Am Ende der Parascha steht, dass die Strafe bei körperlicher Verletzung (durch Gewalteinwirkung, nicht durch einen unverschuldeten Zufall) lautet: „ Bruch um Bruch, Auge um Auge, Zahn um Zahn, wenn jemand einem anderen eine Verletzung zu fügt, so soll es an ihm selber angetan werden“ (24:20).
Unsere Weisen unterrichten jedoch, dass es sich hier um einen finanziellen Schadenersatz handelt und nicht um eine wörtliche Vergeltung. Für dieses harte Vergeltungsrecht siUnsere Weisen unterrichten jedoch, dass es sich hier um einen Schadensersatz finanzieller Art handelt und nicht um ein wörtlich zu nehmendes Strafmaß. Für die falsche Interpretation dieses strengen Strafrechts sind wir im Laufe der Geschichte schwer beschuldigt und zu Unrecht diskriminiert wurden, da man es gegen uns anführte.
Aber unsere Chachamim wollten von keiner wortwörtlichen Umsetzung wissen. Rabbi Baruch Epstein, der Autor der Tora Temima, erklärt, weshalb unsere Weisen „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ das nie wortwörtlich nehmen wollten: „die Chachamim begriffen, dass die Wege der Tora lieblich sind und dass es nicht sein kann, dass die Tora so etwas Nutzloses wie eine wortwörtliche Vergeltung des erlittenen Bösen oder der Gewalt vorgeben würde“.
Wenn man jedoch „Auge um Auge“ aus einem finanziellen Aspekt betrachtet und eine entsprechende Vergütung für die zu Schaden gekommenen Partei oder Person die körperliche Verletzung mindern kann, würde sie sich einigermaßen entschädigt fühlen können. Rabbi Epstein erklärt, dass G“ttes Absicht in seiner Tora sei, dass körperliche Verletzung nur durch finanzielle Kompensierung wieder gut gemacht werden kann.
Unsere Weisen kennen die Werte, die der Tora als Grundsätze dienen. Es ist ausgeschlossen, dass die Tora gerade auf diesem Gebiet nicht ihren allgemeinen Wertekanon aktivieren und uns beauftragen würde, noch mehr körperliche Verletzungen zu tätigen. Dem Aggressor auch ein Auge auszuschlagen trägt nichts zur Wiederherstellung der geschädigten und verletzten Person bei.
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vollständige Gerechtigkeit
Wenn das so sei, entsteht die Frage, weshalb die Tora nicht einfach schreibt „bezahle mit Geld für ein verlorenes Auge“ an Stelle von „Auge um Auge?“. „Auge um Auge“ deutet auf vollkommene Gerechtigkeit. Aber da viele andere Überlegungen mit spielen, wie Mitleid, soziale Verantwortung und die Wiedergenesung der beschädigten Person, entscheidet sich die Mischna nicht zu einer wortwörtlichen Umsetzung. Unsere mündliche Lehre verfügt, dass die körperliche Beschädigung durch eine finanzielle Leistung kompensiert werden soll. Jedoch dürfen wir nicht vergessen, dass eine absolute Berechtigung besteht, die hätte lauten müssen „Auge um Auge“. Wir sollen das immer in unserem Hinterkopf speichern, gerade in der jetzigen Zeit.
Wir leben heutzutage in einer Zeit von Relativismus. Alle Werte sind relativ. In unserem post-modernen Zeitalter gilt, dass jeder seine eigene Wahrheit hat. Wir können Menschen nur noch wegen des Nutzens bestrafen. Das Strafrecht schrickt potentielle Straftäter ab. Auf diese Weise wird die Gesellschaft oder die Wirtschaft beschützt. Richter urteilen aus pragmatischen Überlegungen.
Absolute Werte bestehen nicht mehr, aber die Tora geht von Tugenden aus, von Normen und Werten, die wohl allgemein gültig sind. Die mündliche Lehre, die Praxisbezogen ist, erklärt, dass wir diesen Passuk im täglichen Leben nicht wortwörtlich umgesetzt verstehen sollen. Wirkliche Gerechtigkeit ist nicht immer möglich. Die Tora gibt jedoch einen deutlichen Hinweis darauf, dass Angelegenheiten wie Recht(sprechung), Wahrheit und Gerechtigkeit keine relative, sondern absolute Werte sind.