Zuerst G-ttesfurcht, dann G-ttesliebe
Rabbi Yaron Reuven betont in seinen Vorträgen immer wieder (ich gebe es in eigenen Worten wider):
“Yirat HaShem (G-ttesfurcht) kommt IMMER VOR Ahavat HaShem (G-ttesliebe). Die höchste Stufe von Yirat HaShem, ist die niedrigste Stufe von Ahavat HaShem. Das bedeutet aber nicht, dass man Yirat HaShem überspringen kann, und sofort zu Ahavat HaShem übergehengehen kann, denn:
Yirat HaShem ohne Ahavat HaShem mag unvollständig sein,
aber Ahavat HaShem ohne Yirat HaShem gibt es NICHT.”
Stelle es dir wie bei einem Baum vor, der ohne seine Wurzeln nicht sein kann. Oder wie ein Haus, das ohne das tragende Fundament zusammenbrechen würde.
Chovot HaLevavot erklärt uns dasselbe Prinzip in der Einleitung zu Kapitel 10 (Shaar Ahavat HaShem):
“Häufig stellt die Torah Yirat HaShem vor die Liebe zu Ihm, wie geschrieben steht (Devarim 10,12):
“Und nun, Israel, was verlangt der Ewige, dein G-tt, von dir, als den Ewigen, deinen G-tt, zu fürchten, in allen Seinen Wegen zu wandeln und Ihn zu lieben.”
Und es heißt (Devarim 10,20):
“Du sollst den Ewigen, deinen G-tt, fürchten; und an Ihn sollst du dich klammern.”
Es ist korrekt, Yirat HaShem vor Ahavat HaShem zu setzen, weil [Yirat HaShem] der letzte Zweck und das weiteste Ende der Enthaltsamkeit ist, die wiederum die nächstgelegene Stufe ist, die sich der niedrigsten Stufe der Liebe zu G-tt nähert, und das erste Tor ihrer Tore, und es ist für einen Menschen unmöglich, sie zu erreichen, ohne vorher G-ttes-Furcht (Yirah) und Schrecken (Pachad) zu haben.”
Das Mesillat Yesharim transportiert diese Reihenfolge ebenfalls und lehrt auch, was der Grund dafür ist. So schreibt der Ramchal in Kapitel 6:
“Nach “Wachsamkeit” kommt “Eifer”. Denn “Wachsamkeit” dreht sich um die negativen Mitzvot, während “Eifer” um die positiven Mitzvot kreist. Dies ist, wie geschrieben steht (Tehillim 34,15):
“Vom Bösen lass ab und tue Gutes.”
Auch Kapitel 13 spiegelt dieses Thema wieder:
“Wir stellen fest, dass “Abgrenzung” sich zur “Frömmigkeit” (Chassidut) verhält, wie “Wachsamkeit” zum “Eifer”. Denn bei ersterem geht es darum, “sich vom Bösen abzuwenden”, während es bei letzterem darum geht, “Gutes zu tun” (Tehilim 34,15).”
Bei der Recherche zu diesem Thema, bin ich auch auf folgende interessante Aussage von Rabbi Nachman gestoßen. Dieser lehrt uns in Likutey Moharan 15:
“Echte Yirah (Furcht) ist das Leben mit dem Bewusstsein, dass nur HaShem die Ereignisse unseres Lebens und die Ereignisse der Welt kontrolliert und lenkt. Diese authentische Yirah befreit uns von unbegründeten Ängsten und falschen Sorgen, die dazu neigen, unser inneres Wesen zu dominieren – wenn wir sie zulassen. Dementsprechend befreit uns authentische Yirat HaShem von den Fesseln des Unwirklichen und erlaubt uns, unser wahres spirituelles Potential zu erreichen.”
Spiegelt sich denn nicht das vom Ramchal dargelegte Prinzip im letzten Satz wider? – Wir befreien uns (1.) von den Fesseln des Unwirklichen (durch Wachsamkeit und Abgrenzung) wodurch uns (2.) erlaubt wird, unser wahres spirituelles Potenzial zu erreichen (Eifer und Frömmigkeit).