Zedaka im Laufe der Jahrhunderte

Zedaka im Laufe der Jahrhunderte

Der Brauch, ein Zehntel vom Einkommen abzusondern, reicht Jahrtausende zurück und war bereits bekannt, bevor man von einem jüdischen Volk sprechen konnte.

Die Patriarchen

Der erste Hinweis auf den Brauch zur Absonderung eines Zehntels in der geschriebenen jüdischen Geschichte ist uns begegnet aus der Zeit von Awraham, dem ersten Patriarchen. Die Tora erzählt, dass vier Könige aus dem Osten unter anderem mit den Königen von Sodom und Gomorra Krieg führten. Die vier Könige eroberten und nahmen Lot, Awrahams Neffe, mit. Als Awraham davon hörte, jagte er die Entführer seines Neffen. Er besiegte die vier Könige aus dem Osten, befreite seinen Neffen und brachte die gesamte Kriegsbeute mit zurück.

Danach erzählt die Tora vom Empfang Awrahams im Land Kenaan: “Und Malki Zedek, der König von Schalem, brachte Brot und Wein; dieser war nun ein Priester des höchsten G“ttes. Und er segnete ihn und sprach: Gesegnet sei Awraham von G“tt, der deine Feinde in deine Macht ausgeliefert hat. Und er gab ihm den Zehnten von allem. Der König von Sodom sprach zu Awraham: Gib mir die Personen, und das Gut nimm dir. Awraham aber sprach zum König von Sodom: Ich schwöre bei HaShem, bei G“tt, dem Allerhöchsten, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, nicht einmal einen Faden oder ein Schuhband, ja nichts von eurem will ich nehmen, damit du nicht sagst: “Ich habe Awraham reich gemacht!“ (Bereschit 14:18-23).

Awraham gab Malki Zedek ein Zehntel der Beute von Sodom, der nach dem damals geltenden Kriegsrecht Eigentum von Awraham geworden war, denn Malki Zedek war Priester von G“tt, dem Allerhöchsten. Die irdischen Reichtümer, mit denen Awraham gesegnet wurde, werden vom Ba’alé haTosafot (Bereschit 24:1) als Folge von Awrahams Bereitschaft gesehen, ein Zehntel seiner Einnahmen zu verschenken.

Nach einer alten jüdischen Tradition wusste auch Jizchak, der Sohn von Awraham, vom Brauch, ein Zehntel seiner Einkünfte abzusondern. Dies wird abgeleitet von Bereschit 26:12: “Und Jizchak säte in diesem Land und erwarb in demselben Jahr das Hundertfache”.

Nach dem Midrasch (Bemidbar Rabba 12:11) erstellte Jizchak eine genaue Bestandsaufnahme seiner gesamten landwirtschaftlichen Einnahmen, mit der Absicht, ein Zehntel abzusondern. Interessanterweise sind sich zwei mittelalterliche Gelehrte, Rabbi Awraham ben David (1120-1197) und Maimonides (1135-1204), nicht einig, welcher der beiden Patriarchen als erster seine Einnahmen verzehnte. Letzterer ist in seinem Codex (Jad, hilchot melachim 9:1) der Meinung, dass unser Patriarch Jizchak der erste war, der den Brauch zur Absonderung eines Zehntels von seinen Einnahmen etablierte.

Rabbi Josef Karo (1488 -1575) unterstützt Maimonides in seinen Ansichten und erklärt, dass Awraham nur ein Zehntel von der Kriegsbeute absonderte, während Jizchak zum ersten Mal Zehntel von seinen normalen Einnahmen absonderte. Rabbi Awraham ben David ist jedoch der Meinung, dass Awraham der erste war, der den Brauch für das Absondern eines Zehntels aller Einnahmen einführte.

