Die Melodien machen uns ein Wenig nostalgisch, melancholisch. Die Ausstattung, der weiße Parochet (der Vorhang vor dem Thoraschrank) und die weißen Kittel (Bekleidung) versetzen uns sofort in Stimmung. Da stehen wir dann wieder in der Synagoge, genauso wie in allen vorhergehenden Jahren. Wir sind ein Jährchen älter geworden. Aber wenn wir uns selbst gegenüber ehrlich sein möchten: hat sich im vergangenen Jahr wirklich etwas verändert? Hat sich auch nur EINES unserer guten Vorsätze bewahrheitet? Wie beurteilen wir die Vergangenheit?
nur für Versprechen zwischen Mensch und G“tt
Kol Nidrej ist für viele unverständlich. Wie kann ich unseren Nachbarn erklären, dass wir den heiligsten Tag des Jahres mit der Erklärung beginnen, dass alles, was wir in der Vergangenheit versprochen haben und was wir künftig noch versprechen werden, null und nichtig sei. Klar, die Nichtigkeitserklärung gilt nicht für die Versprechen zwischen dem Menschen und seinem Mitmenschen und nur für Versprechen zwischen Mensch und G“tt, aber das muss ja wohl eine tiefere Bedeutung haben.
Untreue uns selbst gegenüber
Kol Nidrej betont die Bedeutung von was wir sagen und wie wir die Dinge sagen. Kol Nidrej handelt von Zusagen, denen wir nicht nachgekommen sind. Minderst genauso schlimm ist die Untreue uns selbst gegenüber. Unsere Ideale haben wir wieder nicht verwirklicht. Darum geht es. Wir sollten lernen, nicht nur auf das zu achten, was wir in unseren Mund stecken, sondern auch auf das, was aus unserem Mund herauskommt.
Fünf Minuten des Gebets mit Verstand und Gefühl
Das schließt sofort an die Worte an, die wir Dawwenen, beten. Viele Menschen haben Mühe damit, dem G“ttesdienst an den Jamim Nora’im, an den Hohen Feiertagen, zu folgen.
Fünf Minuten des Gebets mit Verstand, Gefühl und persönliches Eingebunden sein sind wichtiger, als fünf Stunden Lippenbekenntnis. Es ist wichtig, um gerade bei Bereiche, die Dich spezifisch berühren, länger zu verweilen. Lasse die Worte in Dich eindringen, fühle sie. Und wenn Du wirklich tapfer bist, schließe die Augen und sprich die Worte immer wieder aufs Neue. Es ist ein Unding, von Dir selber zu erwarten, dass jedes Gebet Dich tief emotional berührt. Beherrschst Du Hebräisch nicht richtig? Mache Dir keine Sorgen! G“tt versteht jede Sprache. Als ein liebendes Elternteil weiß G“tt, was sich in Deinem Herzen bewegt.
Befürchtest Du, nicht Schritt halten zu können? Beim nächsten Gebet kannst Du Dich so wieder einreihen. Bist Du Dir bewusst, dass Millionen und Millionen Juden weltweit gerade an diesem Tag die Synagogen besuchen? Mit Deiner Anwesenheit bezeugst Du ganz eindeutig Deine Zugehörigkeit zum Judentum und zum Jüdischen Volk.
Wir kennen drei Arten von Tage des Fastens:
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– Tage der nationalen Trauer um den Verlust des Tempels, wie an Tischa beAw.
– Es gibt auch Tage des Fastens, um zur inneren Einkehr und des Bedauerns zu gelangen. Was wir für unsere eigene Mahlzeit normalerweise aufwenden, geben wir jetzt als Tzeddaka für unseren bedürftigen Mitmenschen. Wir identifizieren uns mit dem notleidenden Teil der Bevölkerung.
Aber Jom Kippur
– Wir denken eine Weile nicht über unsere täglichen Sorgen nach.
– Wir tragen keine Lederschuhe.
– Wir stehen den ganzen Tag in der Synagoge um Tefillot (Gebete) auszusprechen.
Nachahmung der Engel
Wir versuchen, die Engel, die himmlischen Wesen, etwas nachzuahmen. Heute wollen wir unsere höheren menschlichen Aspekte betonen, indem wir uns weniger um unsere materiellen Bedürfnisse kümmern. Wir zeigen, dass unsere wirklichen Bestrebungen anderswo sind, höher, weiter. Die Essenz unserer Menschlichkeit taucht genau an Jom Kippur auf.
Liebe Freunde, gemar chatima tova, ein Schana Tuva Umetuka, hier und in Israel, ein Jahr von Frieden und Wohlergehen, für jeden von Ihnen und für alle, das wünsche ich Ihnen!