In letzter Zeit erhalte ich viele Fragen von Gemeindemitgliedern über medizinische Probleme, von denen ich diesen Monat ein spezifisches Verfahren beleuchte. Gen-Bearbeitungstechniken (wie CRISPR-CAS) ermöglichen es, die DNA von Embryonen an zu passen. Dieses bringt viele ethische, philosophische und religiöse Fragen mit sich. Wie betrachtet das das Judentum?
Pflicht aus der Thora zu genesen
Es ist eine Pflicht aus der Thora, zu genesen. Unter genesen verstehen wir auch das präventiv genesen, also bereits im Vorfeld. Ich ziele hiermit auf die genetische Arbeit an die DNA von Embryonen, wenn ein Embryo mit einer Krankheit erblich belastet ist. Im Judentum ist ein langes Leben und bei guter Gesundheit zu leben, außerordentlich wichtig. Also: wenn genetische Veränderungen sicher erfolgen, darfst Du das machen. Und wenn es um Deine eigene oder um die Gesundheit eines Anderen geht, ist mein Standpunkt: dann sollst Du das machen! Es wird eine Mitzwa (ein Gebot) der Genesung. Was kannst Du schöneres und besseres machen, als jemandem seine Gesundheit zurück zu geben?
Die Gen-Therapie kann als eine Art Mikro-Chirurgie angesehen werden. Das ist sicherlich Bestandteil der Pflicht, zu genesen. Aber wenn genetische Bearbeitung dazu benutzt wird, Eigenschaften wie die Körperlänge oder die Farbe der Augen zu beeinflussen, dann würde das Judentum nicht dafür sein. Um zu genesen ist jedoch Vieles erlaubt.
Ich besuchte viele medizinisch- ethische Kongresse, bei denen Mediziner und Rabbiner zusammenkommen, um diese Art von Fragen zu beantworten. Ich bringe einige der vielen Fragen und Antworten, die ich im Laufe der Zeit formuliert habe, auf eine Reihe.
Steht der Jüdische Glaube offen für neue Techniken, um damit Gene zu bearbeiten?
Hier spielen zwei Fragen eine Rolle: Verstößt die neue Methode nicht gegen ein Verbot aus der Thora?
Das zweite, was im Judentum zählt, ist die Frage: Ist es gut für die Menschheit? Mit anderen Worten, lebt jemand länger und lebt jemand gesünder durch eine Behandlung? Kannst Du jemanden heilen, mit so wenig wie möglichem Risiko? Wenn eine Technik gut funktioniert, bist Du verpflichtet, sie zu versuchen. Es sei denn, eine Technik verstößt gegen die Regeln der Thora. Jede neue Behandlungsmethode muss gegen die spezifischen biblischen Verbote und Gebote, wie z.B. Abtreibung, getestet werden.
Was besagt das Judentum zur Anpassung von embryonaler DNA, um Krankheiten vor zu beugen?
Das Judentum folgt der modernen medizinischen Wissenschaft. Es geht darum, wie viele Risiken nun mit der Technik verbunden sind und was das Abwägen zwischen den Vor- und den Nachteilen betrifft. Bei einem zu großen Risiko darfst Du es nicht machen.
Aber es gilt nicht nur, was das Jüdische Gesetz besagt, es liegt auch an dem, was der Patient möchte. Wenn eine experimentelle Medizin das letzte Rettungsmittel von jemandem ist, ist eine Behandlung (unter Bedingungen) erlaubt. Genauso, wie bei einer riskanten Operation: wenn sie misslingt, bist Du tot, aber wenn alles gut geht, lebst Du noch 20 Jahre.
Aber wenn Eltern entscheiden, die DNA ihres künftigen Kindes zu bearbeiten, treffen sie auch eine Wahl für die Nachkommen dieses Kindes?!
Vorab geheilt heißt auch geheilt. Vorbeugen ist besser als heilen. Wenn es also darum geht, das Leben oder die Lebensqualität zu erhalten, dürfen Sie Entscheidungen für Ihre Nachkommen treffen. Es ist nicht nur erlaubt. Du hast die beste Entscheidung für Deine Nachkommen zu treffen. Es ist eine Mitzwa.
Wie können dann Eltern mit der Wahl umgehen, ob sie die DNA eines Embryos anpassen sollten?
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Du solltest Dich über den medizinischen Wissensstand genau informieren. Von diesem solltest Du Dich leiten lassen. Es geht um den Erhalt von Leben: vergrößerst Du die Überlebungschancen Deines Kindes oder nicht? Es geht um die Möglichkeit. Jede Operation, jede Behandlung und jede Medizin hat wieder Nebenwirkungen. Also gibt es immer eine Abwägung: „was ist vorteilhaft und welche sind die Nachteile?“
Und was besagt das Judentum zur Anpassung der DNA eines Embryos, um ein Kind zu verbessern?
