Seder Eliyahu Rabba (Orach Chaim, Kapitel 568). Der Seder Eliyahu Rabba des Rabbiner Elijahu Schapiro bezieht sich auf eine Episode aus dem Mischna – Traktat Bava Batra (58a), in der es heißt, dass Rabbi Bena’a auch eine Art Vaterschaftstest bei Dutzenden von Kindern gemacht hat, der eher einem psychologischen Test glich.

Der Fall geschah folgendermaßen: Kurz vor seinem Tod hatte ein Vater in einem Testament bestimmt, dass nur sein einziger wirklicher Sohn von seinen zehn Kindern erben solle. Seine Frau gab zu, dass der Vater nur einen eigenen Sohn hatte. Die anderen Kinder hatten andere biologische Väter. Rabbi Bena’a machte einen Test, um herauszufinden, wer der echte Sohn war. Er befahl allen Kindern, auf das Grab ihres Vaters mit Stöcken zu schlagen. Alle machten sich auf den Weg zum Friedhof, bis auf einen Sohn, der, als er von Rabbi Bena’a als wahrer Sohn bestimmt wurde, das ganze Erbe erhalten sollte.

Rabbi Elijahu Schapiro wundert sich, warum Rabbi Bena’a den Bluttest von Rabbi Sa’adia Gaon, aus dem Talmud, nicht verwendet hat. In der Chidushim (Novellae) des Rabbi Schmu’ el Strason, schreibt er eine Antwort auf die Frage des Rabbi Elijahu Schapiro: „Der Bluttest des Rabbi Sa’adia Gaon ist ein schlüssiger Beweis, der im Falle des Rabbi Bena’a bedeuten würde, dass die übrigen neun Kinder Bastarde (Mamserim) seien.“ Rabbi Bena’a wollte nicht, dass sie wegen seines Tuns zum Bastard erklärt werden. Der Test von Rabbi Bena’a war nur eine psychologische Untersuchung, aus der leicht der wahre Sohn zu erkennen war.

Drei Partner

Nichtsdestotrotz schreibt die Scha’aré Uziël(Antwort II: 40:1:18) vor, dass man sich im Falle des Anspruchs auf Alimente nicht auf wissenschaftliche Bluttests verlassen könne, weil unsere Weisen im Talmud sagten: “Es gibt drei Partner, die zur Erschaffung eines Menschen beitragen: G’tt, Vater und Mutter. Der Vater gibt dem Kind die weißen Teile des Körpers, seine Mutter gibt ihm die roten Teile des Körpers und G´tt gibt dem Menschen eine Seele” (B. T. Nidda 31). Laut Scha’aré Uziël verliert jede wissenschaftliche Forschung an Wert, wenn die Ergebnisse im Widerspruch zu Aussagen von Talmud-Gelehrten stehen, durch die die Macht des Ruach HaKodesh (prophetischer Geist) sprach. Aufgrund dieser talmudischen Aussage glaubt Scha’aré Uziëldass das Blut von der Mutter und nicht vom Vater stammt, so dass ein Bluttest nie in der Lage sein wird, die Vaterschaft nachzuweisen. Scha’aré Uziëlist damit nicht allein. Seine Ansicht wird von Rabbi Jehoschua Ahronberg und Rabbi Eliezer Y. Waldenberg, den modernen Jerusalemer Autoritäten, gestützt. Dennoch zeigen mehrere andere Quellen, dass Rabbi Schlomo Salman Auerbach (20. Jahrhundert) glaubte, dass diese Tradition der Erschaffung des Menschen nicht so wörtlich genommen werden sollte und sich jedenfalls nicht auf die Blutgruppen bezieht.

Zwei Lesarten, zwei Meinungen

Die Frage, ob das Blut allein von der Frau oder auch vom Mann stammt, spaltet die Parteien im Schulchan Aruch, falls Kinder infolge der Beschneidung sterben. Nach Annahme von Rabbi Josef Karo (1488-1575) stammt das Blut sowohl vom Vater als auch von der Mutter ab, während Rabbi Moses Isserles eindeutig davon ausgeht, dass das Blut hauptsächlich von der Frau stammt. Chatam Sofer gibt jedoch an, daß es keine Meinungsverschiedenheit darüber gibt, ob das Blut von der Frau kommt, aber daß Rabbi Josef Karo glaubt, daß die Ursache der Säuglingssterblichkeit aufgrund der Beschneidung in einer allgemeinen, körperlichen Schwäche und nicht so sehr an einer Blutkrankheit liegt. Nach einer Aussage unserer Weisen (Mischna Edojot, II: 9) ist der Vater für die körperliche Kraft des Kindes verantwortlich.

