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Neue Blütezeit, neue Möglichkeiten in einem alten neuen Land

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Neue Blütezeit, neue Möglichkeiten in einem alten neuen Land

DAS BEVORSTEHENDE TU BISCHWAT UND DIE LIEBE ZUM JUDENTUM UND ZUM JÜDISCHEN LAND

Im Augenblick, an dem ich dieses schreibe, befinde ich mich in Jerusalem. Hier ist es lediglich ein Grad wärmer als in Düsseldorf. Aber selbst die Kälte, der Regen und ein drohendes voraussichtliches Jerusalemer Schnee-Wochenende können meine Liebe zu unserem Land und zu unserem Judentum nicht temperieren.

Das erste, bevorstehende Jüdische Fest heißt Tu Bischwat. Tu Bischwat ist das Fest des Wachstums und der Blütezeit. Neue Möglichkeiten stehen bevor, genau wie der Frühling alles neu und frisch wieder hervor bringt. Der letzte Gedenktag war die Befreiung von Auschwitz, am 27. Januar.

Trotz der Zerstörung des Tempels wird es als ein großes Vorrecht betrachtet, in Israel zu wohnen und dort zu leben. Genau so, wie es eine große Ehre ist, den König in seinem Palast besuchen zu dürfen, ist es herrlich, in Israel zu wohnen, das mit dem Hof des Königs zu vergleichen ist. Genau so, wie den körperlichen Frühling, habe ich gerade den geistigen Frühling in Binjanej Ha’uma, dem kulturellen Herz von Jerusalem, mit erlebt.

Am 1. Januar 2020 feierten wir hier in Binjanej Ha’uma den dreizehnten Sijum Haschas. Sijum bedeutet das Beenden und Schas bedeutet Talmud. Nach siebeneinhalb Jahre Lernen und 2711 Seiten des Talmuds weiter, haben wir hier in Jerusalem mit  etwa viertausend Menschen gefeiert, dass wir zum 13. Mal seit 1923 den gesamten Talmud weltweit wieder durch gelernt haben. Der Lubliner Rav Rabbi Meir Schapiro hatte damals angeordnet, dass jeder jeden Tag überall dieselbe Talmudseite lernen sollte. Neben dem Lernen war es die Absicht, mehr Einheit innerhalb des Jüdischen Volkes zu erzeugen.

Diese Zahl 2711 ist keine zufällige Zahl. Vor einiger Zeit waren meine Frau und ich in Berlin zu Gast. Wir betrachteten das Berliner Holocaustdenkmal mit einiger Abscheu. Der Fremdenführer erklärte, dass es aus 2711 Stelen Bestand und fügte hinzu, dass dieses eine „random“-Zahl sei, eine Zahl ohne jegliche Bedeutung. Aber für uns hatte das eine sehr tiefgehende Bedeutung. Wir fragten uns ab, wie wir als Volk diesen Drang der Nazis zur totalen Vernichtung aus dem Zweiten Weltkrieg überstanden haben. Was macht das Judentum so widerstandsfähig und stark? Ich wurde mir schock artig bewusst, dass die Zahl 2711 den Schlüssel zu unserem ewigen Fortbestehen bildet. Alle großen Reiche, die uns und unser Judentum mit dem Erdreich gleich machen wollten, haben wir überlebt, ab den Griechen und Hellenisten mit Chanuka bis und mit Auschwitz, dessen wir Ende Januar gedachten. Wir haben Verfolgungen, Pogrome, Razzien und die schlimmsten Mordorgien durchlebt. Und doch sind wir ein Volk geblieben und darüber hinaus – Wunder, über Wunder – auch noch positiv.

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Rabbi Elijeser aus Worms (1165-1238) hatte in den Pogromen seine halbe Familie verloren. Aber er blieb immer ein positiver Jude. Nirgendwo sprach er über seine persönlichen Tragödien, nie predigte er Hass. In seinen Büchern hinterließ er uns spirituelle Gedankengänge. Unsere Umwelt versuchte, aus uns Opfer zu machen, aber Dank unserer spirituellen Quellen von Hoffnung und Aufzeigung der richtigen Wege, unserer Tora und dem Talmud, sind wir als Gewinner hervor gegangen.

Nach zweitausend Jahre haben wir Israel zurück bekommen. Wir wissen, dass die Schechina – die G“ttliche Majestät – nie vom Heiligen Land gewichen ist: „Andauernd sind die Augen G“ttes darauf gerichtet, vom Anfang bis zum Ende des Jahres“ (Dewarim/Deut.11:12). Während 2000 Jahre versuchten viele Völker, das Land zu bestellen, es zu Blüte zu bringen. Das ist nie gelungen, bis das Volk Israel im vorigen Jahrhundert zurück kehrte und es ihm gelang, die Wüste ins Leben zurück zu holen. Es ist nicht nur ein Vorrecht, in Israel zu wohnen. Laut Nachmanides (13. Jahrhundert) ist das Wohnen in Israel selbst eine der 613 Mitzwot (Gebote) aus der Tora.

Der Mensch ist ein einmaliges Geschöpf. Anders als die Tiere, haben wir die Möglichkeit, unser Leben zu ändern oder auch zu verändern. Wir können uns selber von uns heraus programmieren. Der Mensch ist im Stande, aus seiner eigenen Haut zu kriechen und sein Denken und sein Handeln, wie ein objektiver Zuschauer, zu beurteilen. Dieses ist die Größe des Menschen. Niemand, selbst nicht der fanatischste Atheist, kann glauben, dass er ohne tägliches Wachstum davon kommen könnte. Stillstand ist Rückschritt. Wachstum setzt Harmonie mit uns selber voraus und das bedeutet, dass wir unsere spirituelle Schuldenlast versuchen, von uns ab zu schütteln.

Wenn wir sündigen, werden wir automatisch eine gespaltene Persönlichkeit, da wir immer etwas zu verheimlichen haben. Das Gefühl, etwas verbrochen zu haben, zerstört unser Verständnis für innerlichen Zusammenhang, Harmonie und Wachstumsmöglichkeiten.

Das Jüdische Volk bleibt das Kind G“ttes, wie weit sich dieses Kind auch von seinem Vater oder Vaterland entfernt hat. Wir können unseren Zwängen entsteigen. Wir können „out of the box“ denken. Wir können unser Leben wachsen und blühen lassen. Tu Bischwat lehrt uns, in Bereichen von neuer Hoffnung zu denken…

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