An Rosch Haschana lesen wir über die verschiedenen Prüfungen Avrahams. Avraham hatte sein Gefühlsleben bereinigt und seine Emotionen im Griff. Er hatte ein gewaltiges gutes G“ttesfürchtigendes Herz. Im Augenblick, in dem G“tt ihn prüfte, wurde deutlich, was seine Gefühle in der Wirklichkeit bedeuteten.
Durch einen Test werden die guten Gefühle sichtbar. Avraham unterzog sich 10 Prüfungen. Seine Bereitschaft wurde zur Wirklichkeit. Darum geht es: nicht nur anständig denken oder gute Gefühle haben, sondern die Umsetzung dieser Positivität in Taten. Dieses ist ein wichtiger Inhalt des Judentums.
WAS IST DIE BESTE LEBENSART? EIN FREUNDLICHES HERZ
In den Sprüchen der Väter (Pirkej Awot) sprach Rabbi Jochanan Ben Zakkai zu seinen Schülern: „Gehet hin und findet heraus, was die beste Richtschnur ist, an die der Mensch sich halten sollte“.
Rabbi Eli’eser sagte: „Ein freundliches Auge“ (eine bejahende Lebensansicht).
Rabbi Jehoschua sagte: „Ein guter Freund“ (treu und bereit, sich auf zu opfern).
Rabbi Josej sagte: „Ein guter Nachbar“ (gute Umgangsformen)
Rabbi Schim’on sagte: „Derjenige, der vorhersieht, was geschehen könnte“.
Rabbi Elasar sagte: „Ein gutes Herz“ (selbstlos).
Daraufhin sagte er zu ihnen: „Ich sehe in der Antwort von Elasar mehr als in Eueren, denn in seinen Worten sind Euere beinhaltet“.
Warum sah Rabbi Jochanan in der Antwort von Elasar mehr?
Ein „gutes Auge“ lässt Eifersucht, Wut und Missgunst außen vor.
„Ein guter Freund“ zeigt viele positive Gefühle und leistet Chessed und Zedaka (Wohltätigkeit).
„Ein guter Nachbar“ übertrifft den guten Freund, da er auch zu Anderen nett und freundlich ist und sie unterstützt.
„Derjenige, der vorhersieht, was geschehen könnte“ bescheinigt mit seinem Tun große Einfühlsamkeit.
Aber weshalb ist das „gute Herz“ letztendlich das Schönste, nach dem Du streben solltest? Ein gutes Herz übertrifft alles und ist auch die Basis für alle unsere guten Taten. Ein gutes Herz führt letztendlich zu einem guten Auge, richtige Freundschaften und gute Nachbarn. Durch sein positives Naturell konnte Avraham die zehn Prüfungen erfolgreich durchstehen in seine gute Art in Taten umsetzen.
MALCHUJOT – KÖNIGSVERSE
An Rosch Haschana lesen wir Psukim (Verse) über Königherrschaft – Malchujot -, so dass wir G“tt zum König der Welt krönen können. Mit dem Schofar wird G“tt zum König ausgerufen, gleich einem irdischen König, der mit Posaunenschall seinen Thron besteigt.
G“tt als Schöpfer der Welt bildet das Hauptthema der Liturgie. Wir akzeptieren das Himmlische Joch und sehnen uns nach G“ttes Offenbarung. Aber um was es sich letztendlich handelt, sind unsere guten Taten.
DIE WELT DURCH NEGATIVE KRÄFTE BEHERRSCHT
Die Welt wird mehr und mehr von negativen Kräften übernommen. G“ttes Anwesenheit verschwindet immer mehr in den Hintergrund. Die Religion wird eingeschränkt. Immer weniger Menschen sind gläubig. Gerade in unserer Zeit rutschen wir so schnell ab, dass wir nicht mehr bemerken, wie wir dem wahren Judentum entfremdet sind.
Der Talmud besagt, dass genau wie die Seele sich hinter dem Körper versteckt, G“tt sich hinter der Welt verbirgt. Wie ist es möglich, dass das ganze Universum doch wie eine Einheit funktioniert? Wie ist es möglich, dass alle unterschiedlichsten Teilchen zusammen hängen? Es gibt in der Welt kein Phänomen, das vollkommen abhängig ist und ganz selbständig existiert.
VERBINDENDE KRAFT AUF ABSTAND
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Was treibt das Universum an? Hinter der Vielfalt von Materie befindet sich eine totale Einheit, die so abstrakt ist, dass sie dem Materiellen vollkommen entsteigt. HaShem (G“tt) bildet die verbindende Kraft auf Abstand. Ohne IHM gibt es keinen Zweck oder Ziel, sind keine Einheit oder Zusammenhang möglich.
G“tt führt hinter den Kulissen Regie. Und Am Israel kapituliert nicht. Wir geben nicht auf. Wir bleiben mit dem allmächtigen, ewigen König verbunden, befolgen treu seine Anordnungen in der Hoffnung, dass irgendwann „ta’awir memschelet sadon min ha’aretz“ – HaShem alle diese bösen Kräfte besiegen und G“tt sich uns in Seiner vollen Gloria offenbaren wird und wir IHM auch tatsächlich als Herr der Welt anerkennen werden. Dieses ist unsere innigste Bitte an den Allmächtigen: dass unser inständiger Wunsch, G“tt zu erkennen, in die Wirklichkeit umgesetzt werden möge. Keine Wörter, sondern Taten.
ZWEI MAL KOMMEN
König David sagt in seinen Psalmen; „Dann werden alle Bäume des Waldes sich vor HaShem verbeugen, denn ER kommt, ER kommt um über die Erde zu richten“ (96: 12 & 13).
