בסייד
Parscha Ki Teze (Dewarim/Deuteronomium 21:10-25:19)
„Sondern den Erstgeborenen, den Sohn der Gehassten, muss er anerkennen, ihm nach Verhältnis von zweien zu geben von allem, was bei ihm vorhanden ist; denn er ist der Erstling seiner männlichen Kraft, ihm gehört das Erstgeburtsrecht” (Dewarim/Deut. 21:17).
►Dies bedeutet, dass der Erstgeborene einen doppelten Anteil vom Erbe seines verstorbenen Vater erhält. Angenommen, es gibt fünf Söhne, dann wird das Erbe in sechs Teile geteilt und: der Bechor (Erstgeborene) erhält zwei Sechstel. Die anderen Brüder erhalten alle je ein Sechstel. Maimonides hält dieses Gebot in seinem Kodex fest (Nachalot/Erbe 2:1).
Im Laufe der Jahrhunderte tauchte die Frage auf, ob man nach der Halacha das Erbe auf andere als die in der Thora vorgeschriebene Weise aufteilen darf. Dies gilt sowohl für die Fragen, ob man dem Erstgeborenen seinen doppelten Anteil vorenthalten, oder auch ob man auch Töchtern ein Erbe geben darf.
Im Rahmen dieser Parscha wollen wir uns nur mit der Frage befassen, ob wir die Regel des doppelten Erbanteils des Erstgeborenen beeinflussen und verändern dürfen. Ist es halachisch gerechtfertigt, das Erstgeburtsrecht zu ändern? Und wie sieht es mit der ethischen Seite der Angelegenheit aus?
►Ist eine Angleichung der Erbanteile möglich?
Änderungen an seinem Erbanteil können mit Zustimmung des Erstgeborenen vorgenommen werden. Wenn der Bechor erklärt, dass er keinen doppelten Anteil braucht, verliert er sein Privileg. Eine einzige Erklärung oder ein einziger Erlass reicht aus, um seine privilegierte Stellung zu verlieren. Aber auch der Vater kann dieses Privileg des Erstgeborenen auf verschiedene Art und Weise verändern.
►Kein direkter Verstoß gegen die Thora-Vorschriften
Der Vater, der sein Erbe auf andere Art und Weise als in der Thora vorgeschrieben, regeln will, sollte darauf achten, dass er nicht direkt gegen die Thora-Vorschriften verstößt. Obwohl die Thora für finanzielle Angelegenheiten im Allgemeinen nur Richtlinien vorgibt; gilt der Wille der Parteien im Allgemeinen als wichtiger. Dies trifft allerdings auf das Erbrecht nicht zu. Die Regel für Vererbung wird als “chok” bezeichnet, eine Regel, die nicht geändert werden kann.
Wenn der Vater sagt: “Mein Erstgeborener soll nicht den doppelten Anteil zwischen seinen Brüdern erben”, dann hat diese Aussage keinen Sinn, denn damit würde er direkt gegen die Thora-Vorschrift verstoßen: „… kann er nicht zum Erstgeborenen machen den Sohn der Geliebten angesichts des Sohnes der Gehassten, des Erstgeborenen; sondern den Erstgeborenen, den Sohn der Gehassten, muss er anerkennen“ (Dewarim/Deut, 21:16-17).
►Ein Vater kann jedoch den Nachlass zu Lebzeiten oder kurz vor seinem Tod oder sogar noch auf dem Sterbebett anders aufteilen. Er darf aber nicht gegen das Erbrecht verstoßen. Er kann also weder einen rechtmässigen Erben enterben noch dem Bechor seinen zuständigen doppelten Erbanteil des Erbes unmittelbar entziehen.
Was er tun kann, ist, alles (direkt an die Erben) vor seinem Tod zu verschenken. Niemand kann diese Schenkung rückgängig machen (obwohl die Gelehrten dies nicht für gut hielten). Der Mensch kann zu Lebzeiten frei über seine Güter verfügen.
Die Quintessenz ist, dass man sein Erbe zu Lebzeiten so aufteilen kann, wie man es für richtig hält, aber man muss aufpassen, dass man keine Formulierung verwendet, die dem Wortlaut der Thora direkt widerspricht (d.h. man kann das Erbe nicht ändern).
►Ethisch verantwortlich?
Die nächste Frage ist, ob es auch ethisch zu verantworten ist, an den Thora-Vorschriften für das Erbrecht, Änderungen vorzunehmen. In der Thora steht sogar, dass dies unverantwortlich ist. Die Thora sagt ausdrücklich, dass man den Sohn der geliebten Frau nicht dem Sohn der verhassten Frau vorziehen darf. Im Talmud wird dies noch erweitert. Die Tora spricht nur über das Recht der Erstgeburt. Der Talmud erwähnt jedoch eine Diskussion zwischen Schmu’el und Rav Yehuda.
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Schmu’el sagte zu Rav Yehuda: “Schlaukopf, schließe dich nicht denen an, die das Erbe von einem Sohn auf einen anderen Sohn übertragen, auch wenn sie einen guten Sohn einem schlechten vorziehen” (B.T. Bava Batra 133b).
►Im Laufe der Jahrhunderte sind viele Versuche unternommen worden, die Thora-Vorschriften mit abweichenden Wünschen der Erblasser zu verbinden. Rabbi Schimon ben Tsemach Duran (der RaSCHBaTS) weist darauf hin, dass manche Eltern einen Erbanteil nach eigenem Ermessen aufteilten und einen anderen Erbanteil nach dem Thora-Vorschriften vererbten, damit den Thora-Vorschriften Recht erwiesen wird (Jore De’a 3:147).