Als Jaakov, unser dritter Patriarch, Be’er Shewa (Berseba) auf dem Weg zu seinem Onkel Laban in Charan (Haran) verließ, übernachtete er nach Rashi (Bereschit 28:17) am Berg Moria, wo er von einer Leiter träumte, von der die Spitze bis zum Himmel reichte”, auf der die Engel G“ttes aufstiegen und hinabstiegen”. Als er aus dem Schlaf erwachte, sagte er: “Und von allem, was du mir geben wirst, werde ich dir die Zehntel pünktlich geben” (Bereschit 28:22).

Nach (Propheten und Hagiographen)

Als die Tora im Jahre 2448 nach ihrer Entstehung dem jüdischen Volk auf dem Berg Sinai gegeben wurde, wurde die Absonderung des Zehnts Teil des Tora-Gesetzes. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Absonderung im Tora-Text betreffen hauptsächlich landwirtschaftliche Produkte und den Zuwachs des Viehbestandes, wie in Wajikra/Lev. 27:32 geschrieben: “Und alle Zehnten von Rindern oder Kleinvieh… der zehnte von ihnen wird HaSchem heilig sein” und in Dewarim/Deut. 14:22: “Du sollst den gesamten Ertrag der Aussaat, der aus deinem Feld hervorgeht, Jahr für Jahr pünktlich verzehnten”. Im Tora-Text wird nicht ausdrücklich auf die Absonderung von einem Zehnt der finanziellen Einkünfte eingegangen. Nach dem klassischen Talmud-Kommentar Tosafot liegt die Pflicht zur Absonderung des letztgenannten Zehnts im Vers von Dewarim/Deut. 14:22.

In den Propheten und Hagiographen – Newi’im und Ketuwim – werden mehr die moralischen Aspekte von Zedaka betont. In den Pesukim (Versen Dewarim/Deut. 10:17-18): “Für den Ewigen, dein G“tt …. dem Waisen und der Witwe verschafft Recht und beweist dem Fremdling Liebe, indem ihr ihm Brot und Kleidung gebt’ erscheint Zedaka als eine der Eigenschaften des Höchsten Wesens, ein Thema, das den Psalmist näher ausarbeitet: ‘Alle Augen warten auf dich und du gibst ihnen zu gegebener Zeit ihre Nahrung; du öffnest deine Hand und sättigst sie mit Leichtigkeit mit allem, was lebt’ (Tehillim/Psalm 145:15-16) und ‘Ich werde ihre Nahrung reichlich segnen, ich werde ihre Arme mit Brot sättigen’ (Tehillim/Psalm 132:15).

Die Propheten Jesaja und Jechezkiel schildern Zedaka als sine qua non für die Heiligung des Lebens. Jesaja erinnert die Heuchler daran, dass der Tag, dem Haschem gefällt, kein Tag des Fastens mit äußerlichen Zeichen der Trauer ist. ‘Sack und Asche’ sind unzureichend. Ist es nicht dieses Fasten, das ich bevorzuge…. dass du dein Brot für die Hungrigen brichst und arme Wanderer in dein Haus bringst, ja, wenn du einen Nackten siehst, dass du ihn kleidest und dich nicht von deinem eigenen Fleisch und Blut entfernst? Dann wird dein Licht durchbrechen wie die Morgendämmerung….!’ (Jesaja 58:5-8). In Kapitel 16 seiner Prophezeiungen beklagt der Prophet Jechezkiel die Untreue von Jeruschalaim und vergleicht Israels Hauptstadt mit Sodom: “Siehe, das war die Ungerechtigkeit deiner Schwester Sodom: Sie lebte mit ihren Töchtern in Stolz, Fülle und sorglosem Frieden, ohne die Armen und Elenden zu unterstützen” (Jechezkiel 16:49).

In Mischle (Sprüche) wird das Lob der tüchtigen Hausfrau von König Salomo besungen: “Ihre Hand öffnet sie dem Armen, ihre Hände streckt sie dem Bedürftigen entgegen” (31:20), während im gleichen Buch Zedaka mit einem Darlehen an HaSchem gleichgesetzt wird: “Wer sich um die Armen kümmert, leiht an HaSchem; er wird ihm seine guten Taten vergüten” (ebd. 19:17).

