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Die Tora und unser Umfeld: Europawahl

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Die Tora und unser Umfeld: Europawahl

Die Tora wurde nicht nur allein für uns in die Welt gebracht. Wir leben nicht in einem Vakuum. Indem wir unser wichtiges biblisches Fest Schavuot, das Wochenfest, bereits im Weitblick wahrnehmen (Erev Schawuot ist an Schabbat, 08. Juni 2019), drängt sich regelmäßig die Frage auf, was die Tora für einen modernen Menschen in einem nichtjüdischen Umfeld tatsächlich bedeutet.

Die Tora ist keine Einbahnstraße und nicht einseitig bezogen. Auch der nichtjüdischen Gesellschaft legt die Tora Regelungen auf, die in den sieben Noachidischen Geboten kurz zusammengefasst wurden. Die Tora ist universell und beinhaltet Lebensvorschriften für die gesamte Menschheit. Der holländische Jurist Hugo de Groot (17. Jahrhundert) bezeichnet die Noachidische Gesetzgebung als die Quelle für das internationale Recht. Schavuot ist das Fest der Tora-Gesetzgebung. Was ist laut der Tora der Inhalt der Gesetzgebung für alle Weltbürger?

Dinim – der Rechtstaat

Auf nationaler und auf europäischer Ebene ist das Gebot des „dinim“ – der Organisation eines Rechtstaates – von großer Wichtigkeit und zu diesem Zeitpunkt in der europäischen Politik außerordentlich aktuell – denke an das neue Europäische Grundgesetz – bezüglich der Frage, wie die Halacha (das Jüdische Gesetz) das säkulare Recht betrachtet bezw. damit um zu gehen gedenkt.

Interessante Prüfsteine bilden das Europäische Grundgesetz und – im Einzelfall – zum Beispiel die wortwörtlichen „deals“ mit Kriminellen, über die in vielen Rechtstaaten Gegebenheiten entstanden sind und die auch in der Europäischen Gesetzgebung einen Platz finden und bekommen werden. Wie wir auch die neuen Mitgliedstaaten von Europa betrachten, ein Europäisches Grundgesetz ist als Ergebnis des Begriffes „dinim“ eine gute Sache. Wenn in ganz Europa ein solches Rechtgefüge gültig würde, mit redlichen Berufungsmöglichkeiten und einem zentralen Europäischen Gerichtshof, würde die Tora diesem nur noch zujubeln.

Deals mit Kriminellen

Und was würde das Noachidische Gesetz von den berüchtigten Deals mit Kriminellen halten? Deals mit Verbrechern sind so alt wie der Weg nach Rom. Viele Politiker meinen, dass die Justiz und die Untersuchungsbeamten eine Bandbreite benötigen und dass auch die Polizei muss können geben und nehmen. In Italien wurde diese Art von Deals lange Zeit als wichtig für das Funktionieren der Demokratie betrachtet. Es war das „Bessere von zwei Schlechten“.

Das Noachidische System würde das jedoch nicht erlauben, da die Unparteilichkeit der Obrigkeit und seiner Institutionen, als die Verantwortlichen für die Einhaltung des Gesetzes, ins Gerede kämen.

Die Grenze der Toleranz

Es überwiegt jedoch das Gefühl, dass die Grenze des Erlaubten und Tolerierten erreicht sei, da die unabhängigen Richter außen vor gesetzt wurden. Dieses bildete einen Angriff auf die unabhängige Stellung der und auf die Ehrerbietung für die richterliche Macht. Die Staatsanwaltschaft droht ein Staat im Staate zu werden. Die Normenstellung ist verloren gegangen, es entsteht eine Unsicherheit darüber, wer wofür verantwortlich sei. Die Obrigkeit hat die Kriminalität zurück zu drängen, ohne selber Bestandteil des kriminellen Milieus zu werden.