►Die Lage in Israel
In Israel weicht das israelische säkulare Recht von der Halacha ab. Alle Kinder erben gleichermaßen. Das Bait Din (Rabbinatsgericht) kann nur dann eine Vererbung nach dem Erbrecht der Thora vornehmen, wenn alle Parteien damit einverstanden sind. Hier zeigen sich die Unterschiede zwischen den halachischen und den säkularen Regeln deutlich.
Das Problem dabei ist, dass die Thora-Regeln nicht dem modernen Verständnis des Erbrechts entsprechen. Es ist möglich, das Erbrecht nach der Thora in die moderne Gesetzgebung einfließen zu lassen, um beiden gerecht zu werden.
Verschiedene Abgeordnete des israelischen Parlaments versuchten, die Widersprüche aufzulösen. Im Jahr 1948 haben die Oberrabbiner Herzog und B.Z. Uzi’el dafür mehrere Vorschläge gemacht, um die Gesetzeslücke zu schließen. Letztlich ist dies aber alles gescheitert, was sehr bedauerlich ist.
►Im Cheschwan 5709 schlug Oberrabbiner Herzog vor, dass der Erstgeborene, der im Bait Din vor dem Tod des Erblassers nicht vorgetragen hat, dass er auf seinem Recht als Erstgeborener und dadurch auf einen doppelten Erbanteil besteht, so angesehen wird, als habe er auf seinen Vorteil als Bechor (Erstgeborener) verzichtet. Dieser Vorschlag stützt sich auf die Meinung der Kezot hachoschen (Choschen Mischpat 278:13), dass durch diese stille Zustimmung eine Möglichkeit geschaffen wird, das Erbe zu gleichen Teilen unter den Kindern aufzuteilen. Wenn der erstgeborene Sohn jedoch klar zum Ausdruck bringt, dass er nicht auf seine Rechte verzichtet, kann der Erbe jederzeit ein Testament verfassen, in dem er dieses Recht auf den doppelten Anteil durch Schenkung aufhebt. Aber auch der Vorschlag von Oberrabbiner Herzog scheiterte im Parlament.
►Erstgeburtsrecht heutzutage
Wie geht ein Deutsche Vater mit dem Privileg des Erstgeborenen um? Man kann den Rechten des Bechors auf zwei Arten nachkommen:
1) Wir können den Thora-Vorschriften folgen und uns keine weiteren Gedanken machen, denn wir können die G-ttliche Weisheit nicht begreifen. Die einzige Möglichkeit, sie zu erfüllen, besteht darin, die Thora-Vorschriften zu den vorgeschriebenen Zeiten pünktlich zu befolgen. Man sollte dann einen Rabbiner konsultieren, wie man dies mit dem deutschen Erbrecht vereinbaren kann, damit die Kinder später – nach dem Tod des Vaters – nicht in Schwierigkeiten geraten. Das ist durchaus möglich, erfordert aber viel halachisches Fachwissen.
2) Ein anderer Ansatz besteht darin, die Thora-Vorschriften an die Regeln der Moderne anzupassen. Maimonides (1140-1205) erörtert dies in seinem philosophischen Werk “Der Führer der Unschlüssigen” (More Nevuchim 3:41): “G-tt wusste, dass die Gebote der Thora immer gelten sollten. Auch an anderen Orten als im Nahen Osten und unter anderen politischen und gesellschaftlichen Umständen. G-tt hat vorausgesehen, dass die Menschen die Thora-Vorschriften abändern wollen, sie manchmal reduzieren und manchmal ausweiten würden. Deshalb warnt die Thora, dass ihre Gebote weder reduziert noch ausgeweitet werden dürfen, denn durch die Änderung der Thora-Vorschriften verliert die Thora ihren G-ttlichen Charakter.
Wenn die Thora dem menschlichen Verstand erlauben würde, das Gesetz anzupassen, würde dies zu einer Spaltung der Gedanken und zu verschiedenen neuen Vorschriften führen”, fürchtet Maimonides um die Einheit des Gesetzes, wenn man es an alle möglichen zeitlichen, lokalen, politischen und gesellschaftlichen Umstände anpasst.
►Das Thora-Gesetz passt selten genau in die Sichtweise der Menschen. Das Gesetz verliert seine G-ttliche Kraft, wenn der Mensch beginnt, es zu “stutzen”. Maimonides ist der Ansicht, dass der Sanhedrin (der oberste Jüdische Gerichtshof) die einzige Behörde ist, die kleine und vorübergehende Änderungen an den Thora-Vorschriften vornehmen kann, weil nur sie in der Lage ist, den G-ttlichen Inhalt des Thora-Gesetzes zu bewahren.
Maimonides ist grundsätzlich der Meinung, dass die Thora perfekt an alle Zeiten und Orte angepasst ist und niemals geändert werden muss, räumt aber ein, dass einige Anpassungen innerhalb des Thora-Gesetzes möglich sind. Es ist sicherlich möglich, das Thora-Gesetz mit modernen Ansichten in Einklang zu bringen, aber dies erfordert eine tiefe religiöse Überzeugung und ein hohes Maß an Klugheit.
Fragen Sie Ihren Rabbiner. Fragen Sie in jedem Fall eine halachische Autorität, wie das Erbe aufgeteilt werden kann oder sollte.