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Wie wird man nicht zum Rassisten? – Parascha Mezora

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Wie wird man nicht zum Rassisten? – Parascha Mezora

Der Autor ist rav Pinchas Goldschmidt
Originaltext auf Russisch finden Sie hier

Was ist Unterschied zwischen “Tzaraat” und anderen Krankheiten?

Tzaraat ist eine ganz besondere Krankheit, deren Heilung durch Isolation war: „Abgesondert soll er bleiben, ausserhalb des Lagers ist sein Sitz“ (Wajkra 13:46). Anstatt zum Arzt zu gehen, um seine Krankheit zu heilen, ging der Mann zum Kohen, der ihn entweder für unrein erklärte oder ihn sieben Tage lang unter Quarantäne stellte, bis er geheilt war.

In Anbetracht dessen, was gesagt wurde, stellt sich die Frage: Wenn alle Krankheiten im Wesentlichen die Bestrafung sind, die der Allmächtige sendet – schließlich wird eine Person keinen Finger verletzen können, wenn der Wille des Allmächtigen nicht dafür ist (Chulin 7b), warum dann nur im Fall von Tzaraat soll ein Mensch dem Kohen gehen, und nicht zum Arzt?

Wie Sie wissen, regelt die Tora den Verzehr von gesäuertem und ungesäuertem Brot sehr streng, da Sauerteig, wie Kommentatoren sagen (siehe zum Beispiel Raschi Brahot 17a aus den Worten „Seor Schebaisa“, „Responses Radbaza“, Teil 3, 546), das den Yetzer Hara einer Person symbolisiert. Wenn so ist es, warum hat die Tora die Verzehr von Sauerteig nicht über das ganze Jahr verboten?

Die Tora verbot auch, Blut zu essen, „denn Blut ist die Seele“ (Dewarim 12:23), um die Aufmerksamkeit eines Menschen auf die Tatsache des Todes eines Tieres zu lenken, dessen Fleisch er isst. Trotz der Tatsache, dass die Tora das koschere Schlachten von Rindern und das Essen von, auf diese Weise gewonnenem, Fleisch erlaubt, sollte sich eine Person daran erinnern, dass dieses Fleisch aufgrund des Todes des Tieres gewonnen wurde. Das Verbot des Blutessens gilt als eine Erinnerung darübert. Die Tora hielt es nicht für möglich, Fleisch als Lebensmittel vollständig zu verbieten, da der Verzehr von Fleisch nach der Sintflut zu einem dringenden Bedürfnis wurde.

In ähnlicher Weise betrachtete die Tora das absolute Verbot, Sauerteig zu essen, als unerträglich streng und begrenzte seinen Anwendungsbereich. Aus diesem Grund wurde verboten den Sauerteig, nur sieben Pessachtage lang zu essen und mit dem Opfer zubringen – das ganze Jahr über. Diese Verbote sollen an die negative Konnotation von Sauerteig erinnern, die mit seiner Symbolik verbunden ist.

Genauso ist es auch in unserem Fall. Tatsächlich sollte sich die erkrankte Person an einen Kohen wenden, nicht an einen Arzt, da die Krankheit das Ergebnis seiner Sünden war. Da der Allmächtige, nachdem Er diese Welt erschaffen hatte, sie zu einer Welt des „Verbergens des Gesichts“ (d.h. einer Welt, in der die wahre Natur der Dinge vor den Augen der Kreaturen verborgen ist) gemacht hat, hat die Tora aus allen Krankheiten nur Tzaraat herausgegriffen, um den Menschen daran zu erinnern, dass genau der Allmächtige Derjeniger ist, der “alles Fleisch heilt und Wunder wirkt” wie es im Text mit Segen geschrieben steht.