Die Tugend von Zedaka und die himmlische Belohnung für dieses Werk der Nächstenliebe kehren im Buch Hiob mehrmals zurück. In seiner dritten Rede ermahnt der Temanit Elifaz seinen Freund Hiob: “Ist deine Bosheit nicht groß und deine Missetaten endlos? Schließlich hast du ohne Grund das Pfand deiner Brüder genommen und den Entblößten die Kleider ausgezogen. Den Matten gabst du kein Wasser zu trinken, dem Hungrigen verweigertest du Brot…. Witwen ließt du leer fortgehen und die Arme der Waisenkinder wurden zerschmettert. Deshalb sind Schlingen um euch herum und hat der Schrecken dich plötzlich verwirrt” (Hiob 22:5-10).

Doch Hiob verteidigte sich: “Denn ich rettete den Unglücklichen, der um Hilfe rief, den Waisen und den, der keinen Helfer hatte. Der Segen derer, die drohten, unterzugehen, kam zu mir, und ich ließ das Herz der Witwe frohlocken” (ebd. 29,12-13).

In späteren Zeiten wurde die Absonderung von Zehnten nicht mehr genutzt. Der Midrasch (Echa Rabbati 1:9) sieht dies in Klage 1:3 angedeutet: “Jehuda ist vom Elend entvölkert”. Mit den Worten ‚durch Elend‘ soll gemeint sein, dass die Schenkung von einem Zehntel des Einkommens außer Gebrauch gekommen ist. Der Zehnte, der für die Armen angesondert werden sollte, verwendete man für sich selbst. Dies, sagt der Midrasch, war das wahre Elend, das zum ersten Exil des jüdischen Volkes im Land Babylon führte.

Nach der wunderbaren Rettung des jüdischen Volkes aus den Händen Hamans erklärte Mordechai, dass während des Losfestes Purim den Armen Geschenke gegeben werden sollten, was die Juden als ewiges Gesetz akzeptierten (Ester 9,20-23).

Die Propheten und Führer der Generation unmittelbar nach dem Bau des zweiten Tempels (um 350 v.d.Z.) waren sich des kausalen Zusammenhangs zwischen der mangelnden Bereitschaft, ein Zehntel des Einkommens abzugeben, und der Zerstörung des ersten Tempels um 420 v.d.Z. bewusst. Sie betonten die entscheidende Bedeutung des Verzehntens. So ruft der Prophet Maleachi seine Mitmenschen im Namen G“ttes zu: “Bringt das ganze Zehntel in den Vorratsraum, damit es in Meinem Haus Nahrung gibt; prüft mich damit, sagt der Ewige der Heerscharen, ob ich nicht die Fenster des Himmels öffnen und Segen über euch ausgießen werde” (Maleachi 3:10).

Nechemia, der damalige Religionsführer, sorgte dafür, dass die gesetzlichen Bestimmungen über die Zehntel strikt eingehalten wurden.

Nach dem Tag der Büße am 24. des Monats Tishri (vgl. Nechemia 9) verpflichteten sich alle Juden, das Toragesetz einzuhalten, was mit einer Urkunde unterzeichnet und besiegelt wurde. Alle ‘verpflichteten sich unter Eid und Schwur, nach dem Gesetz von G“tt‘ zu wandeln (Nechemia 10:29). Ein wichtiger Teil dieses Bundesschlusses waren die Zehnten. ‚Ein Priester, ein Sohn Aharons, soll die Leviten begleiten, wenn die Leviten die Zehnten nehmen, und die Leviten sollen den Zehnten vom Zehnten in das Haus unseres G“ttes bringen, in die Räume des Vorratshauses. Denn die Israeliten und die Leviten werden ihnen die Hebe von Korn, Most und Öl bringen; daselbst bleiben die Geräte des Heiligtums, und die diensttuenden Priester, die Torwächter und die Sänger. Wir wollen das Haus unseres G“ttes nicht seinem Schicksal überlassen” (Nechemia 10:38-39).

