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DEMONSTRIEREN ODER BETEN?

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DEMONSTRIEREN ODER BETEN?

 בסייד           

PURIM, Losfest 5783

 Verkleiden zeigt G’ttes Finsternis an

Kinder und Erwachsene verkleiden sich an Purim (Losfest). Dies ist nicht nur ein schöner Volksbrauch, sondern hat eine tiefe Bedeutung. Die Verkleidung symbolisiert die G’ttes

Finsternis, die den Hintergrund für das historische Purim bildete. Die Ester-Rolle – Megillat Ester – ist das einzige Buch im TaNaCh, der Bibel, in dem der Name G’ttes nicht vorkommt. Dies wird von den Erklärern des TaNaCh als Folge der Tatsache gesehen, dass G’tt sich in den Tagen von Mordechai und Ester und vom jüdischen Volk zurückgezogen hatte.

Im Talmud (B.T. Chulin 139b) findet sich ein Hinweis darauf in dem Namen Esters, der selbst “verborgen” bedeutet: “Wo finden wir in der Tora einen Hinweis auf Ester? In dem Vers (Deut. 31:18) ‘Ich, sagt G’tt, werde Meine Gegenwart an jenem Tag verbergen wegen all des Bösen, das die Menschen getan haben, weil sie sich fremden Götter zugewandt haben’.

Historischer Hintergrund

Die Ester-Rolle beschreibt das erste große Exil des jüdischen Volkes. Im Jahre 422 v.  wurde der erste Tempel von Nebukadnezar zerstört. Die Juden wurden nach Babylonien exiliert. Das babylonische Reich dauerte nicht lange an. Kaum hatte Belsazar den Thron bestiegen als Cyrus auf der Bühne der Weltgeschichte erschien. Nach Siegen in Kleinasien machte er sich rasch auf den Weg in die Hauptstadt Bawel, wo Belsazar trotz der drohenden Belagerung ein großes Fest feierte. Wein wurde aus goldenen und silbernen Fässern gegossen, die Nebukadnezar aus dem Tempel von Jerusalem mitgenommen hatte.

Inmitten des Festes erschienen plötzlich einige hebräische Worte, von Hand geschrieben, an der Palastmauer. Der Prophet Daniel wurde gerufen, um den Text zu entziffern: „Mene mene tekel u-parsin- G`tt hat gezählt die Tage Deiner Königsherrschaft und sie beendet. Du wurdest auf der Waage gewogen und für zu leicht befunden. Zerteilt wird Dein Königreich und den Persern und Medern übergeben“; Rembrandt hat diese Szene wunderschön verewigt. In derselben Nacht wurde G’ttes Wort wahr: Cyrus nahm Babylonien in Besitz, das als Provinz in das Reich der Medern und Persern eingegliedert wurde.

Wiederaufbau

Cyrus – über den Jesaja bereits zwei Jahrhunderte zuvor prophezeit hatte, dass er den Tempel wieder aufbauen würde – gab den Juden bereits in seinem ersten Regierungsjahr die Erlaubnis, in ihre Heimat zurückzukehren und den Tempel wieder aufzubauen. Er befahl den verbliebenen Juden, ihre Brüder in Israel finanziell zu unterstützen. Viele Tempelgefäße wurden zurückgegeben. Bei dieser ersten “Alija” kehrten etwa 50.000 Menschen, angeführt von Zerubawel, ins Heilige Land zurück. Kurze Zeit später folgten weitere. Mit großer Geschwindigkeit sammelten sie so viele Baumaterialien wie möglich für den Wiederaufbau des Tempels. Doch leider musste dieser gestoppt werden, als die Samariter die Juden am Hof von Cyrus’ Nachfolger Achaschwerosch denunzierten: Nach dem Wiederaufbau würden die Juden ihre Loyalität zum persischen König aufgeben und ihre Unabhängigkeit erklären.

Depression

Relativ wenige Juden wanderten nach Israel ein. Die überwiegende Mehrheit blieb zurück, Zweifler und Verzweifelte, die verwirrt und besorgt darüber waren, was G`tt von ihnen gewollt hatte. Das jüdische Volk fühlte sich zersplittert und gespalten, verstreut über das riesige Reich der Meder und Perser. Das Tora-Studium lebte wieder auf, aber viele fragten sich, ob G`tt sich noch immer mit seinem Volk verbunden fühlte Nach der Vertreibung aus Israel fühlten sie sich von G’tt im Stich gelassen, wie es im Talmud (B. T. Sanhedrin 105a) heisst: “Hat eine Frau, die aus dem Erbe ihres Mannes vertrieben wurde, noch etwas mit ihrem Mann zu tun?

Vor diesem bedrückenden Hintergrund begann die Verfolgung der Juden. Genau wie jetzt gingen die Juden nicht in das Land der Väter, weil sie in vielerlei Hinsicht in ihrem Exil Recht hatten.