Rabbi Elazar und der hässliche Mann

Wie soll man eine Person behandeln, die an einer Krankheit leidet oder körperliche Defekte hat? Der Talmud spricht davon wie folgt (Taanit 20a-b):

Die Weisen lehrten: “Möge der Mensch immer so flexibel, wie ein Schilfrohr und nicht so steif, wie eine Zeder sein.” Diese Geschichte ist darüber, wie Rabbi Elazar Berabi Schimon von Migdal Gdura aus dem Haus seines Lehrers reiste und auf einem Esel ritt, dem Ufer des Flusses folgte und sehr glücklich war, und er wurde stolz, weil er viel Tora lernte. Er traf einen Mann, der extrem hässlich war.

Er sagte zu ihm: “Friede sei mit dir, Rabbi!” Und begrüßte ihn nicht zurück.

(Rabbi Elazar) sagte zu ihm dann: „Leerer (Mensch), wie hässlich ist einer! Vielleicht sind alle Leute in deiner Stadt genauso hässlich, wie du?”

(Der Mann) sagte zu ihm: “Ich weiß es nicht, aber geh und sag dem Handwerker, der mich gemacht hat: “Wie hässlich dieses Gefäß ist, das du gemacht hast!”

Weil er (Rabbi Elazar) verstand, dass er gesündigt hatte, stieg er vom Esel herab und warf sich vor ihm nieder und sagte zu ihm: „Ich habe dich beleidigt, vergib mir!“

(Der Mann) sagte zu ihm: “Ich werde dir nicht vergeben, bis du zu dem Handwerker gehst, der mich gemacht hat, und sagst ihm: “Wie hässlich dieses Gefäß ist, das du gemacht hast!””

Er (Rabbi Elazar) folgte ihm, bis er seine Stadt erreichte. Die Stadtbewohner kamen ihm (Rabbi Elazar) entgegen und sagten zu ihm: „Friede sei mit dir, Rabbi“, (oder) „Rabbi und Lehrer“, (oder) „Lehrer“.

Sagte ihnen (der Mann): “Wen nennt Ihr “Rabbi, Lehrer”?”

Sie sagten ihm: “Denjenigen, der dir folgt.”

Er sagte zu ihnen: “Wenn solch ein (Mann) als “Rabbi” genannt wird, sollen ihm gleiche sich nicht in Israel vermehren!” Sie sagten ihm: “Warum?”

Er sagte ihnen: “So und so hat er mir angetan.”

Sie sagten ihm: “Trotzdem vergib ihm, denn dieser Mann ist groß in der Tora.”

Er sagte ihnen: “Wegen euch, ich vergebe ihm. Die Hauptsache ist, dass er nicht die Gewohnheit haben wird, dies weiter zu tun (wie er es mir angetan hat).”

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Sofort trat Rabbi Elazar der Sohn von Rabbi Schimon (ins Haus der Lehre) ein und lehrte: „Möge der Mensch immer so flexibel, wie ein Schilfrohr und nicht so steif, wie eine Zeder sein, und deshalb wurde der Schilfrohr damit belohnt, dass aus ihm der Feder, mit dem man die Tora-Schriftrolle schreibt, der Tefillin und die Mesusa gemacht werden.”

Auf den ersten Blick verurteilt der Talmud hier scharf die demütigende Haltung gegenüber einer Person aufgrund ihrer körperlichen Defekte.

Man sagt, dass Chafetz Chaim habe einmal gesehen, wie jemand, der einen Zwerg auf der Straße bemerkte, sich ihm näherte, seine Hand ergriff und mit Gefühl aussprach „Gesegnet sei unser G-tt, unser Herr, König der Welt, der seltsame Schöpfungen erschaffen hat“ – ein Segen, was beim Anblick außergewöhnlicher Kreaturen ausgesprochen wird, in diesem Fall beim Anblick einer Person von ungewöhnlich kleiner Statur. Chafetz Chaim sagte darüber: “Vielleicht wird diese Person eine Belohnung für den Segen erhalten, die er ausgesprochen hat, aber zweifellos wird er seine ganze zukünftige Welt verlieren, weil er seinen Nächsten öffentlich entehrt hat.”

