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SOLLTE DER HIMMELBLAUE FADEN WIEDER AUFGENOMMEN WERDEN? – Parascha Schelach Lecha

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SOLLTE DER HIMMELBLAUE FADEN WIEDER AUFGENOMMEN WERDEN? – Parascha Schelach Lecha

Wenn ich durch die Straßen Jerusalems gehe, sehe ich immer mehr junge, aber auch ältere Menschen mit einem blauen Faden, der an ihren Zitzit (Schaufäden oder Blick-Quasten) befestigt ist. Jedem fällt auf, dass fromme Juden mit weißen Quasten gehen, die aus ihren Hosen herausragen. Das tue ich auch. In den Niederlanden wird einem dann oft gesagt: “Hey joh, kannst du diese ausgefransten Fäden nicht einfach in deine Hose stecken?”. Aber es sind biblische Fäden. Dieses kleine Detail des ‘modernen himmelblauen Fadens’ wird von einem Außenstehenden nicht bemerkt. Aber für Eingeweihte wird hier ein Tabu gebrochen. Was geht hier vor sich?

An den vier Ecken unserer Kleidung

Zitzit oder Schaufäden sollen an den vier Ecken unserer Kleidung befestigt werden. In Jerusalem läuft jeder mit ihnen herum. In der Bibel (Num 15,38-40) heißt es: “Sprich zu den Israeliten und sag ihnen, dass sie sich Quasten an den Ecken ihrer Kleider machen sollen, für alle ihre Generationen. An den Quasten an den Ecken sollen sie einen purpurblauen Faden anbringen. Er soll an den Quasten für euch sein, damit ihr, wenn ihr ihn seht, an alle Gebote G’ttes denkt und sie tut, damit ihr nicht euer eigenes Herz und eure eigenen Augen prüft, denen ihr nachgeht wie in der Hurerei; damit ihr an alle meine Gebote denkt und sie tut und eurem G’tt heilig seid.” Wir übersetzen diesen “purpurblauen Faden” als himmelsblauen Faden.

Berlin

Ich arbeite immer noch am Bait Din (Jüdisches Gericht) in Deutschland, wo wir Konversionen und Scheidungen durchführen. Auf unserer Tour durch Deutschland besuchen wir natürlich auch Berlin, weil dort inzwischen wieder relativ viele Juden leben. Unglaublich, aber wahr. Auch dort sehe ich immer mehr Menschen mit einem himmelblauen Faden an ihrer Quaste. Ich treffe dort einen alten Bekannten, Rabbiner Dovid Gernetz aus Berlin. Er beschreibt mir das Phänomen der “Rückkehr des himmelblauen Fadens”: “Sephardische Juden haben einen schneeweißen Gebetsmantel. Aber wir Aschkenasim (westliche Juden) haben den Brauch, unseren Tallit, unseren viereckigen Gebetsmantel, mit blauen oder schwarzen Streifen zu schmücken, als Erinnerung an den himmelblauen Faden aus der Tora, der neben drei weißen Fäden als eine Art Quaste am Gewand befestigt war (Numeri 4:38).

Die israelische Flagge

Die Israelische Flagge ist eigentlich nichts anderes als ein rechteckiger Gebetstmantel mit blauen Streifen und einem Davidstern in der Mitte. Die Israelische Flagge hat keine Quasten, weil wir biblische Quasten nur an die menschliche Kleidung hängen und nicht an unsere Flagge. Aber die blauen Streifen erinnern uns wieder an den biblischen himmelblauen Faden. Aber das ist auch schon alles. Wir können diese himmelblaue Farbe nicht mehr finden und daher auch nicht herstellen. Seit 1300 Jahren wissen wir einfach nicht mehr, was dieser himmelblaue Farbstoff ist und wo wir diese Rohstoffe finden können. Deshalb haben wir seit über einem Jahrtausend keinen himmelblauen Faden mehr auf unseren Tzitzit-Quasten. Wir sind immer noch auf der Suche nach dem Tier, aus dem wir die Rohstoffe für den himmelblauen Faden gewinnen können. Aber wir als jüdisches Volk haben die Spur verloren”.

Bruch mit der Tradition

Rabbiner Gernetz: “Der präzise Zeitpunkt dieser Lücke in unserem Wissen ist unklar. Der Talmud (B.T. Menachot 43a) weist darauf hin, dass die himmelblaue Farbe bis etwa 500 n. Chr. verbreitet, aber bereits um 750 n. Chr. verschwunden war.”

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Wiedereinführung

Das Problem ist, dass seit 150 Jahren eine neue Bewegung entstanden ist, die die Wiedereinführung des himmelblauen Fadens propagiert. Die Befürworter glauben, dass sie diesen Farbstoff wiedergefunden haben. Inzwischen geht eine Viertelmillion orthodoxer Juden mit diesem himmelblauen Faden durch die Straßen. Auch einer meiner Schwager ist inzwischen von dieser Gruppe bekehrt worden.

Vom Blut des Chilazon

Rabbi Dovid Gernetz: “Jüdische Quellen besagen, dass diese himmelblaue Farbe aus dem Blut der ‘chilazon’, einer Schnecke aus dem Adriatischen Meer, gewonnen wird. Auch unter Historikern und Rabbinern gibt es unterschiedliche Theorien über den Grund für den Traditionsbruch. Der Midrasch (Hintergrunderklärung) scheint anzudeuten, dass die Biblische himmelblaue Farbe von G’tt absichtlich verborgen wurde. Wir erfüllen das Gebot der Schaufäden immer noch, nur mit weißen Fäden. Doch ein bedeutender jüdischer Anführer machte es sich zur Lebensaufgabe, das verlorene “Himmelblau” wiederzufinden – Rabbi Gerschon Leiner (1839-1890), der “Radzyner Rebbe” (geistiges Oberhaupt der chassidischen Radzyn-Dynastie). Er beschäftigte sich auch mit Medizin, Chemie und Ingenieurwesen, was für einen Rebbe im Polen des 19. Jahrhunderts höchst ungewöhnlich war.

Tintenfisch

Nach jahrelanger Forschung kam der Radzyner Rebbe zu dem Schluss, dass der Tintenfisch am besten auf die Beschreibung des “Chilazon” passt. Mit Hilfe eines italienischen Chemikers gelang es ihm schließlich, die schwarze Tinte des Tintenfisches blau zu färben. Innerhalb von zwei Jahren trugen mehr als 10.000 Radzyner Chassidim den himmelblauen Faden. Später studierte der Oberrabbiner Israels, Rabbi Yitzchak Herzog (1889-1959), das Radzyner-Himmelblau und ließ es in einem Labor untersuchen. Im Jahr 1913 widerlegte er ausführlich die These, dass es sich bei dem Oktopus um den Chilazon handelt. Ihm zufolge handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine Stachelschnecke”.

Alte jüdische Tradition in unserer Flagge

Das “moderne Himmelblau” wird jedoch von den meisten Juden nicht getragen. Aber das tut der Israelischen Flagge keinen Abbruch. Die blauen Streifen erinnern immer noch an den blauen Faden, der zu biblischen Zeiten an unseren Kleiderquasten hing. Das ist unser Stolz: unsere jahrtausendealte jüdische Tradition, die so weit zurückreicht, dass wir uns nur noch daran erinnern, sie aber nicht mehr wahrnehmen können.

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