Das erste Kommen verweist auf Rosch Haschana und Sein zweites Kommen erfolgt zu Jom Kippur. HaShem prüft unsere Herzen zu Rosch Haschana und Jom Kippur. Genau an diesen drei heiligen Tagen kommt HaShem bei uns vorbei und ER möchte wissen, wie wir in unserer Awodat HaShem, in unserer religiösen Steigerung, weiter kommen. Gerade während dieser drei Tage darf nichts schief laufen und wir unternehmen alles Mögliche, um zu zeigen, dass wir das G“ttliche in dieser düsteren Welt überall suchen.
DIE TSCHUWA IST ÄUSSERST INTENSIV
Die Mitzwa (das Gebot) von Jom Kippur ist Tschuwa, zur Einkehr gelangen. Tschuwa bedeutet Umkehr, zum aller Ursprung umkehren, dem Ursprung in uns selber, unser wirkliches „selber“, das Erhabene im Menschen. Die Tschuwa ist ein äußerst subjektiver Vorgang, der unser Herz berührt und wobei Jeder seinen eigenen Weg finden muss, zurück zum G“ttlichen in uns selber.
Auch die Tschuwa kennt ihre Regeln. Diese gelten sowohl zwischen Mensch und G“tt wie zwischen Mensch und Mensch.
Die Tschuwa kennt unterschiedliche Ebenen: zu allererst müssen wir unsere Mitmenschen um Verzeihung bitten. Anschließend müssen wir Reue und Schmerz über ungerechtes Verhalten aus der Vergangenheit zeigen und bereit sein, jeden Vorteil aus diesem ungerechten Verhalten auf zu geben. Dann müssen wir beschließen, es künftig besser zu machen, die Umgebung zu verändern und uns weigern, uns Einflüssen aus zu setzen, die zu diesem unrichtigen Verhalten geführt hatten. Und zum Schluss müssen wir deutlich artikulieren und verbal zugeben, dass wir fehlerhaft gehandelt haben und uns somit die Ernsthaftigkeit der Verfehlungen bewusst werden (Viduji).
Echte Reue empfinden bedeutet, dass man mit dem schlechten Benehmen resolut aufhört. Keine Wörter, sondern Taten. Wenn es an Tatkraft fehlt, ist es keine Rede mehr von wirklicher Reue und man nimmt sich selber nicht ernst.
RÜCKFALL
Aber gerade hier beginnt der Reuebekundender zu zweifeln. Er schaut ehrlich in sein Herz hinein und weiß, dass er nach den Hohen Feiertagen wieder knallhart in alle seine alten Sünden zurück fällt.
Manche Menschen fangen deshalb mit der Tschuwa überhaupt nicht an: da sie begreifen, dass sie die hohe Ebene von Gutem tun und gut sein ganz einfach nicht lange durchhalten können.
Aber wir vergessen, dass es gerade der Sinn des Judentums ist, dass wir davon überzeugt sind, dass wir diesen unvorstellbaren großen Schritt vorwärts in Richtung Besserung wirklich gehen müssen und auch können. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wir können es – wenn wir nur wirklich daran glauben, dass es möglich ist, uns selber zu ändern.
ÜBERZEUGUNG IST AUSSCHLAGGEBEND
Bei diesem Wachstumsvorgang ist die unerschütterliche Überzeugung ausschlaggebend, dass es möglich ist. Selbst wenn wir alle das nicht in einem oder zwei Jahren schaffen, ist es im ersten Anlauf möglich. Wenn wir uns dieses deutlich vor Augen führen, wird es auch Realität. Unsere Rabbiner sagen, dass schon allein die Überzeugung, dass wir es können, die Mühe von Jom Kippur wert ist. Wir sind vielleicht in der Praxis nicht viel weiter gekommen, aber über die Überzeugung, dass es gelingen muss, sind wir spirituell ein Stück reicher und G“ttlicher geworden.
SCHON NUR DAS GEFÜHL IST WICHTIG
Wir spürten zu Jom Kippur tiefempfundene Reue, als wir uns im Zwiegespräch mit HaShem bewusst wurden, wie flach und eitel unser Leben bis heute gewesen war. Diese bewegenden Gefühle allein schützen uns schon vor einem tiefen Rückfall in unsere endlose Reihe von Benachteiligungen, die wir täglich empfinden.
DER HIMMEL HILFT EINE HANDBREITE MIT
Unsere Weisen geben uns mit, dass „haba letaher, mesajin lo min haSchamajim“ – wenn man versucht, mit sich selber ins Reine zu kommen, man vom Himmel her geholfen wird. Wie, wann und in welcher Art, wissen wir nicht. Aber wir wissen wohl, dass es bestimmt erfolgt, auch wenn es schon mal langsam und mit Vielem Fallen und Aufstehen einher geht.
Wenn wir unverhofft zurück fallen, bedeutet das nicht, dass wir die Tschuwa nicht ernsthaft durchgeführt haben. Jeden Tag aufs Neue versuchen die bösen Kräfte um uns herum, uns mit in unzählige und nutzlose Pläne zu verstricken.
Was letztendlich die beste Medizin gegen das Böse in der Welt ergibt, ist das regelmäßige Lernen, andauernder Unterricht, das Lernen der Thora. Indem wir uns hierauf konzentrieren, erreichen wir unsere geistigen Ziele mit Glanz und Gloria.
Ich wünsche Ihnen ein Shana Towa Umetuka – ein gutes, gesegnetes Jahr, hier und in Israel und eine gute Kawana (Andacht) bei den Tefilot (Gebeten) und beim Schofar-Blasen.