Nechemia kümmerte sich auch um die administrative Verwaltung der Abgabe der Zehnten: “An jenem Tag wurden Männer zur Aufsicht ernannt über die Räume der Vorräte für die Abgaben, für die Erstlinge und für die Zehnten, um in ihnen, im Verhältnis zu den Feldern der Städte, die gesetzlichen Anteile für die Priester und für die Leviten zu sammeln; denn Juda freute sich über die Priester und Leviten im Dienst” (Nechemia 12:44). Das Ergebnis seiner Bemühungen blieb nicht aus: “Und ganz Juda brachte den Zehnten von Korn, Most und Öl wieder in die Lagerräume” (Nechemia 13:12).

Talmud

Auch in der Zeit des Talmuds (200-500 d.Z.) wurde die Pflicht des Verzehntens intensiv thematisiert. Eine der Bestimmungen aus diesem Zeitraum ist, dass unter normalen Umständen nicht mehr als ein Fünftel der Einnahmen entnommen werden darf, um die eigene wirtschaftliche Lage nicht zu gefährden (B.T. Ketoewot 50a).

Die Talmudgelehrten gaben eine Obergrenze vor, um einer Haltung entgegenzuwirken, die das Eigeninteresse völlig negiert. Dabei wollten sie vielleicht das Armutsideal ablehnen, das damals in den sektiererischen Kreisen der Essener gefördert wurde. Eine selbstverleugnende Haltung, in der alle irdischen Besitztümer verschenkt wurden, galt im Talmudischen Judentum als zu unrealistisch, um ein allgemeiner Maßstab zu sein.

Während dieser Zeit wurde auch die erlösende Kraft der Mizva der Zedaka niedergeschrieben. Rabbi Jehuda sagt: “Groß ist die Macht (der Mizva) der Zedaka, denn die Zedaka bringt die endgültige Erlösung näher, wie es geschrieben steht (Jesaja 56:1): “Bewahre das Gesetz und tue die Zedaka, denn Mein Heil ist bereit zu kommen und Meine Gerechtigkeit um sich zu offenbarten” (B.T. Bawa Batra 10a).

Nach der Zerstörung des zweiten Tempels wurde betont, dass es eine Alternative zur versöhnlichen Wirkung des Opfers gibt. Rabbi Elazar sagte: “Die Ausübung von Zedaka ist größer als alle Opfer, wie es geschrieben steht (Sprüche 21:3): “Zedaka und Gerechtigkeit üben ist HaSchem wohlgefälliger als Opfer” (B.T. Sukka 49b). ‚Als der Tempel noch existierte, wurde ein Schekel gespendet – als Beitrag zu den Gemeinschaftsopfern und das gab dem Menschen Versöhnung; jetzt, da der Tempel nicht mehr existiert, gibt Zedaka Versöhnung‘ (B.T. Bawa Batra 9a, inhaltlich wiedergegeben).

In talmudischen Zeiten wurden oft Ideen aus den Geburtsstunden des jüdischen Volkes als Grundlage verwendet. Viele Midraschim, die im oder nach dem Entstehen des Talmud niedergeschrieben oder bearbeitet wurden, äußern Ansichten, die bereits bei den Patriarchen lebten. Eine solche Idee ist der religiöse Wunsch, sozusagen direkt unter G“tt’ zu stehen, selbst in den irdischsten und sozialsten Angelegenheiten. In einigen wenigen Midraschim wird der Gedanke, den Awraham vor dem König von Sodom zum Ausdruck brachte, genauer ausgearbeitet.

