Cheshbon HaNefesh #3 – Das Geschenk des Intellekts

Cheshbon HaNefesh #3 – Das Geschenk des Intellekts

Wir haben uns bisher mit der Tatsache der eigenen Existenz auseinander gesetzt: (https://judentum.online/cheshbon-hanefesh-1-dankbarkeit-fuer-die-eigene-existenz/).
Ebenso auch mit dem eigenen Körper:
(https://judentum.online/cheshbon-hanefesh-2-dankbarkeit-fuer-den-eigenen-koerper/).
Dieser ist es, welcher der Existenz an sich dabei hilft in der materiellen Welt zum Ausdruck gebracht zu werden.

Aber welche Mittel stehen dem Menschen dafür zur Verfügung?

In Cheshbon #3 rückt Rabeinu Bachya Ibn Paquda nun den Intellekt in das Licht der Betrachtung. Dieser ist es, der diesem Ausdruck Richtung und Tiefe verleiht. So schreibt er:

„Beobachte und mache einen Cheshbon für die große Gunst G-ttes, dass Er den Menschen mit Intellekt und Verständnis und mit vielen guten, edlen und ehrenhaften Eigenschaften beschenkt hat.“

Rabbi Yosef Sebag bringt an dieser Stelle einen interessanten Kommentar von Rabbi Chaim Avraham Hacohen (Pas Lechem Kommentar), der uns lehrt, jedes Wort genau zu lesen:

(und mit vielen guten, edlen und ehrenhaften Eigenschaften beschenkt hat):

Der Begriff “gut” bezieht sich auf den Nutzen für andere… Unter den Eigenschaften des Menschen gibt es einige aus der Klasse “Wohlwollen” wie Großzügigkeit, einige aus der Klasse “edel” wie mit wenig zufrieden zu sein, und einige aus der Klasse “ehrenhaft” wie Demut, denn „..Wer ist ehrenhaft?…” (Avos 4:1). Ich habe von jedem Typ ein Beispiel gegeben, von dem man den Rest ableiten kann.“

Eigene Überlegung:

„…dass Er den Menschen mit Intellekt und Verständnis und mit vielen guten, edlen und ehrenhaften Eigenschaften beschenkt hat“:

Intellekt und Verständnis sind die Mittel, um diese guten, edlen und ehrenhaften Eigenschaften zu formen und zum Erblühen zu bringen, wie es heißt (Mishlei 10,1):

Ein weiser Sohn erfreut den Vater, aber ein törichter Sohn ist der Kummer seiner Mutter.

Ebenso heißt es (Mishlei 14,16):

„Ein weiser Mensch fürchtet und meidet das Böse, aber ein Narr braust auf und ist zuversichtlich. “

Auf diese Reihenfolge machte uns auch Hillel aufmerksam, der sagte (Pirkei Avot 2,5):

„Ein Tölpel kann nicht g-ttesfürchtig sein, ein am ha-aretz (Ignorant) kann kein Chassid (Frommer) sein.“

Rabeinu fährt nun fort zu schreiben:

„Durch diese hat der Mensch eine Überlegenheit über die irrationalen Geschöpfe, wie geschrieben steht (Iyov 35,11):

“Der uns mehr lehrt als den Tieren der Erde und uns weiser macht als die Vögel des Himmels.“

Zum Schluss seiner Ausführungen in diesem Cheshbon gibt uns Rabeinu folgende Illustration:

Stelle dir einen Menschen völlig ohne Intellekt und Verständnis vor. Jetzt stelle dir jemanden vor, der kommt und ihn ermächtigt, Überlegenheit über seinen vorherigen Zustand zu erlangen, indem er ihm zu Intellekt und Verständnis verhilft. 

Würde es für den Beschenkten ausreichen, seinem Wohltäter für den Rest seiner Tage zu danken und ihn zu loben, um ihm seine Hilfe zu vergelten? – Wie viel mehr dann dem Schöpfer, für dessen Gunst an uns es keine Grenze gibt und kein Ende für seine Güte uns gegenüber, wie geschrieben steht (Tehillim 40,6): 
“In großer Zahl tatest Du, Ewiger, mein G-tt, Deine Wunder und Pläne für uns – nichts ist mit Dir zu vergleichen: Wollte ich sie verkünden und davon reden: Sie sind nicht zu zählen.“

In Shaar HaZechira (Das Tor der Erinnerung) von Orchot Tzadikim steht:

„Das Erinnerungsvermögen ist eine sehr erhabene Eigenschaft und es ist ein Instrument, das alle Gebote und die ganze Torah stärkt.“

Nachdem der Autor 3 Verse (Bamidbar 15,39-40; Shemot 13,9; Devarim 16,12) als Beleg für seine Aussage benennt, schreibt er:

„Und da alles vom Erinnerungsvermögen abhängt, muss ich dreißig aufzählen.“

Es trügt nicht, dass uns dies an die Auflistung erinnert, die wir in Shaar Cheshbon HaNefesh vorfinden, denn so heißt in Orchot Tzadikim weiterhin:

„Die Idee, die eigene Weisheit in dreißig Prinzipien zu unterteilen, basiert auf Mishlei 22,20. Dinge, an die du zweimal am Tag denken sollst. Und du sollst sie in der Tiefe deines Herzens und in deinen Gedanken festhalten. Erinnere dich nicht nur mit deinem Mund an sie, sondern schreibe sie auf die Tafel deines Herzens. Dann wird G-tt, gepriesen sei Er, deinen Dienst wohl annehmen und du wirst Gunst und Barmherzigkeit vor Ihm erlangen.“

Rabbeinu Bachya Ibn Paquda beschreibt als ersten Cheshbon die eigene Existenz, auch Orchot Tzadikim listet diese als erste auf. Danach wird in beiden Büchern der Körper in den Vordergrund gerückt, und als Drittes erfolgt der Intellekt.

Und ähnlich der Visualisation, die uns Rabbeinu oben gibt, heißt es in Orchot Tzadikim:

„Die dritte Sache, derer man gedenken sollte, ist die Güte G-ttes, der einem Weisheit und Erkenntnis gab. Denn wäre ein Mensch so verrückt, dass er seine Kleider zerreißen würde, wie schwer wäre das Leben für ihn, und er würde als wertlos betrachtet werden.

Und käme ein Arzt und heilte ihn von seinem Wahnsinn, wie sehr müsste der Geheilte ihn für diese Heilung loben. Umso mehr sollte er den Schöpfer preisen, gepriesen sei Er.“