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Die Kraft vom sich daran gewöhnen

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Die Kraft vom sich daran gewöhnen

Das sich gewöhnen ist wichtig, um den Menschen in schwierigen Zuständen zu retten, ist aber im spirituellen Sinne manchmal auch sehr destruktiv. Menschen können sich an die schlimmsten Umstände anpassen. Da sich daran gewöhnt haben.

So schützt man sich selbst. Aber im spirituellen Sinn kann etwas, was vollkommen verwerflich ist, zur Norm werden. Es ist eine glitschige Bahn, eine „slippery slope“.

Als Vorbereitung auf Rosch Haschana haben wir in der vergangenen Woche in der Thora gelesen, dass Mosche zum Jüdischen Volk sprach: „Ihr seid durch verschiedene Völker gezogen und „watiru et schikutsehem we’et gilulehem ejts wa’ewen kessef wesahav“: Ihr habet Abscheulichkeiten und Widerwärtiges gesehen, Holz und Stein, Silber und Gold…

Raschi erklärt, dass die Götzen mit „Abscheulichkeiten“ und „Widerwärtiges“ gemeint waren. Die Thora betrachtet den Götzendienst mit Verachtung. Das Wort „Schekets“ bedeutet „Widerwärtig“, das Wort „Gilul“ kommt vom Wort „Galal“ (Ausscheidungen, Auswurf), was die schlimmste schmutzige Substanz darstellt, die wir uns nur vorstellen können.

Die Reihenfolge von Begriffen ist jedoch nicht eindeutig verständlich. Die ‚Meforschim‘ (unsere Kommentatoren) richten unsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass der Götzendienst zunächst in sehr negativen Bezeichnungen beschrieben wird, aber später viel weniger negativ als Rohware, Holz und Stein, Ejts We’Ewen, eigentlich neutrale Materie.

Danach folgt Kessef Wesahaw. Holz und Stein hört sich nicht so schlecht an. Silber und Gold klingen selbst anziehend.

Ist die Verachtung auf ein Mal in Hochachtung umgeschlagen? Die ‚Meforschim‘ (unsere Kommentatoren) erklären, was die Kraft des sich gewöhnen bedeutet. Er betont, dass dieses Passuk (Vers) zeigt, wie wir uns an die schrecklichsten Dinge lernen zu gewöhnen.

Wenn wir mit etwas „Hässlichem“ oder „Abscheulichem“ konfrontiert werden, ist:

  • unsere erste Reaktion, uns davon ab zu wenden,
  • aber je öfters wir das sehen, je weniger erscheint uns das verachtenswert.
  • Nach einer gewissen Zeit stört es uns nicht mehr.
  • Je öfters wir es sehen, je mehr fangen wir an, es zu schätzen, es nicht von uns zu weisen.
  • Etwas, was ursprünglich verwerflich war, wird später zu Silber und Gold, etwas teureres, etwas begehrenswertes.

Normen und Werte verflachen, verwässern und verändern sich in ihr Gegenteil. Niemand liegt mehr darüber wach und das wird das nächste Sprungbrett zu stets tieferem Absacken des geistigen Verfalls.

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Wir gewöhnen uns daran, wir protestieren selbst nicht mehr dagegen. Demokratien werden verteufelt aber Diktaturen und Fundamentalismus werden verherrlicht. Wir reagieren kaum noch.

Die Herausrager: über altbacken zu frisch und fröhlich

In jedem Jahr, gemäß unserem Jüdischen Kalender, begehen wir dieselben Feiertage, mit den dazu gehörenden Gebeten. Verbessert sich etwas? Der Maharal von Prag besagt, dass wir die Zeit als eine nach oben gerichtete Spirale betrachten sollten: immer begegnen wir denselben Phänomenen wieder, aber jedes Jahr auf einer höheren Ebene. Das Folgen der Aufwärtsspirale ist (manchmal) geistiges Wachstum. Und es ist genau das, um was es sich an Rosch Haschana handelt.

Wir leben erst wirklich, wenn wir auch unsere höchsten Ansprüche mit einbeziehen.

Ein mystisch-religiöses Spitzenerlebnis ist, wenn Du nach und nach Dich selbst und Deine irdischen Ängste und Bedürfnisse verlierst.

Du entsteigst, indem Du Dich auf die Tefillot konzentrierst, dem eigenen Ich, eine intensive, fast übersinnliche Wahrnehmung des G“ttlichen in der Welt, gleichzeitig Ehrfurcht erzeugend, aber auch intensiv das gesamte synagogale „Umfeld“ geniessend.

Dieses ins G“ttliche sich steigernd geht Hand in Hand zusammen mit einem stärker werdendes Gemeinschaftsgefühl, einem tiefen Empfinden von Einbezogenheit, Sympathie und Geneigtheit mit der gesamten Menschheit. Ist es Dir gelungen, in diesen Zustand zu gelangen, belastet es Dich nicht mehr, immer wieder fast einmalige Gebete zu verrichten.

Die Herausrager haben die begeisternde Gabe, selbst die einfachsten und grundlegenden Gegebenheiten immer wieder frisch und naiv, mit Achtung, Freude, Erstaunen und selbst mit Ekstase, wert zu schätzen, wie altbacken diese Erfahrungen für Andere auch sein mögen.

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