Belohnung

Eine markante Aussage von Awraham aus dem Text, der am Anfang dieses Kapitels ausführlich zitiert wurde, ist der Teil des Satzes (Bereschit/Gen. 14:23): “damit du nicht sagen kannst: Ich habe Awraham reich gemacht! Menschen wie Awraham wollten ihren irdischen Segen direkt von G“tt und nicht von ihren Mitmenschen beziehen. Religiöse Menschen wollen so weit wie möglich nur von Oben abhängig sein, auch im Bereich des Einkommenerwerbs, der nach (modernen) Wirtschaftstheorien vor allem eine zwischenmenschliche Angelegenheit des Tauschhandels ist. Diese Möglichkeit steht allen offen, und nicht nur gehobenen Persönlichkeiten wie unserem ersten Erzvater.

Wer sich strikt an die Regeln der Zedaka hält, kann sich auf eine großzügige Belohnung in geistiger und materieller Hinsicht verlassen. Wessen Gebete werden zum Himmel aufsteigen und G“ttes Segen hervorrufen? Die Gebete derer, die das Zehnte großzügig austeilen. Die Gebete des Geizhalses, der nicht bereit ist, die Zedaka mit offenen Händen zu verteilen, werden nicht erhört” (Bemidbar Rabba 12:13).

Das jüdische Volk findet in den Augen von G“tt vor allem dadurch Gefallen, dass es die Vorschriften über das Verzehnten des Einkommens beachtet, wie es geschrieben steht (Dewarim/Deut. 14:22 ff.): ‚Du wirst pünktlich verzehnten, Jahr für Jahr (und dann) wirst du essen und dich vor dem Angesicht von Haschem freuen‘.

‚Nach drei Jahren wirst du alle Zehnten deines Erlöses in diesem Jahr bringen und sie in deine Tore legen; dann kommen die Leviten, weil sie weder Besitz noch Erbe bei dir haben, und der Fremde, die Waise und die Witwe, kommen und essen und sättigen sich, damit Haschem, dein G“tt, dich segne in all dem Werk, das deine Hand tut‘ (Dewarim/Deut. 14:28-29).

In den Vorschriften von ma’aser (dem Zehnten) spielt die Tora auf ein Versprechen des materiellen Wohlstands an, das wir in keinem der anderen Gebote finden.

Die Tora zeigt dies in den Worten (Dewarim 14:22) ‚aser te’aser‘, was normalerweise mit ‚pünktlich verzehnten‘ übersetzt wird. Der Talmud (B.T. Ta’anit 9a) sieht in diesem doppelten Ausdruck jedoch ein Versprechen: “aser bischwil schetitascher”- gib einen Zehnten weg, damit du reich wirst. G“tt gibt jedem die Möglichkeit, sich an Seinem Segen zu stärken, anstatt sich von der “Wirtschaft” oder dem zwischenmenschlichen Tauschhandel abhängig zu machen, indem er Zedaka praktiziert.

Aus dem Talmud geht hervor, dass diese Einstellung zum Erwerb von Einkommen noch früher in der Tora zum Ausdruck kommt. Als der Rabe nicht von seinem Auftrag zurückgekehrt war, schickte Noach eine Taube weg, um zu sehen, ob die Sintflut vorbei war. Die Taube flog weg und kehrte mit einem Olivenblatt in ihrem Schnabel zurück (Bereshit 8:11). Als Noach sie fragte, warum sie gerade das Olivenblatt ausgewählt hatte, sagte die Taube: “Ich bevorzuge jede Art von Nahrung aus G“ttes Hand, auch wenn sie so bitter ist wie das Olivenblatt, vor der süßesten Nahrung aus der Hand des Menschen, die ich während der Sintflut in der Arche bekam”. Diese Idee, die schon früh zum religiösen Erbe des jüdischen Volkes gehörte, wurde erst in talmudischer Zeit niedergeschrieben (B.T. Sanhedrin 108a).

Agada

Der agadische Teil des Talmuds beschäftigt sich eingehend mit einigen anderen Aspekten der Zedaka; auch in den Midraschim wird ihr Aufmerksamkeit geschenkt.

