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Die Juden verschliefen absichtlich!!?? – Schawuot

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Die Juden verschliefen absichtlich!!?? – Schawuot

In der Tora (5. Mose 4, 32–33) bringt Mosche seine feste Überzeugung zum Ausdruck, dass die Übergabe der Tora an die Israeliten am Berg Sinai etwas nie zuvor Dagewesenes war: »Ist so etwas jemals passiert, oder wurde so etwas jemals gehört? Haben andere Menschen jemals die Stimme G’ttes mitten im Feuer sprechen hören, wie ihr es gehört und überlebt habt?«

Schawuot, das jüdische Wochenfest, das an diesem Donnerstagabend beginnt, feiert die Annahme der Tora auf dem Sinai vor mehr als 3000 Jahren durch die Israeliten. In der Interpretation dieses Prozesses schließe ich mich Rabbiner Jonathan Sacks an, der ihn so erklärt hat:  Zunächst wurde ein politisches Gremium geschaffen, eine von G’tt geführte Nation von Bürgern mit einer schriftlichen Verfassung (der Tora) und einer einzigartigen Mission – ein Königreich der Priester und ein heiliges Volk zu sein«.

Dies bedeutete, dass die Tora der Ausübung von Macht moralische Grenzen setzte. Damit wurde zum ersten Mal das Gesetz über die Macht gestellt. Jeder Tyrann war daran gebunden, jeder Despot konnte gerügt werden. Ganz zentral ist meiner Meinung nach: Damit hatte jeder das Recht, unmoralische Befehle zu missachten.

Frühzeitige Demokratien, zum Beispiel Athen, gewährten nur den Mächtigen und Reichen politische Rechte. Frauen, Fremde, Kinder und Sklaven hatten keine Teilhabe. In Westeuropa erhielten Frauen erst im 20. Jahrhundert Stimmrechte.

Doch G’tt konsultierte zuerst die Frauen. Die Formulierung: »So sollt ihr zum Haus von Jakow sagen« (2. Mose 19, 3) wendet sich dezidiert an das weibliche Geschlecht. Unsere Verfassung schließt alle ein; Staatsbürgerschaft ist bei uns etwas Universelles. Es hat Tausende von Jahren gedauert, bis wir hier in Westeuropa so weit gekommen sind.

Schawuot, das Fest der Tora, ist also die perfekte Gelegenheit, sich mit sehr grundlegenden Fragen zu befassen. Das Festhalten an der Tora wird manchmal als das Geheimnis des jüdischen Überlebens bezeichnet. Die Tora ist der größte gemeinsame Nenner, der die Menschen zusammenhält.

Eine historische Analyse spricht für diese These: Eine gemeinsame Heimat fehlte den Juden seit fast 2000 Jahren. Und auch zu Zeiten ihres Bestehens hatten die jüdischen Reiche nie bedeutende militärische oder politische Macht. Selbst im Goldenen Zeitalter von König David oder Salomo wurde Israel von Reichen wie Ägypten, Assyrien und Babylonien attackiert.

Das Judentum hatte weltweit auch keine gemeinsame Sprache. Schon in biblischen Zeiten wurde Hebräisch als Umgangssprache durch Aramäisch ersetzt. Teile des Tenachs, ein Großteil des Babylonischen Talmuds und der ganze Sohar wurden auf Aramäisch verfasst.

In den Tagen von Sa’adja Gaon (892–942) und Maimonides (1140–1205) sprachen die meisten Juden Arabisch, während später Jiddisch, Russisch oder Englisch und auch Deutsch vorherrschten.

Während der langen Zeit der Diaspora gab es auch keine gemeinsame einheitliche Kultur oder Küche. Erst in unseren Tagen wird die große kulturelle Kluft zwischen dem aschkenasisch-europäischen und dem sefardisch-orientalischen Judentum in Israel allmählich auch sprachlich überwunden.

Die endlose Reihe von Verfolgungen und Pogromen führte zu einer vorrangig negativen Identifikation mit der eigenen Gruppe. Die verbindende Inspirationsquelle hingegen waren Tora und Tradition, für die viele Juden sogar bereit waren, ihr Leben zu geben.

Unser Anderssein im Glauben und Handeln, unsere geistige Unabhängigkeit ist nicht unsere Schwäche, sondern unsere Stärke. Der heidnische Prophet Bileam sah das richtig: »Siehe, ein Volk, das getrennt lebt; es wird nicht zu den Nationen gezählt« (4. Buch Mose 23,9). Nur so können wir ein »leuchtendes Beispiel« für die Nationen sein.

Im Judentum ist geistiges Wachstum das höchste Ziel. Auserwählt zu sein, ist kein Privileg, sondern eine Verantwortung. Am Fuße des Berges Sinai wurde die Tora bedingungslos angenommen. Die Israeliten sagten: »Na’asse Venischma« – zuerst werden wir es tun, später können wir die Gebote verstehen.

Auf den ersten Blick scheint dies ein unlogischer Ansatz zu sein. Normalerweise möchten wir Aufträge enthalten können, bevor wir sie ausführen können. Das Judentum zeichnet sich durch eine parallele Sicht auf den Menschen aus: Spirituelle Konzepte werden oft durch körperliche Prozesse veranschaulicht.

