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Josseif und seine Brüder – Parascha Wajigasch

Die Tora zeigt, wie schwer es Brüdern fällt, einträchtig zusammenzuleben. Brüder benehmen sich oft eigenartig zueinander. Doch Josefs Verhalten seinen Brüdern gegenüber, wie wir es in unserem Wochenabschnitt lesen, übertrifft in dieser Hinsicht jegliche Erwartung. Nachdem er jahrzehntelang von seiner Familie getrennt war und inzwischen zum zweiten Mann an der Spitze Ägyptens aufgestiegen ist, sieht er seine Brüder wieder – und gibt sich nicht zu erkennen. Josef verstellt sich, erklärt seine Brüder zu Spionen, lässt einen von ihnen einsperren und die anderen zwischen Ägypten und Kanaan hin und her pendeln. Und das alles, um ohne erkennbare Begründung den jüngsten Bruder Benjamin zu Gesicht zu kriegen! Was bezweckte Josef damit?

Was wollte er erreichen? Ramban(1194–1270), Nachmanides, verbindet Josefs Handeln mit den Träumen, die er in seiner Jugend hatte. Damit in Erfüllung gehe, dass sich die »elf Garben« – seine Brüder – vor seiner Garbe verbeugen, musste Josef zuerst Benjamin ohne den Vater nach Ägypten holen. Erst dann konnte er sich seinen Brüdern zu erkennen geben, sodass der Rest der Familie nachkomme und auch der zweite Traum, in dem sich Sonne, Mond und elf Sterne vor Josef verneigten, Wirklichkeit werde.

TRENNUNG

Welche realitätsbezogene Bedeutung Träume haben können, war Josef spätestens seit seinem Aufstieg zum Herrscher Ägyptens aufgrund der richtigen Deutung der Träume Pharaos bewusst. Unterstützung findet diese Interpretation in den ersten Gedanken, die Josef beim Anblick seiner Brüder nach über zwei Jahrzehnten der Trennung durch den Kopf gingen: »Und Josef erinnerte sich an die Träume, die er von ihnen geträumt hatte« (1. Buch Moses 42,9).

Rabbi Jizchak Abarbanel (1437–1508) verwirft Rambans Erklärung jedoch aus mehreren Gründen.

·      Erstens sei der Sinn der Träume nur symbolischer Natur. Sie sollen ausdrücken, dass Josef stärker und mächtiger werde als seine Familienangehörigen. Das Verbeugen vor ihm sei nicht wörtlich zu verstehen. Schließlich hat sich der Vater Ja’akow vor Josef auch nicht verbeugt, als die beiden zusammentrafen.

·      Zweitens habe es gar keinen Einfluss auf die Erfüllung des ersten Traums, ob die Brüder Josefs wahre Identität kannten oder nicht, denn auch nachdem er sich zu erkennen gegeben hatte, verbeugten sie sich vor ihm in seiner Eigenschaft als Herrscher.

Abarbanel gibt uns deshalb zwei andere Erklärungen, um Josefs Handeln und seine Absichten dahinter besser zu verstehen. Josef wollte, so die eine Deutung, seinen Brüdern ähnliche Erfahrungen vermitteln wie die, die er selbst gemacht hat und die ihm eine wichtige Lehre fürs Leben waren. Auch wenn eine Situation hoffnungs- und ausweglos erscheint und mit viel Leid verbunden ist, ist sie dennoch immer von G’tt gesteuert und wird zu den von Ihm bestimmten Zielen gelenkt. Oft erkennt man dies erst viel später und sieht, dass vermeintliche Schäden eigentlich Gutes mit sich brachten.

wie sich die Brüder früher zu ihm verhielten

Abarbanel stellt Josefs Handeln dem gegenüber, wie sich die Brüder früher zu ihm verhielten: Josef nennt sie Spione, so wie sie damals dachten, er verleumde sie bei ihrem Vater Ja’akow. Josef ließ den einen Bruder, Schimon, einsperren, so wie sie ihn damals in die Grube warfen und seiner Freiheit beraubten. Und schließlich forderte er, dass Benjamin als Knecht bei ihm bleibe, ähnlich wie sie ihn damals als Knecht verkauften. So wie er konnten auch sie erst später erkennen, dass sie am vermeintlichen Unglück letztendlich gar keinen Schaden nahmen.