Nicht physische Hässlichkeit, sondern moralische

Wenn wir diese Passage des Talmud genauer untersuchen, werden wir dort viele Unklarheiten feststellen.

Erstens, zu wem wurde gesagt, dass er so flexibel, wie ein Schilfrohr und nicht so steif, wie eine Zeder sein soll? Zum Rabbi Elazar oder zur Person, die er traf, der war, wie Raschi und Tosafot sagen (Raschi Taanit 20b, vom Wort „Nizdamen“), der Prophet Eliyahu selbst?

Und doch ist es unklar: Wenn selbst der wertloseste Mensch es sich nicht erlaubt, eine der Kreationen des Allmächtigen so zu demütigen, ist es umso schwieriger, sich vorzustellen, dass Rabbi Elazar sich so verhalten und sogar stolz werden könnte?

Und schließlich steht geschrieben, dass die entgegenkommende Person Rabbi Elazar unter der Bedingung vergeben hat, dass er ein solches Verhalten nicht zur Gewohnheit machen würde. Es stellt sich heraus, dass man sich gelegentlich so verhalten dürfte?

In Anbetracht dessen, was gesagt wurde, scheint es mir, dass derjenige, der sagte: „Friede sei mit dir, Rabbi!“, genau der Rabbi Elazar ben Rabbi Schimon war, der den Entgegenkommenden begrüßte. Als er den Gruß nicht beantwortete, wurde Rabbi Elazar wütend und sagte zu ihm: “„Leerer (Mensch), wie hässlich bist du!” Dies bezieht sich nicht auf die physische, sondern auf die moralische Hässlichkeit einer leeren Person, einer Person, die unvernünftig und unzivilisiert ist. Und dann fragte er ihn, ob ein solcher Mangel an Kultur seine persönliche Qualität oder eine Qualität ist, die allen Bewohnern seiner Stadt innewohnt? Darauf antwortete ihm der Entgegenkommender, dass eine solche Frage an den Handwerker gerichtet werden sollte, der ihn erschaffen hat. Mit anderen Worten, die Schuld für seine Mängel nicht an ihm liegt, sondern beim Allmächtigen, der ihn in eine bestimmte Gesellschaft versetzt hat, die ihm eine solche Erziehung verlieh. Dieser Mann glaubte, dass dies sein Los war – unhöflich zu sein.

Rabbi Elazar erkannte sofort, dass die Menschen für die Laster der Gesellschaft um sie herum verantwortlich gemacht werden dürfen, die sie nicht richtig erziehen konnte, und bat daher den Entgegenkommenden um Vergebung. Der Entgegenkommender sagte jedoch zu Rabbi Elazar, dass er ihm nicht vergeben würde, bis er dem Handwerker, der ihn geschaffen hatte, d.h. seinen Eltern und seiner Umgebung, sagte, wie hässlich die Arbeit ihrer Hände sei. Mit anderen Worten, Rabbi Elazar musste seine Ansprüche an die Umwelt der Unhöflichen geltend machen. Der Mensch, den Rabbi Elazar begegnete, dürfte ihn nicht vergeben, da die von ihm zugefügte Beleidigung nicht nur ihn selbst, sondern auch seine Gemeinde und vielleicht sogar seine gesamte Umgebung betraf. Da die gesamte Gemeinde beleidigt war, hatte nur die gesamte Gemeinde das Recht, Rabbi Elazar zu vergeben. Deshalb sagte dieser Mann, nachdem er Rabbi Elazar vergeben hatte: „Wegen euch, ich vergebe ihm“, aber er stellte die Bedingung, dass er nicht die Gewohnheit haben wird, dies weiter zu tun. Der Grund für diese Bedingung ist, dass die Verallgemeinerung von Menschen durch äußere Zeichen letztendlich zu dem Übel führt, das “Rassismus” genannt wird, was bis heute ein Problem auch innerhalb des jüdischen Volkes ist.