In den Jahren der Hungersnot war König Munbaz gewohnt, seine Schätze unter den Armen zu verteilen. Seine Familienmitglieder waren verstimmt: “Eure Vorfahren haben diese Schätze gesammelt und sorgfältig aufbewahrt, während Sie alles verteilen?! Der König antwortete: ‚Meine Vorfahren haben irdische Schätze gesammelt, ich sammle himmlische Schätze, meine Vorfahren haben ihre Schätze an einem Ort aufbewahrt, an dem sie von ihnen gestohlen werden konnten, ich bewahre sie an einem Ort, an den die menschliche Hand nicht gelangen kann. Meine Eltern und Großeltern haben ohne Ertrag gespart, ich investiere in gewinnbringende Projekte. Meine Vorfahren sparten Geld, ich spare Menschenleben. Meine Vorfahren haben ihr Geld für andere aufbewahrt, meine Art des Anlegens ist für mich selbst: sie haben für diese Welt gespart, ich lege Geld für die zukünftige Welt beiseite‘ (B.T. Bawa Batra 11a).

Im Kalla-Trakt wird gesagt, dass Rabbi Tarfon (erste Hälfte des 2. Jahrhunderts d.Z.) sehr reich war, aber relativ wenig an arme Menschen abtrat. Rabbi Akiwa fragte ihn einmal, ob er etwas für eine lukrative Investition in Immobilien übrig hätte. Rabbi Tarfon gab ihm sofort viertausend Goldmünzen. Rabbi Akiwa ging und verteilte das Geld an die Armen.

Einige Zeit später fragte Rabbi Tarfon, was Rabbi Akiwa so mit seinem Geld gemacht hatte. Rabbi Akiwa nahm Rabbi Tarfon an die Hand und führte ihn zum Bet haMidrasch. Dort legte Rabbi Akiwa ihm einen Tehillim vor und las ihm daraus Psalm 112 Vers 9 vor: “Er teilt, er gibt den Armen, seine Gerechtigkeit besteht ewig“. Rabbi Akiwa sagte ihm dann die Wahrheit und sagte: “Das ist die Investition, die ich für dich getätigt habe“.

Rabbi Tarfon stand auf, küsste ihn und sagte: “Mein Meister und Anführer; mein Meister in Weisheit und Anführer in moralischer Hinsicht!“ Danach stellte Rabbi Tarfon seinem Freund noch mehr Geld zur Verfügung, um es unter den Armen zu verteilen (Kalla Kapitel 2).

Astrologen sagten Rabbi Akiwa (1. 2. Jh. d.Z.) einmal voraus, dass seine Tochter an ihrem Hochzeitstag von einer Schlange tödlich gebissen werden würde. Rabbi Akiwa nahm diese Vorhersage ernst und sah den Hochzeitstag seiner Tochter mit Angst und Zittern entgegen. Am Hochzeitstag steckte seine Tochter eine ihrer Haarnadeln in die Wand. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte sie eine Schlange mit ihrer Haarnadel getötet, die sich gerade in dem Loch befand, in das sie die Haarnadel gesteckt hatte. Als sie am nächsten Morgen die Haarnadel herauszog, bemerkte sie die tote Schlange.

Als Rabbi Akiwa davon erfuhr, fragte er seine Tochter, was sie am Tag zuvor getan hatte.

Seine Tochter erzählte ihm, dass sie am Tag zuvor einem armen Mann geholfen hatte: “Gestern Abend bat ein armer Mann an der Tür um ein Almosen. Alle waren damit beschäftigt, die Chatuna (das Festessen nach der Eheschließung) vorzubereiten, und niemand hatte Zeit, ihm zuzuhören. Ich ging dann zu ihm und gab ihm mein Hochzeitsgeschenk, das ich von euch erhalten hatte. Ihr Vater sagte dann: “Du hast eine große Tat vollbracht”. Seitdem predigte Rabbiner Akiwa: “Zedaka rettet nicht nur vor einem unnatürlichen Tod, sondern auch vor dem Tod selbst” (B.T. Shabbat 156b).