Demonstrieren oder beten

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Wir wenden uns nun der Notlage des jüdischen Volkes nach Hamans Dekret zu. Die Frage, vor der Mordechai, Ester und andere Anführer des jüdischen Volkes standen, war, wie mit dieser Form des Antisemitismus umzugehen sei. Kämpfen und demonstrieren oder beten und Buße tun? Sie wählten den religiösen Kurs, weil sie der Meinung waren, die Ursache für Hamans Dekret sei die Trennung zwischen G’tt und seinem Volk. Diese Abtrennung musste erst einmal korrigiert werden. Sobald Mordechai auf Hamans `Ausrottung’ aufmerksam wurde, zerriss er seine Kleider, trug Sack und Asche, und ging so – laut und bitter klagend – durch die Stadt. Überall im riesigen Reich folgten die Juden dem Beispiel Mordechais: Buße, Fasten, Weinen und Klagen; umhüllt mit Sack und Asche. Die Menschen wandten sich zu G’tt um Hilfe.

Mordechai ließ Ester berichten, was geschehen war. Durch den Boten Hatach befahl er ihr, zum König zu gehen und im Namen ihres Volkes zu bitten: “Bilden Sie sich nicht ein, dass Sie nur vor allen Juden fliehen können, weil Sie sich im Palast des Königs befinden. Denn wenn Sie in dieser Zeit schweigen, wird das Heil für die Juden von der anderen Seite kommen. Wer weiß, ob Sie nicht gerade angesichts dieser Zeit die Königswürde erhalten haben”.

Ewige Botschaft

Zu Beginn des zweiten Kapitels des Traktats Megilla der Mischna (Mündliche Lehre) heißt es: “Wenn jemand die Ester-Rolle umgekehrt liest, hat er seine Pflicht nicht erfüllt”. Der Ba’al Schem Tov (1700-1760) gibt diesem Regeln eine neue Bedeutung mit seiner Aussage, dass dies bedeutet, dass jemand, der die Ester-Rolle mit dem Gedanken liest, dies sei eine “schöne historische Geschichte”, falsch liegt. Wenn wir daran denken, dass dies nur vor 2400 Jahren geschehen konnte, verkennen wir das Wesen von Purim. Die Ereignisse dieser Zeit sind hingegen äußerst aktuell.

Antisemitismus

Königin Ester wusste dies bereits sofort, als sie die Weisen zu ihrer Zeit bat, Purim zu einem Nationalfest für alle späteren Generationen zu erheben. Zuerst hatten die Weisen dafür wenig Verständnis und Akzeptanz. Sie befürchteten, dass der Antisemitismus noch zunehmen würde, wenn wir unsere Befreiung zu laut feiern würden – aber schließlich waren sie einverstanden. Die Art und Weise, wie Purim bis zu den Tagen des Maschiach gefeiert werden soll, spricht Bände und beantwortet die Frage, wie wir mit der gegenwärtigen Galut, der Diaspora, umgehen sollten. Die praktische Umsetzung der Purim-Gebote lässt uns diese eigentliche Geschichte positiv nacherleben und führt uns mit sanfter Hand aus der Depression, die auch unsere Zeit in der Galut (Golus, Exil) überschattet, heraus.

Lautstarkes Judentum

Im Gegensatz zu Chanukka, als die Juden vor allem geistig durch die Versuchungen des griechischen Hellenismus bedroht waren, waren an Purim der jüdische Leib und die jüdische Seele selbst Hamans Ziel. Haman – ein Nachfahre von Amalek, Israels Erzfeind – war nach der totalen physischen Vernichtung des jüdischen Volkes aus. Um genau diesen physischen Aspekt in den Vordergrund zu rücken, verordneten unsere Weisen an Purim ein großes Dankesmahl abzuhalten, bei dem Wein und sonstiger Alkohol im Überfluss fließen sollten. Auf diese Weise zeigen wir, dass ‘Am Jisrael chai’, das jüdische Volk, alle seine Feinde bis heute überlebt hat.

Alkohol verpflichtet

Obwohl das Judentum den reichlichen Gebrauch von Spirituosen missbilligt, ist der Genuss von Alkoholika an Purim verpflichtend. Warum das so ist, bleibt unklar. Offiziell ist der Grund dafür, dass wir mit hochprozentigen Getränken dem großen Wunder gedenken, die wir im medisch-persischen Reich erlebt haben. Königin Vaschti wurde abgesetzt, weil sie die Wünsche ihres begierigen, betrunkenen Königs nicht erfüllen wollte. Ester wurde mit einem Festmahl als Königin eingesetzt, bei dem übermäßig viel Schnaps floss und Haman während einem Trinkgelage, zu der er zusammen mit Achaschwerosch in den Palast von Ester eingeladen wurde, stürzte.

Hingaben zu dem Höheren

Aber es gibt noch mehr: Unsere Weisen erklären, dass wir ‘Addelojada’ trinken sollten – bis wir den Unterschied zwischen dem guten Mordechai und dem schlechten Haman nicht mehr erkennen. Auf einer tieferen Ebene bedeutet dies, dass wir uns von unserer alltäglichen, überintellektualisierten Lebensweise entfernen und unsere Grenzen überwinden müssen.

Purim ist keine Orgie wilder Trunkenheit, sondern ‘Addelojada’ – eine bedingungslose Hingabe zu dem Höheren, die letztlich unser Leben und unsere Geschichte bestimmt. Das Bewusstsein, dass nicht das Volk unser Schicksal bestimmt, sondern die unsichtbare Hand der G´ttlichen Vorhersehung bestimmt den Kurs des jüdischen Volkes durch die Jahrhunderte.

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