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Die Aushöhlung des Strafrechts bildet ein großes Risiko für den Rechtstaat, der die Bürger auch gegen Ermittlungsbeamten zu beschützen hat, die es mit den Grundrechten der Bürger nicht so genau nehmen. Zudem wird an der Zuverlässigkeit der – ebenfalls oft kriminellen – Kronzeugen ernsthaft gezweifelt. In manchen Prozessen hatte der sogenannte „Kronzeuge“ mehr auf seinem Kerbholz als der Geladene.

Maimonides und Nachmanides

Maimonides (1135-1204, Ägypten) erarbeitete das Noachidische Gebot, um eine Rechtsordnung zu erstellen, zu zwanzig Prinzipien näher aus. Hierunter fällt das Gebot oder die Anweisung, Zeugen gründlich zu überprüfen und die Verbote, Befugnisse zu überschreiten oder die Bevorzugung der einen oder der anderen Partei in einer Verhandlung. Laut Maimonides dürfen die Völker jedoch selber entscheiden, was gerecht und ungerecht sei. Das Noachidische Gesetz verlangt lediglich formale und keine inhaltlichen Sicherheiten zum Funktionieren des Rechtstaates.

Nachmanides (1194-1270, Spanien) widerspricht. Laut ihm steht es Regierungen nicht einfach zu, inhaltlich neue Rechtsanfänge ein zu führen. Nachmanides besagt im Prinzip, dass jede Rechtsordnung auch inhaltlich dem Recht der Tora zu ähneln hat. Auch der berühmte Rabbiner Moshe Isserles (1520-1572, Polen) spricht sich sinngemäß dafür aus: das Talmudische Zivilrecht und das Noachidische System unterscheiden sich nur, wenn der Talmud dieses ausdrücklich vorgibt.

Autorität am Gerichtshof

Neben der Rechtsordnung besteht auch das Bedürfnis, die öffentliche Ordnung zu gewährleisten und die Sicherheit der Bürger und der Güter zu überwachen. Längst nicht jeder Angriff auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit sind strikt juristisch nach zu vollziehen. Die Beauftragten für die öffentliche Ordnung – die Regierung – werden im Jüdischen Gesetz mit weitgehenden Befugnissen ausgestattet. Die öffentliche Autorität ist weniger streng an Beweisvorschriften und Strafmaße gebunden, als die richterliche Macht. In Rechtstaaten unterliegen beide Befugnisse – die Rechtsprechung und die öffentliche Autorität – der Kontrolle des Parlaments, das festlegen muss, wo die Grenzen des Rechtstaates erreicht sind.

Zerstörerischer Angriff

Eine Antwort auf die Frage, wie die gegenwärtige Krise laut Jüdischen Maßstäben zu beurteilen sei, ist nicht einfach zu geben. Die globale Rechtgrundlage für die Noachidische Gesetzgebung lautet: die Handhabung und die Optimierung der offenbaren- und Rechtordnung (jischuw und tikun olam). Wenn das Strafrecht ausgehöhlt wird, es eine Krise in der Autorität und in der Verantwortung besteht, durch Polizei und Justiz an Normen gezerrt wird, der Rechtstaat sich selber zu sehr in das kriminelle Milieu verstrickt und die unabhängigen Richter bewusst außen vor gelassen werden, dann ist tatsächlich die Rede eines zerstörerischen Angriffs auf das Ziel und auf die Leitlinien des Rechtsystem.

Aus Jüdischer Sicht und Empfinden ist die Verwendung von Zeugenaussagen Krimineller, die es selber nie so genau mit der Wahrheit und der Rechtsordnung nehmen, noch das Schlimmste. Obwohl laut Maimonides bei der Handhabung der öffentlichen Sicherheit  weniger strenge Beweisregeln gelten als innerhalb der zivilen Rechtsprechung – dem normalen Rechtsweg – ist die Grenze des Zumutbaren erreicht.

Dina damalchuta dina – auch das Recht des Staates muss und soll Recht bleiben. 

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