Viele Synagogen boten nur eingeschränkt Zugang, sodass sich die Frage stellte, ob die Menschen Megillat Esther, die Esther-Schriftrolle, über Zoom lesen dürften. Darüber wurde schon viel gesprochen.
Doch auch weitere, nicht immer ernste Fragen werden aufgeworfen. Der israelische Rabbiner Gamliel Rabinowitz diskutierte zum Beispiel mit mir darüber, ob man die »Schlachmones«, das Essen für Freunde, oder die Matanot La-Ewjonim, die Spenden für die Armen, per Drohne zu Freunden oder zu den Häusern der Armen bringen lassen kann. Meine Meinung ist: Bei den Schlachmones geht es auch darum, die gegenseitige Freundschaft zu stärken. Wenn ein Affe es kann – wie von Rabbiner Salomon Braun in seinem Buch Shearim metsuyanim ba-halakhah erörtert –, kann es auch eine Drohne!
Die Poskim (Gelehrten) aus dem vergangenen Jahrhundert haben überlegt, ob man die Pflicht zum Hören der Megilla erfüllen kann, wenn man den Ba’al Kore (Vorleser, Kantor) nicht direkt, sondern über ein Hörgerät hört. Viele erlaubten es, durch ein Hörgerät der Megilla zuzuhören. Daraus könnte man schließen, dass die Megilla auch telefonisch vorgelesen werden kann.
Diese Schlussfolgerung ist jedoch falsch: Die Poskim sprachen von mechanischen Schallverstärkern wie einem großen »Horn«, die die Schwerhörigen an ihr Ohr hielten. Beim Telefon werden die Schallwellen des Ba’al Kore in elektrische Wellen umgewandelt und beim Empfänger zu Hause wieder in Schallwellen umgewandelt. Auf diese Weise hört man die Stimme des Ba’al Kore selbst nicht über das Telefon. Daher ist das telefonische Lesen der Megilla nicht gestattet.
Und schon gar nicht über Zoom, denn Zoom ist für die Sprache und nicht für Musik gemacht. Nun ist die Lesung – das Lejnen – aus der Megillat Esther zwar nicht Musik im engeren Sinne, aber dennoch nicht sehr gut über Zoom übertragbar. Oft ist auch die Verbindung nicht stabil.
Ich habe diese Angelegenheit mit Dajan Menachem Gelley, dem Vorsitzenden des Londoner Beit Din, besprochen. Er erklärt, dass es einige Gelehrte gibt, die das Lesen der Megilla durch ein elektronisches Medium erlauben. Wie in der Halacha, dem jüdischen Recht, üblich, kann man sich im Notfall auf diese Meinung einiger weniger verlassen.
Auch wenn es nach der konventionellen Halacha eine ernsthafte Frage ist, ob man mit einem solchen »Hören« eine Mizwa erfüllt hat, sollte man in einer Situation, in der keine andere Möglichkeit zur Verfügung steht, zumindest auf diese Weise die Mizwa erfüllen. Wenn es allerdings nicht möglich ist, die Synagoge zu besuchen, und es ebenfalls nicht möglich ist, die Megilla zu Hause aus einer koscheren Schriftrolle zu lesen oder zu hören, dann sollte man über Zoom oder ein ähnliches Medium hören, wie die Megilla »live« rezitiert wird, im Gegensatz zu einer Aufnahme. Das ist besser als nichts.
Aber diese Regelung sollte nicht mit der Nutzung von Zoom verwechselt werden, das nicht verwendet werden darf, um einen Minjan für das Beten, die Toralesung oder das Kaddisch zu bilden. Dabei wird ein Minjan von zehn physisch anwesenden Männern erfordert, während die Megilla-Lesung keinen Minjan erfordert.
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Können wir also an Pessach mit Zoom gemeinsam mit unseren Großeltern im Altersheim Mazze und Maror essen und die vier Becher Wein trinken? Nein! Die widerwillige Erlaubnis, die Megilla über Zoom zu lesen, hat keinen Einfluss auf die Frage, die vor fast einem Jahr bezüglich des Einsatzes von Zoom am Pessach-Sederabend aufkam, da sich das Verbot damals auf die Melacha (verbotene Tätigkeit der Verwendung von elektrischen Geräten) am Festtag, bezog. Purim hingegen fällt immer auf einen Wochentag, und die Jom-Tov-Gesetze gelten nicht an Purim.
Dürften wir die Megilla also im Radio hören, wenn ein Sprecher sie im Studio liest? Ja! Wir wurden auch gefragt, ob man die Megilla im Freien mit einem Mikrofon verstärken oder im Autoradio hören kann, wenn eine konventionelle Live-Lesung nicht möglich ist. Wir halten das Mikrofon für besser als das Radio und beides für besser als Zoom.
G‘tt sei Dank ist die Corona größtenteils vorbei und die Synagogen sind wieder geöffnet, so dass wir an Purim 5782 nicht mehr auf all diese “Erleichterungen” angewiesen sind und die Mitzwa des Lesens der Megillat Ester auf die schönste Weise erfüllen können.
Vor einigen Jahren richtete ein israelischer Soldat eine Frage an mich: Er konnte sich nicht für beide Megilla-Lesungen beurlauben lassen. Zu Purim sollte man die Megilla zweimal lesen und hören, einmal am Abend und einmal am Tag. Die Abendlesung ist obligatorisch, aber nur »Mide Rabbanan«, als Verpflichtung der Rabbiner. Die Morgenlesung ist jedoch verpflichtend aufgrund der Megillat Esther, die einen höheren Status hat, weil diese Verpflichtung im Tanach, der Hebräischen Bibel, steht.
Aber in den letzten Jahren war diese Frage der Wahl wieder hochaktuell. Synagogen haben eine sehr begrenzte Kapazität. Mitglieder einiger jüdischer Gemeinden können ihre Synagoge an Purim nur einmal besuchen – wenn überhaupt. Und dann müssen sie sich zwischen dem Abend oder dem Morgen entscheiden.
Der Gelehrte Zwi Aschkenasi aus dem 18. Jahrhundert, der den Spitznamen »Chacham Zwi« trug, wählte die Morgenlesung, weil sie in Bezug auf das halachische Gewicht am wichtigsten war. Die Morgenlesung ist verpflichtender. Rabbi David ben Zimri (1479–1589) ist jedoch der Meinung, dass man in solchen Fällen nicht so sehr auf die Verpflichtung aus dem Tanach achten sollte, sondern eher auf die nächstmögliche Verpflichtung, obwohl sie möglicherweise leichter ist.
»Mizwot sollten so schnell wie möglich erledigt werden und nicht aufgeschoben werden«, und daher muss man die Erlaubnis für die erste Mizwa beantragen, die zu erledigen ist, in diesem Fall Kriat Hamegilla am Abend. Soweit ich weiß, ist diese Meinungsverschiedenheit in der Praxis nicht entschieden. Jeder kann wählen, welcher Meinung er oder sie folgt. Purim sameach – ein frohes Purimfest!