Niemand kommt mehr vorbei. Diese Tage werden schön und ruhig sein, aber was bin ich, wenn ich nur für mich selbst da bin? Ich verzweifle… Keine Familie, keine Freunde. Die Einsamkeit schlägt schrecklich zu. Matze kugeln in Ihrer Hühnersuppe, das Öffnen eines Eies über Ihrer Matze, die kleine oder große Gremselisch, ein Biss Matzepfannkuchen und das erneute Lesen desselben Buches können Sie nicht vor dieser beklemmenden Einsamkeit bewahren. Die Angst schlägt wieder zu. Was sagt das Judentum zur Einsamkeit?
Ja’akov zog Mutterseelen allein nach Charan weg. Er war dreiundsechzig Jahre alt und ging zusätzlich vierzehn Jahre zu Schejm und Ewer, um dort zu lernen. Nach sieben Jahren Arbeit, die hier anschlossen, stand Ja’akov also als Vierundachtzigjähriger unter der Chuppa.
Er musste alles mit sich selber ausmachen. Wie ging Ja’akov mit seiner Einsamkeit um? Es gibt zwei Arten von Einsamkeit:
· soziale Einsamkeit und
· emotionale Einsamkeit
Die Rede von der ersten ist, wenn Du weniger Kontakte, als von Dir gewünscht wird, hast.
Emotionale Einsamkeit kannst Du empfinden, wenn Du viele Menschen um Dich herum hast, aber mit Niemandem eine engere Verbindung fest stellst. Einsamkeit ist ein subjektives Empfinden, keine objektive Gegebenheit.
mit G“tt in Beziehung stehen
Das Wort religiös bedeutet, mit G“tt in Beziehung zu stehen. Für einen Tzaddik (ein heiliger Mann) wie Ja’akov bestand keine wirkliche Einsamkeit, da er sich immer innig an seinen G“tt klammerte. Religion verlangt Tätigkeit, Bewegung. Im Jüdischen Leben gibt es nie einen „Augenblick des Stillstandes“. Wir sollten und müssen andauernd an uns selber arbeiten.
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In den Sprüchen der Väter (1:14) steht eine bekannte Aussage, die in Zusammenhang mit der oft empfundenen Einsamkeit eine ganz neue Dimension erhält. Hillejl sagte: „Wenn ich nicht für mich selber bin, wer ist dann für mich? Wenn ich nur für mich selber bin, was bin ich dann? Und wenn nicht jetzt, wann dann?“.
Was bedeutet das von Hillejl Gesagte? Laut Maimonides sagte Hillejl: „Wenn ich nicht höhere Ziele anstrebe, wer wird mich dann inspirieren? Die externe Motivation ist nicht so effektiv, wie die Selbstmotivation“.
Rabbejnu Jona erklärt das wie folgt: „Wenn ich selber abgeneigt bin, die Mitzwot (Gebote) zu erfüllen und guten Dingen nach zu gehen, wer wird mich dann darauf hinweisen? Ab und zu helfen Ratschläge oder Hinweise von Anderen, aber sie haben keinen bleibenden Effekt. Wenn man selbst nicht motiviert ist, bleibt man in zunehmendem Maße abgeneigt“.
Materiell und spirituell
Im Hinblick auf materiellen Erfolg besagt der Talmud: „Vor der Empfängnis eines Kindes steht schon fest, ob das Kind reich oder arm sein wird“ (B.T. Nidda 15a). Deshalb setzt die Mischna fort: „Wenn ich nur für mich selber sorge, das soll heißen, mich nur um meine körperlichen Bedürfnisse kümmere, was habe ich dann erreicht?“
Im Hinblick auf das geistige Wohlbefinden sagt der Talmud: „alles ist vorab bestimmt, mit Ausnahme der Ehrfurcht vor G“tt“. Also wenn man nicht für geistiges Wachstum kämpft, wird man es nicht erreichen. Rabbi Mosche Chajim Lussatto behauptet, dass wenn man sich um seine eigene geistige Ebene Sorgen macht, G“tt uns im Kampf gegen die Jejtzer Hara (den bösen Trieb) hilft.
Ziel im Leben
Jeder Mensch wird erschaffen um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, das ausschließlich für ihn bestimmt ist. Jeder Augenblick des Lebens ist dazu da, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, das nur für diese Person und für diesen Augenblick ist. Dieses Ziel kann nicht von einem Anderen erreicht werden oder an einem anderen Augenblick, sagt der Chiduschej haRim: „Wenn ich nicht das exklusive Ziel, für das ich erschaffen wurde, erreiche oder erfülle, kann das niemand anders machen. Wenn ich nicht die spezifische Aufgabe erfülle, die für diesen Moment bestimmt ist, kann sie nie mehr erfüllt werden“.
Eine Chance vorbei gehen lassen
… Und wenn nicht jetzt, wann dann wohl? Rabbejnu Jona erläutert: „Wenn ich mein Leben nicht jetzt verbessere, wann dann? Nach meinem Dahinscheiden ist es zu spät. Wenn ich mir in jungen Jahren keine guten Eigenschaften zu lege, wann soll ich dann diese erwerben? Nicht wenn ich alt bin, denn dann ist es sehr schwierig, Gewohntes ab zu legen. Verhaltensmuster, gute oder schlechte, sind schon verankert. Sprich nicht: „Ich bin heute durch meine Arbeit sehr beschäftigt. Morgen werde ich wieder an mir selber arbeiten“. Wer weiß, ob sich die Gelegenheit noch mal ergibt? Und selbst wenn die Gelegenheit sich noch mal ergibt, ist der spezifische Tag schon wieder vorbei. Du hast eine Gelegenheit verstreichen lassen, G“tt zu dienen. Jener Tag wird nie mehr wiederkehren.