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Damit der Körper richtig funktioniert, müssen zuerst Nahrung und Sauerstoff aufgenommen werden, bevor man einen Einblick in den Verdauungsprozess und die Atmung erhält. Das Studium von Nahrung und Sauerstoff kann Nahrung und Atmung nicht ersetzen.

Gleiches gilt für die »jüdische Neschamma« (Seele): Wenn sie gesund bleiben soll, müssen wir zuerst die Zutaten nehmen, die unser Schöpfer am besten kennt und die im »Tora-Rezept« vorgeschrieben sind. Nur dann können wir auf geistige Genesung hoffen.

All die verschiedenen »jüdischen« Kulturformen sind schön und gut, aber ohne eine solide Grundlage ist unsere Kontinuität nicht garantiert! Schawuot, das Fest der Tora, weist im Gegensatz zu anderen Festen keine konkrete Symbolik auf, weil der Kern von Religion und Tora rein spirituell ist.

Das ist das oberste Bestreben des Judentums und muss es auch bleiben. Deshalb gibt es so viele verschiedene Bräuche. Sie unterstreichen tiefere Hintergründe von Schawuot – wie etwa der »Tikkun Leil Schawuot«, die Lernnacht an Schawuot.

Denken wir noch einmal an die historische Situation zurück. Wir standen am Fuße des Berges Sinai: Donner und Blitz; das monumentalste Ereignis in der Geschichte der Menschheit wird sich bald vor Hunderttausenden erwachsener Zeugen entfalten. Aber wo ist das jüdische Volk? Was für ein Scherz: Ausgerechnet an dem Tag, an dem die Israeliten auserwählt werden sollten, hatten sie verschlafen! (Midrasch Rabba Schir Haschirim 1:2).

Eine Überlieferung sagt: Die Juden verschliefen absichtlich, weil sie dachten, sie könnten Haschems Offenbarung im Schlafzustand besser erfassen als im Wachzustand. Im Wachzustand kann unser Bewusstsein nur Sinneserfahrungen verarbeiten. Im Schlafzustand können wir manchmal etwas von den höheren Welten erfassen. Die meisten Propheten sahen Visionen nur in ihren Träumen. Denn wenn wir träumen, erhalten wir einen Einblick in die himmlischen Sphären.

Die Juden wollten diese einmalige Sinai-Erfahrung so umfassend wie möglich »mitnehmen« und dachten, sie würden gut daran tun, die Nacht über zu schlafen. Doch Mosche Rabbenu weckte sie, weil das Wesen des Judentums nicht aus schwebenden und verträumten spirituellen Reflexionen besteht. Das Judentum ist eine Religion der wachen Realität und sollte inmitten des vollen Lebens verbreitet werden.

Um die fehlerhafte Herangehensweise unserer Vorfahren zu korrigieren, lernen wir die ganze Nacht von Schawuot über Texte aus der Tora und anderen Quellen.

Weitere Bräuche (Minhagim) an Schawuot sind: Wir essen Milchgerichte, und Käsekuchen steht ganz oben auf der Speisekarte. Dieser Minhag enthält eine tiefe Symbolik: Der Zahlenwert des Wortes »Chalaw« (Milch) ist 40 in Bezug auf die 40 Tage, die Mosche auf dem Berg Sinai verbracht hat.

Bis zur Übergabe der Tora am Sinai aßen die Juden unreine und nicht koscher geschlachtete Tiere. Nach dem Sinai waren ihre Fleischutensilien treife geworden. Sie hatten keine andere Wahl, als Milchgerichte zu essen.

Zudem: Am 6. Siwan, dem Datum von Schawuot, wurde Mosche von der ägyptischen Prinzessin Batja, der Tochter des Pharaos, aus dem Nil gerettet. Doch Mosche weigerte sich, an der Brust ägyptischer stillender Mütter Milch zu trinken. Er trank nur die Milch seiner Mutter Jochewed.

Die Synagogen sind an Schawuot mit Blumen und Pflanzen geschmückt. Dies hat auch eine tiefere Bedeutung: nämlich eine Anspielung auf den Schilfkorb, in dem Mosche von seiner Mutter versteckt wurde. Mosche wurde am 7. Adar geboren. Seine Mutter konnte ihn drei Monate lang vor ägyptischen Soldaten zu Hause verstecken. Am 6. Siwan – dem selben Datum, an dem die Tora 80 Jahre später gegeben werden sollte – legte sie ihn in den Nil.

Das Grün in der Synagoge ist auch eine Erinnerung an den Berg Sinai, der damals mit viel Grün bedeckt war. Heute wächst auf dem Sinai so gut wie nichts mehr. Alles gedieh nur durch G’ttes Gegenwart. Eine Lektion für die Ewigkeit: Nur durch G’ttes Gegenwart können wir unser menschliches Potenzial voll ausschöpfen!

Und um auf den Anfang zurückzukommen: G’tt fragte die Juden am Sinai, ob sie Sein Volk sein wollten. Daraus lässt sich ableiten: Verwaltung und Regierung werden nur mit Zustimmung des Volkes ernannt. Ohne sie gibt es keine legitime Ausübung von Macht, selbst wenn sie der Schöpfer von Himmel und Erde sein sollte. Denn ohne die Zustimmung des Volkes hätte die Offenbarung nicht stattgefunden.

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