Die Wurzel des Rassismus

Diese Eigenschaft – um allen Vertretern seiner sozialen Gruppe die Mängel eines Individuums zuzuschreiben – die unseren Hassern innewohnt, war das Handwerk von Haman, wie in der Schriftrolle von Esther (Esther 3: 5-6) beschrieben:

Und Haman sah, dass Mordechai sich nicht verbeugte und sich nicht vor ihm niederwarf, und Haman war voller Wut. Und es war in seinen Augen verächtlich, nur auf Mordechai allein die Hand zu legen, denn ihm wurde gesagt, was für ein Volk ist das Volk von Mordechai. Und Haman wollte alle Juden ausrotten – das Volk von Mordechai, die im ganzen Königreich von Achascverosch sind.

Wir müssen versuchen, einen Menschen so zu akzeptieren, wie er ist, und ihn wegen seiner spirituellen Einschränkungen nicht zu hart beurteilen. Schließlich ist es oft nichts anderes als ein Spiegelbild der Einschränkungen seiner Umgebung. Diese Mängel sind oft eine direkte Folge einer schlechten Erziehung, die sich prägend auf die spirituelle Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen auswirkte.

Genau das hatte Rabbi Elazar im Sinn, als er von der Notwendigkeit sprach, flexibel wie ein Schilfrohr und nicht so steif, wie eine Zeder zu sein. Eine Person, die im Verhältnis zur Familie und zu anderen übermäßig streng ist, weckt bei ihnen nur Depressionen, Angstzustände und Nervosität. Nur eine respektvolle und tolerante Haltung gegenüber Menschen und ein positives persönliches Vorbild können einen Menschen erheben, ihm Anstand beibringen, der, wie man weiß, „der Tora vorausging“ (Wajikra Raba 9, 3, Wajikra Raba 35, 6) und ihn erziehen. Nur eine solche Einstellung kann eine Person zur Tora anziehen und den Weg zu ihrer Welt öffnen.

In der Tat hatte der Rabbiner aus formaler Sicht jede Recht, gegenüber dem Entgegenkommenden harsch zu sein, der auf sein Gruß nicht so antwortete, wie es sein sollte. Aber wir dürfen nicht vergessen, zum was dies letztendlich führte: “Sollen ihm gleiche sich nicht in Israel vermehren!” Es macht keinen Sinn, von den Menschen Respekt vor den Weisen der Tora zu fordern, die weit davon entfernt, die Bedeutsamkeit solches Verhaltens zu verstehen. Dies wird nicht nur zu nichts Gutem führen, sondern könnte auch die Menschen von den Pfaden der Tora abbringen.

Wenn so ist es, und in Übereinstimmung mit unserer Erklärung und ihrer traditionellen Verständnis, spricht diese Passage des Talmud von der Notwendigkeit, alle Menschen mit körperlichen und geistigen Defekten mit Verständnis und Respekt zu behandeln. Auf diese Weise erfüllen wir das Gebot, das ein Aspekt der Gebote ist, „liebe deines Nächsten Wohl wie deines“ (Wajikra 19:18), sich um die Kranken kümmern und das allgemeine Gebot – den Menschen zu helfen.

Wenn man neue Synagogen und großartige Gemeindezentren baut, muss man nicht nur an die Mehrheit denken, sondern auch an ältere Menschen, kranken Menschen und im Allgemeinen an Menschen mit Behinderungen, damit auch sie uneingeschränkt an der Gemeinde teilnehmen können.

Als wir, zum Beispiel, in Moskau eine neue, luxuriöse Mikwe bauten, stellten wir sicher, dass sie über die modernste Ausrüstung verfügt, damit Menschen mit Behinderungen sie bei Bedarf nutzen können. Unsere Mikwe ist übrigens bislang das einzige Beispiel dafür in ganz Ost- und Mitteleuropa.


Dieser Artikel ist ein Auszug aus Rabbi Pinchas Goldschmidts Buch “Das Wort der Tora”. Dieses Buch (Auf Russisch) kann auf der Website des Jüdischen Buches gekauft werden.


Stand von 22.04.2018

Der Autor ist rav Pinchas Goldschmidt

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