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Der zweiten Erklärung Abarbanels folgend wollte Josef in Erfahrung bringen, ob seine Brüder es bereuten, dass sie ihn 22 Jahre zuvor in die Sklaverei erkauft hatten, oder ob sie dazu gar nochmals fähig wären.

Tatsächlich verhalf er seinen Brüdern im Verlauf der Geschehnisse zur vollkommenen Umkehr. So sahen sie nicht nur ihren damaligen Fehler ein, als sie das erste Mal in Ägypten vor Josef standen (»Aber wir haben uns doch an unserem Bruder verschuldet, dessen Leid wir sahen, als er uns anflehte, wir aber nicht auf ihn hörten; deshalb kommt diese Not über uns«; 1. Buch Moses 42,21), sondern sie erkannten sogar die Notwendigkeit, dafür eine Strafe zu erhalten. Darüber hinaus lernten sie aus ihrem Fehler und verstanden es nun, ihn nicht noch einmal zu begehen.

Mit seiner Forderung, den kleinen Benjamin als Knecht in Ägypten rückzulassen, wollte Josef die Brüder prüfen und vor die schwierige Entscheidung stellen, ähnlich wie 22 Jahre zuvor: Sollen wir unseren kleinen Bruder als Knecht allein zurücklassen, ohne Rücksicht auf die Gefühle unseres Vaters, um so unsere Probleme zu lösen, oder …?

Doch dieses Mal entschieden sie sich für das »oder«. »G’tt fand die Schuld deiner Knechte, siehe, wir sind meinem Herrn Sklaven« (1. Buch Moses 44,16). Sie standen ihrem Bruder bei, wollten sich lieber alle gemeinsam als Knechte verkaufen, als Benjamin allein und verkauft zurückzulassen. Nun war für Josef der Zeitpunkt gekommen, sich zu erkennen zu geben, denn die Umkehr war vollkommen.

BEZIEHUNGEN

Durch das ganze erste Buch der Tora zieht sich ein roter Faden, der in vielen Geschichten immer wieder auftaucht: Es geht um Beziehungen zwischen Brüdern.

Die erste Bruderschaft, die zwischen Kajin und Hewel, endete im Mord. Die nächste, tiefergehend beschriebene Bruderschaft, jene zwischen Jitzchak und Jischmael, musste von den Eltern getrennt werden, um Schlimmeres zu verhindern. Der Weg zur brüderlichen Eintracht war noch weit. Jaakow und Esaw verbrachten einen größeren Lebensabschnitt gemeinsam, doch auch da konnte die Katastrophe schließlich nur knapp verhindert werden, und Jaakow m u s s t e  u n v e r m i t t e l t  v o r  d e n  Mordgedanken seines Bruders fliehen. Auch Ja’akows Söhnen gelang es nicht, friedlich und in Liebe miteinander zu leben. Die zehn älteren Brüder trachteten nach Josefs Leben und verkauften ihn schließlich als Sklaven.

Jahre später wurde diese Beziehung jedoch nachhaltig korrigiert, als die Brüder erkannten: Ein inniges Band verbindet sie und sie sind unweigerlich aufeinander angewiesen und müssen sich gegenseitig unterstützen. Eine wahre Bruderschaft ist von unschätzbarem Wert.

Erst mit dieser Erkenntnis war die Basis zur Gründung des jüdischen Volkes gelegt, denn dies ist das Fundament.

 

Möge uns – Nachkommen und Angehörige des jüdischen Volkes – die Erkenntnis, dass wir Teil einer großen Familie sind und das Band der Brüderlichkeit uns verbindet, Leitfaden sein in unserer Beziehung zueinander.

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