Benjamin der Zaddik wurde ernannt, um das Einnahmen der Zedaka-Kasse unter den Armen zu verteilen. Während einer Hungersnot erschien vor ihm eine Frau, die sagte: “Rabbi, gib mir zu essen! Er antwortete, dass es kein Geld mehr in der Zedaka-Kasse gab. Dann sagte sie zu ihm: “Rabbi, wenn du mir kein Geld gibst, werden ich und meine sieben Kinder sterben!’.

Dann gab Benjamin der Zaddik ihr Geld aus der eigener Tasche. Einige Zeit später wurde Benjamin schwer krank, die Menschen fürchteten um sein Leben. Dann sagten die diensttuenden Engel vor Hakadosch Baruch Hu (G’tt): “Herr der Welt, Du sagst, dass jeder, der ein Leben rettet, eine ganze Welt gerettet hat; Benjamin der Zaddik hat das Leben einer Mutter und ihrer sieben Kinder gerettet. Ist es dann richtig, dass er so früh stirbt? Sofort wurde das himmlische Dekret zerrissen (B.T. Bawa Batra 11a).

‚Ein mißgünstiger Mann sehnt sich nach Reichtum; und er weiß nicht, dass ihm Mangel widerfahren wird” (Sprüche 28:22). Es geschah einmal, dass ein Mann pünktlich seine Zehnten abtrat; sein Feld brachte tausend Scheffel, von denen er hundert als sein Zehntel abtrug. Er und seine Familie konnten von der verbleibenden Menge leben. Als er fühlte, dass sein Ende nahte, rief er seinen Sohn und sagte zu ihm: “Mein Sohn, gebe acht auf dieses Feld; es bringt tausend Scheffel hervor, hundert, die ich gewohnt war, den Armen zu spenden, und von den anderen konnte ich immer leben. Der Sohn säte das erste Jahr; das Feld brachte tausend Scheffel ein und hundert davon gab er den Armen. Im nächsten Jahr wollte er nicht mehr so viel abtreten, schließlich hatte er keinen Nutzen aus dem Zehnten, den er verschenken musste. Er glaubte daher, dass er nur einen Zehnt über die neunhundert Scheffel geben musste, die ihm gehören würden.

Im zweiten Jahr trug er deshalb nur neunzig Scheffel ab. Im folgenden Jahr, als er den Ertrag des Landes berechnete, bemerkte er, dass das Feld nur neunhundert Scheffel erbracht hatte, hundert weniger als im letzten Jahr. Da er weiterhin an seinem Prinzip festhielt, den Zehnten nicht über die gesamte Ernte hinweg zu verschenken, beschloss er, den Zehnten um zehn Scheffel zu verringern. Im folgenden Jahr brachte das Feld weitere hundert Scheffel weniger als im Vorjahr ein. Wiederum beschloss der Sohn, seinen Zehnten zu reduzieren. Die Abwärtsspirale wiederholte sich jahrelang, bis das Feld nur noch ein Zehntel der ursprünglichen Menge abwarf.

Als seine Familienmitglieder davon hörten, zogen sie ihren festlichen Kleidern an und besuchten ihn. Der Sohn konnte ihre Festgewänder und glückliche Gesichter nicht ertragen und rief: “Ihr seid hier, um über mich zu lachen! Im Gegenteil, wir kommen, um dir zu gratulieren, denn du hast den Status eines armen Leviten erworben. Bis vor ein paar Jahren warst du der Herr auf deinem Feld und Hakadosch Baruch Hu war (sozusagen) ein armer Levit (G“tt als letztendlicher Almosenempfänger). Jetzt sind die Rollen umgekehrt: Du bist ein armer Levit geworden und Hakadosch Baruch Hu (G’tt) ist der Herr deines Feldes geworden’ (Schemot Rabba 31, siehe Kommentatoren).

