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Zählen von Juden und Volkszählungen

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Zählen von Juden und Volkszählungen

In den Jahren 1961, 1972 und 1983 führte das Israelische Amt für Statistik (Israel Central Bureau of Statistics) im Auftrag der israelischen Regierung Volkszählungen durch. Es ging jeweils darum, die genaue Anzahl der Einwohner Israels herauszufinden, um demographische und wirtschaftliche Schlussfolgerungen zu ziehen und entsprechende Dienstleistungen anzupassen und zu verbessern.

Zwischen den zeitgenössischen Rabbinern entbrannte eine hitzige Debatte, ob es überhaupt erlaubt sei diese Volkszählungen durchzuführen bzw. ob man daran teilnehmen dürfe oder nicht.

Aus welchem Grund könnte es verboten sein, Volkszählungen des jüdischen Volkes durchzuführen und worum geht es bei dieser Debatte?

Volkszählungen sind uralt und werden schon in der Tora erwähnt (siehe Schmot 30:11), jedoch mit einem kleinen Unterschied: Anstatt die Menschen normal zu zählen, brachte jeder einen halben Schekel und die Anzahl der gespendeten halben Schekel wurde gezählt, um herauszufinden, wie viele Menschen das jüdische Volk zählt. Den Grund für diese ungewöhnliche Art und Weise zu zählen, gibt G‘tt selbst, dass wenn man Juden normal zählt, dann wird es eine Epidemie geben. 

Somit haben wir eine Quelle aus der Tora, dass wenn man Juden direkt zählt, ohne ein Mittel dafür zu verwenden, dann riskiert man eine Epidemie zu verursachen. 

Im Tanach (Schmuel 2, Kap. 24) wird über König David berichtet, welcher dieses Verbot entweder vergaß oder sich darin irrte und das jüdische Volk normal zählte, ohne etwas anderen dafür zu verwenden. Darauf folge eine schreckliche Epidemie, welcher viele Menschen zum Opfer fielen.

Im Talmud (Yuma 22a) steht, dass es nicht nur gefährlich ist Juden direkt zu zählen, sondern es ist verboten, sogar für den Zweck einer Mitzwa und so legt es der Rambam in seinem Gesetzeskodex „Mischne Tora“ (Hilchot Tmidim 4:4) fest. 

Aus den genannten Quellen wird deutlich, dass sich dieses Verbot nicht nur auf die Zählung des gesamten Volkes beschränkt, sondern auch bei der Zählung eines kleinen Teiles besteht.

Warum aber ist es so gefährlich Juden direkt zu zählen?

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Dafür gibt es zwei Erklärungen, eine eher Spirituelle und eine (fast) Rationale:

Rabbenu BeChai (1255-1340, spanischer Rabbiner und Kabbalist) und der Sforno (1475-1550, italienischer Rabbiner und Philosoph) erklären, dass solange das jüdische Volk als Gesamtheit betrachtet wird, gilt für sie der generelle Schutz von G‘tt, auch wenn sie es angesichts ihrer Taten nicht verdienen. Sobald sie aber gezählt und als Individuen betrachtet werden, dann wird jeder einzeln gerichtet und es ist sehr schwer den hohen Ansprüchen des himmlischen Gerichts gerecht zu werden.

Der Abarbanel (1437-1508, jüdischer Philosoph, Politiker und Finanzier im Dienst der Könige von Spanien und Portugal) und der Ralbag (1288-1344, französischer Philosoph und Talmud-Gelehrter) sind der Ansicht, dass es eine rationale Erklärung für diese Gefahr gibt. In der jüdischen Liturgie wird öfters „Ain HaRa“ (wörtlich Böses Auge) erwähnt (siehe Brachot 20a, Sota 36b und Baba Batra 118a) und  ihrer Meinung nach ist folgendes damit gemeint: Das menschliche Auge strahlt eine gewisse Energie aus und wenn diese negativ angewendet wird, kann es tödlich Konsequenzen haben. Wenn man Juden zählt, kann es zu Ain HaRa kommen, weil es Menschen gibt, welche das jüdische Volk hassen und beneiden.

Die richtige und erlaubte Art und Weise wie man Juden zählen darf, ist einen Gegenstand dafür zu verwenden, so wie es in der Tora der Fall war. Zum Beispiel, wenn man wissen will, ob es schon genug Teilnehmer für einen Minyan gibt, dann kann man die Kippot o.Ä. zählen, anstatt die Menschen direkt zu zählen.

Jedoch gibt es eine große Meinungsverschiedenheit zwischen den Poskim (halachischen Autoritäten), ob dies immer erlaubt ist oder nur wenn die Zählung für einen bestimmten Zweck ist. Wir folgen der Meinung, dass ein Zweck dafür nötig ist, auch wenn ein Gegenstand dafür verwendet wird.

Manche zeitgenössischen Rabbiner wollten die Volkszählung in Israel erlauben, weil dabei nicht das gesamte Volk gezählt wird, denn es gibt auch zahlreiche Juden, welche außerhalb von Israel leben. Aber dieses Argument wurde nicht angenommen, weil, wie schon erwähnt, besteht dieses Verbot auch wenn man nur einen Teil des Volkes zählt. 

Große Rabbiner, wie der Ziz Eliezer (Rabbi Eliezer Yehuda Waldenberg 1915-2006) und Rabbi Ovadya Yosef (1920-2013, sefardischer Oberrabbiner von Israel) erlaubten diese Volkszählung, weil Menschen dabei nicht direkt gezählt wurden und es einen Grund dafür gibt. Somit werden beide Bedingungen, eine Volkszählung zu erlauben, erfüllt. 

Die Eida HaCharedid (orthodoxes Beit Din) und Rabbi Mosche Sternbuch, ihr Oberhaupt, weigerten sich jedoch die Volkszählung zu erlauben und kamen mit einem offiziellen Statement heraus, dass es verboten ist. Mögliche Gründe dafür sind, dass eine Zählung auf Papier bzw. Computer als direkt gilt, weil kein Gegenstand verwendet wird oder dieser Zweck gilt in ihren Augen als nicht wichtig genug, um eine Volkszählung zu rechtfertigen.

Demnach ist die Frage, ob man eine Volkszählung in Israel durchführen bzw. daran teilnehmen darf, davon abhängig, welcher Meinung man folgt. Einerseits gibt es große Rabbiner, welche es erlauben, andererseits wurde es vom orthodoxen Bet Din verboten. Die israelische Regierung führte weitere Volkszählung 1995 und 2008 durch und verlässt sich dabei anscheinend auf die Meinung derer, welche es erlauben.

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