KINDER UND SCHÜLER, LEHRLINGE
Bamidbar 3:1-2: „Diese waren die Nachkommen von Aharon und Mosche, als G“tt mit Mosche auf dem Berge Sinai sprach. Dieses waren die Namen der Söhnen von Aharon: der Erstgeborene war Nadav, anschließend Awihu, Elasar und Itamar.“
Raschi (tausendvierzig bis elfhundertfünf) führt in seinem Kommentar auf, dass hier nur die Söhne von Aharon erwähnt wurden. Sie werden jedoch als die Söhne von Mosche bezeichnet, da er ihnen die Tora gelehrt hatte. Dieses informiert uns darüber, dass wenn jemand seinem Mitmenschen Tora bei bringt, es ihm angerechnet wird, als ob er ihn geboren hätte“ (B.T. Sanhedrin 19b).
Die Erklärung von Raschi gibt Anlass zu drei Fragen:
· Weshalb wird ein Schüler so, als sei er ein Kind seines Meisters? Mosche unterrichtete das gesamte Volk Israel obendrein in Tora.
· Weshalb werden Aharon’s Kinder hier speziell benannt?
· Und zum Dritten hatte Mosche zweifelsohne auch seine eigenen Söhne unterrichtet. Weshalb steht das nicht vermerkt?
Rabbi Baruch Epstein (Ende des neunzehnten Jahrhunderts) weist uns auf die Verse hin: „Und Ada gebar Jawal; er war der Vater aller Menschen, die in Zelten wohnten und von allen Viehbesitzern. Und sein Bruder hieß Juwal; er ist der Vater von allen geworden, die auf der Zither und auf der Flöte spielen“ (Bereschit 4:20-21).
Vater bedeutet also „Erfinder“ von zum Beispiel neue Lebensarten oder Musikinstrumenten. Menschen, die neue Ideen an den Mann bringen, werden in der Tora auch wohl Vater genannt. Diejenigen, die Ideen von Anderen übernehmen, stehen dann in einer Kind-Vater-Beziehung zum Erfinder. Deshalb sagt der Talmud: „Derjenige oder Diejenigen, der/die Tora seinem Mitmenschen lehrt, wird betrachtet, als ob er ihn geboren hätte“.
Die zweite Frage lautete: „Weshalb wurden die vier Söhne von Aharon speziell genannt“? Rabbi Epstein erklärt, dass, obwohl Mosche das ganze Volk in Tora unterwies, er eine besondere, persönliche Beziehung zu seinen Neffen hatte – den Söhnen von Aharon. Sie wurden seine am meisten herausragenden Schüler und sie hatten eine einmalige Beziehung zu ihrem Rebbe.
Weshalb hatte Mosche nicht so eine spezielle Beziehung zu seinen eigenen Söhnen? Rabbi Mosche Sofejr (neunzehntes Jahrhundert) erklärt das Fehlen der Söhne Mosche’s im Toratext in seinem Werk „Chatam Sofejr“.
Die Tora spricht in Schemot 33:7: „Mosche ergriff ein Zelt und stellte es draußen auf dem Lagerplatz auf, weit vom Lagerplatz entfernt, und nannte es das Zelt der Zusammenkunft. Jeder, der G“tt suchte, ging zum Zelt der Zusammenkunft, das außerhalb des Lagerplatzes stand“.
Diejenigen, die in ihren Tora-Kenntnissen wachsen wollten, mussten zum Zelt der Zusammenkunft hinaus gehen. Sie mussten initiativ werden und den Unterricht von Mosche suchen. Diejenigen, die nicht zum Zelt der Zusammenkunft gingen, erhielten keine intensive Beachtung.
Mosche hatte sich seinem Volk Israel vollkommen gewidmet. Die Tora erzählt uns, dass Mosche, nachdem er vierzig Tage und Nächte auf dem Berg Sinai verbracht hatte, vom Berg kommend sofort zu seinem Volke ging, ohne zuerst zu sich nach Hause zu gehen.
Raschi erläutert, dass wir daraus lernen, dass Mosche sich nicht zuerst mit seinen eigenen Interessen befasste. Mosche war vollständig seinem Volke zugewidmet, aber dieses hatte auch ein Nachteil. Er „vernachlässigte“, so deutet das Chatam Sofejr, seine eigene Familie. Mosche war zwar Rabbiner für Jedermann, aber er hatte wenig Verbindung zu seinen eigenen Kindern.
Deshalb hatte er es nicht geschafft, die Liebe zur Tora seinen eigenen Kindern zu übertragen, die er wohl Anderen vermitteln konnte.
Dieses bietet Gründe zum Nachdenken oder zu Überlegungen. Wir müssen und sollen unsere Häuser verlassen, um Teil der lehrende, also der sich in Jüdischem Wissen bildende, Jüdische Gemeinschaft zu werden. Wir sollten zum Bejt Hamidrasch kommen und nicht zu Hause hocken bleiben. Nur dann können wir in Gesprächen und beim Lernen mit und von Anderen in Kenntnissen wachsen. Oft oder manchmal sehen wir, dass Rabbiner, selbst die größten Tora-Gelehrten, ihre eigenen Kinder nicht für eine Lebensart überzeugen können, die vollständig der Tora gewidmet ist.
Jüdisch geistlich leitende Verantwortungsträger/Innen sollten ihren Kindern mehr Zeit widmen, denn es ist tragisch, wenn die eigenen Kinder ihrem Vater oder auch ihrer Mutter nicht folgen. Kinder sollten ein lebendiges und lebendes Beispiel davon sein, was ihnen ihr Vater oder/und ihre Mutter ihnen vorgeben.