Rabbi Jochanan ben Zakkai fuhr einst auf seinem Esel aus Jeruschalaim, gefolgt von seinen Schülern. Unterwegs sah er ein Mädchen, das nach Gerstekörnern zwischen den Exkrementen arabischer Rinder suchte. Als sie Rabbi Jochanan sah, bedeckte sie ihr Gesicht mit ihrem Haar und stellte sich vor ihm. „Rabbi”, sagte sie, “gib mir zu essen“.

„Meine Tochter”, sagte er zu ihr, “wessen Tochter bist du?“ „Ich bin die Tochter von Nakdimon ben Gurion”, antwortete das Mädchen. „Meine Tochter”, fuhr Rabbi Jochanan fort, “was ist mit dem Reichtum aus dem Haus deines Vaters geschehen?“ Das Mädchen antwortete: “Rabbi, kennt man in Jeruschalaim das Sprichwort “das Salz (die Erhaltung) des Geldes ist die Verminderung (davon um des Zedaka willen)?‟.

Dann fragte sie Rabbi Jochanan, “Rabbi, erinnerst du dich, dass du meine Ketuba unterschrieben hast?“ Rabbi Jochanan wandte sich an seine Jünger und sagte: “Ich erinnere mich, dass ich ihre Ketuba unterschrieben habe und dass sie von väterlicher Seite 1.000.000 Goldmünzen erhalten würde und dass ihr derselbe Betrag von ihrem Schwiegervater versprochen wurde“.

Als Ergebnis dieser Episode fragt die Gemara, warum das Vermögen Nakdimon ben Gurion verloren ging. Hat Nakdimon ben Gurion keine Zedaka abgeführt? Haben wir nicht in einer anderen tannaischen Quelle erfahren: ‘Es wurde von Nakdimon ben Gurion erzählt, dass auf der Straße vor ihm Teppiche aus feiner Wolle ausgelegt wurden, wenn er sein Haus verließ, um den Bet-haMidrasch zu besuchen. Er ließ diese teuren Teppiche auf der Straße liegen, danach kamen die Armen und falteten die Teppiche zusammen und behielten sie für sich selbst‘. Sicherlich kann dies als eine Form von Zedaka angesehen werden; mit anderen Worten, wie kann Nakdimons Tochter sagen, dass ihr Vater keine Zedaka gegeben hat?

Die Antwort ist, dass diese Art zu spenden für die Armen demütigend war, weil sie ihren Lebensunterhalt von der Straße aufsammeln mussten.

Auch deutet diese Handlungsweise auf Motive der Selbstverherrlichung hin. Eine andere mögliche Antwort ist, dass Nakdimon ben Gurion zwar Zedaka gespendet hat, aber nicht nach dem, was er hätte tun sollen; ein bekanntes Sprichwort lautet: “Nach der Tragfähigkeit eines Kamels ist die Last, die er zu tragen hat” (B.T. Ketuwot 66b).

Die vorherigen Gedanken und die Prinzipien der gegenseitigen Verantwortung, die der Mizwa von Zedaka zugrunde liegen, werden sogar im Shulchan Aruch (J.D. 247:2 4) erwähnt (obwohl dies im Wesentlichen ein Gesetzbuch ist):

  • Absatz 2: Niemand wird arm, wenn er Zedaka gibt.
  • Paragraph 3: G“tt ist barmherzig zu denen, die barmherzig zu den Armen sind.
  • Absatz 4: Zedaka schützt vor Katastrophen und bereichert den Spender.

In Bezug auf §3 bemerkt Rabbi Mosche Isserles: Man muss bedenken, dass jeder für seinen Lebensunterhalt ständig von G“tt abhängig ist; so wie jeder will, dass G“tt seine Wünsche erfüllt, so muss jeder auf die Wünsche der Armen hören. Es ist auch wichtig zu wissen, dass “ein Rad sich um die Welt dreht” (eine Art zyklisches Muster) und dass jeder Mensch selbst, seine Kinder oder Enkelkinder, eines Tages ganz unten am Rad landen können und die Unterstützung anderer brauchen werden.

Wer anderen gnädig ist, wird von anderen gnädig behandelt.