Es besteht ein Unterschied zwischen Genesung und Bestellung, also Auftragserteilung. Wenn eine Eigenschaft eine Überlebungsfunktion hat, kann und sollte sie aus Jüdischer Perspektive gesehen, erfolgen. Aber wenn sie keine Überlebungsfunktion hat, ist sie nicht so ohne weiteres ok. Wenn Menschen ein Kind mit sechs Fingern bestellen, damit dieses ein Klaviervirtuose wird, finde ich das sicherlich nicht wünschenswert.
Du darfst genetische Bearbeitung auch nicht missbrauchen. Du darfst zum Beispiel nicht die Gehirntätigkeit eines Kindes dahingehend verändern, so dass Du einen menschlichen Roboter erschaffst, der gewissenlos morden kann. Das erscheint mir so eindeutig wie nur möglich.
Unter Aschkenasischen Juden gibt es oft eine Anzahl von Krankheiten. Die Taaischleimkrankheit und Tay Sachs zum Beispiel. Junge Heranwachsende werden dazu geraten, bevor sie eine Ehe schließen, sich untersuchen zu lassen, ob sie genetisch zu einander passen. Wie geht das?
Kinder zu bekommen ist sehr wichtig. Es handelt sich um die Fortsetzung des Lebens. Paare können, bevor sie heiraten, ihr jeweiliges Blut auf eine Anzahl von Krankheiten untersuchen lassen. Jede(r) erhält eine Nummer und der Computer zeigt dann auf: Ihr seid aus der errechneten gesundheitlichen Verträglichkeit unbedenklich oder nicht. Paare haben dann die freie Wahl, einander wohl oder nicht zu heiraten. Die Untersuchungen der DNA erfolgen vollständig anonym und es wird nicht gesagt, was der Grund sei, wenn eine Verbindung nicht gut ausfällt. Sonst würde die gesamte Familie ein Merkmal erhalten.
Um mehr über die Sicherheit von Gen-Bearbeitungstechniken zu erfahren, ist es erforderlich, menschliche Embryonen Untersuchungen zu unterziehen. Was sagt das Judentum hierzu?
So etwas hat durch die Schoa (den Holocaust) einen negativen Beigeschmack. Aber – unter Berücksichtigung von allem Für und Wider – sind doch viele Dinge erlaubt, um Krankheiten vor zu beugen und um sie zu heilen. Zum Beispiel dürfen Embryonen nicht für wissenschaftliche Untersuchungen speziell geschaffen werden. Aber wenn sie dann doch schon mal auf der Welt sind, wenn sie zum Beispiel nach einer IVF-Behandlung übrigbleiben, sind mehr Dinge erlaubt. Die Embryonen befinden sich noch nicht in der Gebärmutter und haben noch keine menschliche Gestalt. Gemäss jüdischem Gesetz beginnt die Aufgabe des totalen Schutzes der sich entwickelnden physischen Früchte erst im Mutterleib. Im Reagenzglas hat der Zellklumpen noch nicht den gesamten rechtlichen und tatsächlichen Schutz, den ein Mensch hat. Es gibt dort also etwas mehr Möglichkeiten.
Wie begutachtet das Judentum neue Technologien allgemein?
Wir führen viele Lern- und Lehr-Zusammenkünfte durch: wir lernen dann zusammen mit jungen und alten Menschen. Wir stellen einander die Frage: ist diese Art des Eingreifens für die Menschen gut? (Siehe auch die weltweite Diskussion um Gen-Manipulation, wie bei Gen-Mais oder bei Gen-Getreide).
Welche Zwecke oder Absichten sollten wir ablehnen? Setzen wir uns auf den Thron G“ttes? Dürfen wir bei Menschen eingreifen, die noch keine anständige und ausreichend begründete Meinung formulieren können? Müsste in diesem Fall ein beauftragtes Familienmitglied oder der behandelnde Arzt die Entscheidung treffen“.
Und bist Du nicht mit embryonalen DNA-Anpassungen dabei, Dich auf den Thron G“ttes zu setzen?
Wir meinen, dass G“tt Selbst von Seinem Thron heruntergestiegen ist und den Menschen im Buch Exodus damit beauftragt hat, genesend ein zu greifen. G“tt möchte, dass Menschen sich gut entwickeln. Also machen wir das. Und dazu dürfen wir die Natur und moderne Technik für gute Endziele nutzen. G“tt möchte menschlichen Fortschritt. Wir haben in G“tt keinen Feind, der befürchtet oder befürchten könnte, dass Menschen IHN übertreffen. Das ist anders als in der griechischen Mythologie, in der Prometheus das Feuer der Götter stiehlt. Die griechischen Götter befürchteten damals anschließend, dass die Menschen mächtiger als sie selbst werden könnten. Prometheus wurde für seine Tat schwer bestraft.
G“tt möchte jedoch, dass die Menschheit vorankommt. Er gab dem ersten Menschen, Adam, das Element Feuer und lehrte ihn, damit um zu gehen. Das Gleiche gilt für die medizinischen Kenntnisse. G“tt gebietet uns, diese zu verwenden um zu heilen und um zu helfen. Mens sana in corpore sane…ein Mensch in einem gesunden Körper kann G“tt besser dienen.