Darüber hinaus sollte darauf hingewiesen werden, dass es zwei Lesungen im Talmud, Traktat Nidda, gibt. In diesen wird über die Herkunft des Blutes gesprochen. In einer Lesung heißt es, dass die Mutter für das Rote des Menschen verantwortlich ist, aus dem Haut, Fleisch, Haare und die Pupille im Auge stammen. Blut wird darin nicht erwähnt. In einer zweiten Lesung wird jedoch das Blut im Körper, welches von der Mutter erschaffen wurde, erwähnt. Außerdem sollte zwischen Blut- und DNA-Tests unterschieden werden. Bei Blutuntersuchungen steht die Vergleichbarkeit von Blutgruppen im Vordergrund, während DNA-Tests an Blutbestandteilen durchgeführt werden, die Vergleichbarkeit zwischen Blutgruppen spielt dabei keine Rolle.

Widersprüchliche Befunde

Ich habe Chacham Uziels Meinung aus seiner Arbeit Scha’aré Uziël zitiert, dass wissenschaftliche Forschung, wenn sie im Gegensatz zur jüdischen Tradition steht, ignoriert werden müsse. Es ist interessant, dass es zu diesem Thema unterschiedliche Meinungen gibt. Maimonides (Moré Newuchim I11:14; vgl. Responsa Taschbatz I: 163-165) schreibt, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Talmud-Ära begrenzt waren. Die Weisen übernahmen die Ansichten der Gelehrten aus ihrer Zeit. Wissenschaftliche Erkenntnisse, die im Talmud aufgezeichnet wurden, waren keine Frage von Tradition oder Prophezeiung. Dennoch schreibt Rabbi Jitschak Bar Scheschet (14. Jahrhundert) in seinem Responsa Riwasch (Kapitel 447), dass man sich bei einem Kampf zwischen Talmud und Wissenschaft nicht auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse verlassen kann und deshalb dem Rat unserer Weisen folgen muss.

Zwei Zeugen

In Anbetracht der Blutprobe des Rabbiners Sa’adia Gaon könnte man sich fragen, wie es möglich war, eine solche Blutprobe allein zu bearbeiten, wenn die Tora sagt, dass nur zwei Zeugen glaubwürdig sind. Eine mögliche Lösung für dieses Dilemma ist die Vorstellung, dass die Tora nur dann zwei Zeugen verlangt, wenn Unsicherheit vorherrscht und Fakten geklärt werden müssen. Bei klaren Fakten sind Zeugen sogar überflüssig. Wenn die Probe von Rabbi Sa’adia Gaon tatsächlich wissenschaftlich akzeptiert worden wäre, könnte sie ein schlüssiger Beweis sein, weil die Wahrheit wissenschaftlich bewiesen wurde. Auch im Talmud finden sich verschiedene Beispiele für diese Einschätzung, wie z. B. in Ketubot (16a) und Bechorot (25b), in denen Zeugen als falsch angesehen wurden, wenn ihre Zeugenaussagen gegen die klar erkennbaren Tatsachen gerichtet waren.

Glaubwürdigkeit

In der rabbinischen Literatur des Mittelalters – als die Mediziner noch nicht ihrer Arbeit aus wissenschaftlichen Aspekten nachgingen – gab es viele Diskussionen darüber, ob den Worten der Ärzte getraut werden darf (siehe Tur Jore Dea 187; Pitché Teschuwa Joré Dé’a187:30; Sdé Chemed IX: 5). Chatam Sofer (Responsa Jore Dea 158 und 175) zum Beispiel glaubt, dass es nicht immer möglich ist, sich auf die Einschätzung eines Arztes zu verlassen. Schem Arjé (Responsa Ewen haEzer 112) ist jedoch der Meinung, dass die Ärzte glaubwürdig sind, wenn man ihnen selbst zuschauen kann.

klar erkennbare Tatsachen können als schlüssige Beweise akzeptiert werden

Dies bedeutet, dass klar erkennbare Tatsachen als schlüssige Beweise akzeptiert werden können. Das würde bedeuten, dass Blutuntersuchungen, aus denen zu ersehen ist – basierend auf der Grundlage statistischer Berechnungen, bei denen viele Eltern und Kindern untersucht würden – dass in den allermeisten Fällen die Blutgruppe des Kindes der Blutgruppe eines Elternteils entspricht, sicherlich entscheidend wären. Ein Kind, dessen Blutgruppe nicht der eines Elternteils entspricht, trifft nicht auf die Mehrheit – „rov‘ – der Fälle zu. Die Vaterschaft ist also nicht erwiesen. Wenn dies bereits bei Blutuntersuchungen der Fall ist, so ist dies sicherlich bei den DNA-Tests der Fall, bei denen die statistische Genauigkeit wesentlich höher liegt. Die Annahme, dass das Jüdische Gesetz davon ausgeht, dass ein Kind der Sohn oder die Tochter des rechtlichen Vaters ist, beruht auf der Annahme, dass dies in der Regel der Fall ist.